Quellen des Lebens

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Für immer mit den Gartenzwergen verbunden

Wenn der Filmregisseur Oskar Roehler die Geschichte der Bundesrepublik am Beispiel dreier Generationen der Familie Freytag erzählt, kann er auf seinen autobiografisch gefärbten Roman Herkunft von 2011 zurückgreifen. Großvater Erich Freytag (Jürgen Vogel) bezeichnet am Schluss Großmutter Elisabeth (Meret Becker) als „die Quelle meines Lebens“, nur habe er ihr seine Zuneigung nicht zeigen können. Wenn Robert, der Enkel und Ich-Erzähler, nach seinen familiären Wurzeln sucht, findet er lauter Menschen, die so eingezwängt sind in das Korsett der jeweiligen Gesellschaftsmoral, dass sie ihre Lieben schlecht behandeln.
Das Alter Ego Roehlers blickt mit der inneren Distanz des ungewollten Kindes auf deutsche Familienszenen vom Ende der 1940er Jahre bis in die späten 1970er und erkennt das Dysfunktionale darin besonders scharfsichtig. Dabei formt sich auch ein, manchmal grotesk überspitztes, manchmal aber geradezu zärtlich ausgemaltes Panorama deutscher Kultur- und Zeitgeschichte mit hohem Wiedererkennungswert. Man wird sehr sinnlich daran erinnert, wie sehr die großen Themen stets auch das einzelne Leben prägen, zum Beispiel, wenn in den 1960er Jahren Vater Klaus (Moritz Bleibtreu) den kleinen Robert mit Hinweis auf die hungernden Biafrakinder zwingen will, die warme Milch mitsamt der Haut zu trinken.

Die Erzählung setzt 1949 ein, lange vor Roberts Geburt, als Erich aus dem Krieg heimkehrt und Elisabeth in lesbischer Wohngemeinschaft mit seiner verhassten Schwester Marie (Sonja Kirchberger) vorfindet. Doch Erichs Schock, nicht willkommen zu sein, weicht schnell der Selbstbesinnung auf die patriarchale Macht. Er bestellt seine Frau ins Schlafzimmer, die widerspruchslos folgt, und setzt die Schwester vor die Tür. So. Das entfremdete Ehepaar liegt starr nebeneinander, sie in pinkfarbenes Licht gehüllt, er in blaues. Roehlers Argwohn Gefühlen gegenüber, die sich wie bestellt abspulen sollen, findet wie schon in Lulu und Jimi seine Entsprechung in artifiziellen Bonbon- und Neonfarben. Sie verdeutlichen, dass der Erzähler gleichzeitig auch urteilt, auslacht, relativiert, anzweifelt, kurz, seine liebe Not mit den Charakteren hat.

Es ist zwar erkennbar Roehlers Sarkasmus, der das deutsche Wirtschaftswunder mit der Invasion der Gartenzwerge gleichsetzt, aber die Zipfelmützenträger nicht nur aus Opa Erichs prosperierender Keramikfabrik haben ja tatsächlich eine späte Würdigung verdient. Roehler zieht eine direkte Linie von der Nazizeit zum unheimlich-possierlichen Grinsen der Zwerge, die nur die Idylle kennen wollen. Und von den 1950er Jahren und dem repressiven Ton in der Familie der Großeltern mütterlicherseits – herrlich walkürenhaft Margarita Broich als Oma Hildegard – zu deren rebellischer Tochter Gisela Ellers (Lavinia Wilson), die Erichs ältestem Sohn den Kopf verdreht. Für die anfängliche Liebe dieses Schriftstellerpaares der 68er, das dieselben Vornamen wie Roehlers Eltern Gisela Elsner und Klaus Roehler trägt, findet der Regisseur eindringliche Bilder. Das erstaunt umso mehr, als diese beiden ihr Kind Robert – gespielt von verschiedenen Darstellern – kriminell vernachlässigen.

Die meisten Figuren strahlen etwas Unbehaustes aus, während sie sich abstrampeln, um einen Zipfel vom vermeintlichen Glück zu erhaschen. Hin- und hergeschoben zwischen den beiden Großelternpaaren, dem Vater und dem Internat, wächst Robert zu einem langhaarigen Jugendlichen der Siebziger heran. Leonard Scheicher fasziniert in seiner Darstellung des von Gefühlen überwältigten Jungen, der seiner Kindheitsfreundin Laura (Lisa Smit) den Hof macht. Erst als Robert die Liebe findet, kann er sich innerlich mit der Familie aussöhnen. Auch Roehler emanzipiert sich mit dem doch recht milden Blick dieses Films von den Schrecken der eigenen Kindheit. Selbst wenn seine prägnante zeitgeschichtliche Retrospektive nichts wesentlich Neues hervorbringt, wirkt sie auf gut nachvollziehbare Weise durchdrungen von zwiespältiger Verwunderung, gar von verhaltener Sympathie.

Quellen des Lebens

Wenn der Filmregisseur Oskar Roehler die Geschichte der Bundesrepublik am Beispiel dreier Generationen der Familie Freytag erzählt, kann er auf seinen autobiografisch gefärbten Roman „Herkunft“ von 2011 zurückgreifen. Großvater Erich Freytag (Jürgen Vogel) bezeichnet am Schluss Großmutter Elisabeth (Meret Becker) als „die Quelle meines Lebens“, nur habe er ihr seine Zuneigung nicht zeigen können.
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Meinungen

isabellamaria · 25.02.2013

Ein Film, der eine Familiengeschichte über drei Generationen zeigt. Die Darstellung der Qualität der Beziehungen ist teilweise heftig, aber nachvollziehbar für die Zeit des Geschehens mit den entsprechenden Lebenseinstellungen dargestellt. Ein sehenswerter und glaubhafter Film, den ich gerne weiterempfehle.

abhijay · 23.02.2013

jede figur ist total übertrieben, wie eine karikatur dargestellt. schwer erträglich über drei stunden... und die auf alt geschminkten darsteller sehen aus wie bei klimbim oder sketchup. das alles lenkt so dermaßen ab, das ich den film nur als missglückt bezeichnen kann.

anna · 20.02.2013

Es könnte eine gelungene Geschichte sein. Es könnte ein gelungener Film sein. Die Betonung liegt eindeutig auf "könnte"! Der ganze Film ist im Ganzen nicht wirklich gelungen.

Trotz bekannten Schauspieler, Nachkriegsflair, verschiedene tiefgreifenden Ereignissen... sind die 3 Stunden Spielzeit für den gezeigten Inhalt wahrlich viel zu viel.

Ich habe mir selten das Ende so sehr herbeigewünscht, wie bei diesem Film. Wenige wirklich gute Szenen werden gezeigt, die Schauspieler werden auf sehr billige Art und Weise veraltert, was einem als Zuschauer schon richtig weh tut!

Und eben auch der bei besonders guten Filmen, eintretende Nachwirkungseffekt tritt gar nicht erst annähernd auf.

Schade, es hätte ein guter Film sein können. Schade um die Zeit, Schade um den Eintritt. Echt Schade!!!

margot reuther · 30.11.2012

gigantischer trailer