Private Revolutions - Jung, Weiblich, Ägyptisch

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Frauen im ägyptischen Frühling

Der Arabische Frühling hat mancherorts Hoffnungen geweckt, die sich als Strohfeuer entpuppten. So ist beispielsweise in Ägypten von der Aufbruchsstimmung, die 2011 auf dem Kairoer Tahrir-Platz herrschte, nicht mehr viel übrig geblieben. Dieser politische Klimawandel zeigt sich auch im österreichischen Dokumentarfilm von Alexandra Schneider. Sie begann 2011, vier ägyptische Frauen zu porträtieren, die im Zuge der Revolution zu Aktivistinnen wurden. Gegen Ende der Dreharbeiten Anfang 2013 ist ihr Optimismus einer allgemeinen Ernüchterung oder gar Enttäuschung gewichen, die gebildeten und politisch interessierten Protagonistinnen haben aber während dieser Zeit die Emanzipation der Frau persönlich vorgelebt. Gesellschaftlicher Wandel passiert in den Köpfen: Der Kampf um Demokratie und Bürgerrechte hat vermutlich nicht nur ihnen, sondern auch vielen anderen ägyptischen Frauen bewusst gemacht, dass sie über viel ungenutztes Potenzial verfügen.
Sharbat Abdullah musste ihren Beruf aufgeben, als einer ihrer drei Söhne krank wurde. 2011 skandiert sie häufig auf dem Tahrir-Platz Parolen, ihre Söhne nimmt sie zum Demonstrieren mit. Der Älteste wird einmal verhaftet und gefoltert. Sie macht weiter, 2012 verteilt sie Flugblätter, die zum Boykott der Präsidentschaftswahl aufrufen. Unter Mursis Herrschaft ist die Stimmung aufgeheizt, in der Nachbarschaft schlägt der Aktivistin soziale Ächtung entgegen, selbst das Filmteam wird beschimpft und bedroht.

Die Aktivistin Amani Eltunsi hat sich mit ihrem Internetradio und einem Buchverlag auf Frauenrechte spezialisiert. Sie bietet Frauen ein Forum, um über alltägliche Diskriminierung zu sprechen: sexuelle Belästigung, Kleidervorschriften, der Zwang, für alles Mögliche die Erlaubnis des Ehemanns einholen zu müssen. Anfang 2013 ist die taffe Amani einsilbig und bedrückt. Ihre Internetauftritte wurden gehackt und blockiert, im Verlag gab es einen Brand.

Fatema Abouzeid gehört zu den Mitbegründern der Partei der Muslimbrüder. Sie trägt immer Kopftuch und hat nur wenige Stunden am Tag Zeit für ihre unentgeltliche Arbeit – denn der Mann und die drei Kinder kommen an erster Stelle. Sie hängt religiös-konservativen Idealen an und wirkt dennoch emanzipiert, lässt ihre Kinder Englisch lernen und legt die Masterprüfung in Politologie ab. Begeistert reiht sie sich Ende 2011 auf der Straße in eine Schlange wartender Menschen ein, die bei den Parlamentswahlen ihre Stimme abgeben wollen. 2012 arbeitet sie im Wahlkampfteam Mursis. Dann bricht der Kontakt zur Regisseurin plötzlich ab.

May Gah Allah hatte einen guten Posten als Finanzberaterin bei einer Bank, doch sie gab ihn auf, um in Assuan, im Süden des Landes, ein Entwicklungsprojekt auf die Beine zu stellen. Dort lebt die nubische Bevölkerungsgruppe Ägyptens, der sie auch angehört. Mangels Perspektive wollen die meisten jungen Leute fortziehen. May versucht mit ihren ehrgeizigen Plänen die Eigeninitiative und das kulturelle Selbstbewusstsein der Nubier zu stärken. Im Kulturzentrum, das sie bauen lässt, sollen unter anderem Computer- und Handwerkskurse angeboten werden. Im besonders konservativen Süden irritiert viele Leute aber schon, dass May unverheiratet ist und kein Kopftuch trägt.

Das Filmteam begleitet die vier Frauen im Alltag, besucht sie zuhause oder an der Uni, taucht mit ihnen in den Trubel der Kairoer Straßen ein, fährt mit im Taxi und im Zug. An der Seite Mays geht es auch ins ruhigere, provinzielle Assuan am Nil. Die Energie der Frauen und ihr oft ironisch durchsetzter Humor geben den Ton an. Immer wieder spiegelt sich in Dialogen und Begegnungen die öffentliche Stimmung und ihr Wandel im Laufe der beiden Jahre. Gerade weil der Film sein Augenmerk nicht in erster Linie auf die große Politik richtet, sondern darauf, wie es den Frauen ergeht, die die Initiative ergreifen, fängt er auch das Lebensgefühl sehr authentisch ein. Genauso interessant und aufschlussreich ist der zeitliche Bogen, den er spannt, weil er die Revolution und den anschließenden antidemokratischen Kurs als ein Kontinuum erfahrbar macht.

Private Revolutions - Jung, Weiblich, Ägyptisch

Der Arabische Frühling hat mancherorts Hoffnungen geweckt, die sich als Strohfeuer entpuppten. So ist beispielsweise in Ägypten von der Aufbruchsstimmung, die 2011 auf dem Kairoer Tahrir-Platz herrschte, nicht mehr viel übrig geblieben. Dieser politische Klimawandel zeigt sich auch im österreichischen Dokumentarfilm von Alexandra Schneider. Sie begann 2011, vier ägyptische Frauen zu porträtieren, die im Zuge der Revolution zu Aktivistinnen wurden.
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Meinungen

Christiane · 11.09.2015

Wäre schön wenn frau auf der Seite des Film erfühlen wann er läuft ohne groß suchen zu müssen.