Pride (2014)

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

Die sozialdemokratische Komödie lebt

Mit einer skurrilen aber wahren Geschichte über Solidarität zweier völlig unterschiedlicher Gruppen entführt uns Regisseur Matthew Warchus ins Großbritannien der Thatcher-Ära und ins sozialdemokratische Komödiengenre ganz im Sinne Ken Loachs.

In den 1980er Jahren in Großbritannien greift der Thatcherismus im großen Stil um sich. Insbesondere die Bergarbeiter sind von Umstrukturierungen oder Privatisierungen der staatlichen Betriebe betroffen. Von einigen Gruppen bekommen streikende Bergarbeiterdörfer in Wales Unterstützung, so auch von einer schwul-lesbischen Gruppe aus London. Doch was haben Bergarbeiter und Schwule überhaupt gemeinsam? Beide Gruppen werden gleichermaßen von den Medien, den Politikern und der Polizei diskriminiert und beschimpft. Nach dieser Erfahrung beschließt der Schwulen-Aktivist Mark, dass den streikenden Bergarbeitern in Wales geholfen werden muss. Gemeinsam mit anderen Aktivisten, die sich regelmäßig in einem Londoner Buchladen treffen, gründen sie die „LGSM – Lesbians and Gays Support the Miners“. Dies kommt nicht nur in den Kreisen der Londoner schwul-lesbischen Gemeinde seltsam an, insbesondere Heterosexuelle schütteln über diese merkwürdige Liaison die Köpfe. Noch schlimmer kommt es aber, als die Aktivisten um Mark ihre gesammelten Spendengelder an eine bedürftige streikende Bergarbeitergemeinde in Wales loswerden möchten. Wie oft sie dort auch anrufen, um ihr gutes Werk zu vollenden, stets werden sie abgewimmelt — bis sich eine aufgeschlossene ältere Dame wagemutig auf das „Abenteuer“ einlässt. Die Lesben und Schwulen besuchen die Provinz und der Kulturschock sitzt auf beiden Seiten zunächst tief.

Ein bisschen fragt man sich ja schon, ob Regisseur Matthew Warchus und Drehbuchautor Stephen Beresford eine bestimmte Absicht verfolgten, als sie dieses kuriose, aber historische Bündnis von Bergarbeitern und einer kleinen schwul-lesbischen Gruppe zu einem Filmthema machten. Doch die Skepsis verfliegt schon nach wenigen Filmminuten. Ähnlich wie Ganz oder gar nicht nimmt diese Filmkomödie ihr Publikum sofort mit und kann mit Typen, Gags und natürlich der richtigen Musik ganz schnell überzeugen. In bester Tradition von Ken Loach wird vor allem eine gute Filmkomödie erzählt, die Botschaft gibt’s gratis dazu. In Großbritannien ist die Verbundenheit der Bergarbeiter und der schwul-lesbischen Bewegung übrigens bis heute bekannt und in manchen Kreisen geradezu legendär. Der Film ist somit nach 30 Jahren mehr als überfällig.

Zunächst erscheinen die meisten Charaktere wie Stereotypen, doch nach und nach merkt man, dass jeder sein eigenes Päckchen mitbringt, seine eigenen Ecken und Kanten hat. Mark, der Anführer der Schwulen-Aktivisten, tritt zwar als Frontmann und Weltverbesserer auf, doch auch ihn plagen Selbstzweifel. Der exzentrische Jonathan hat seine helle Freude, als er walisischen Frauen und Männern die richtigen Discotänze beibringt, doch er gehört zu den HIV-Infizierten der ersten Stunde und weiß nicht, wann seine Uhr ablaufen wird. Und der junge Joe, der noch bei seinen Eltern lebt, hat nach einer durchknutschten Nacht endlich sein Coming-out.

Pride ist eine Ensemble-Komödie, in der keiner der Darsteller sich nach vorne drängt und vor allem die Geschichte die Hauptrolle spielt. Es ist ein Feel-Good-Movie, welches aber dennoch eine deutliche Botschaft vermitteln will und kann – ohne belehrend zu wirken. Und schließlich zeigt der Film nicht nur formal, dass zwei unterschiedliche Dinge sehr gut nebeneinander bestehen können: Homos und Heten, Bergarbeiter und Städter und vielleicht, wer weiß … eines Tages sogar Labour-Anhänger und Tories.
 

Pride (2014)

Mit einer skurrilen aber wahren Geschichte über Solidarität zweier völlig unterschiedlicher Gruppen entführt uns Regisseur Matthew Warchus ins Großbritannien der Thatcher-Ära und ins sozialdemokratische Komödiengenre ganz im Sinne Ken Loachs.

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