Polnische Ostern

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Allein unter Polen

Weil man hierzulande offenbar aufgrund mangelnder Phantasie oder fehlenden Mutes dazu neigt, vermeintliche oder tatsächliche Erfolgsmodelle gerne bis zum bitteren Ende zu wiederholen, rollt nun schon seit geraumer Zeit eine ganze Welle von Büchern und im Schlepptau auch Filmen durch die Buchhandlungen und Kinos, die sich mit dem vorwiegend heiteren Aufeinandertreffen der Kulturen beschäftigen. Der Trend, der wahrscheinlich mit allen Nachbarländern durchdekliniert werden wird, begann (natürlich) mit dem Sehnsuchtsland Nummer 1 – nämlich Italien. Während Fatih Akin in seinem Film Solino noch die Gastarbeiterfamilie aus dem Süden ernst nahm und deren Blick in den Fokus rückte, dominierte in Jan Weilers gleichwohl amüsanten Beobachtungen Maria, ihm schmeckt’s nicht und dem unvermeidlichen gleichnamigen Film schon der eher teutonisch-milde Blick auf die netten und vor allem skurrilen Eigenheiten der Fremden, die irgendwann zu Freunden werden. Ähnlich wie Fatih Akin geht auch Yasemin Samdereli in Almanya – Willkommen in Deutschland vor: Hier wie dort geht es um den „fremden“ Blick auf Deutschland, um die Erfahrungen derjenigen, die sich in der Fremde erst orientieren und eine neue Heimat erschaffen müssen. Man könnte vermuten, dass eine solche Betrachtungsweise typisch sei für Filmemacher, die selbst als Kinder von Migranten ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Dass es aber auch andersherum geht, zeigt der aus Polen stammende Filmemacher Jakob Ziemnicki mit seinem Film Polnische Ostern, in dem er einen wackeren deutschen Bäckermeister (Henry Hübchen) in familiärer Mission gen Osten reisen lässt. Mit im Gepäck befinden sich jede Menge Vorurteile und Verletzungen, die natürlich im Verlauf des Geschehens etlichen Prüfungen unterworfen werden.

Träge und grau ist das Leben von Bäckermeister Grabosch geworden – so langsam und schwermütig ist die Abfolge von Tagen wie die Fluten des Nord-Ostseekanals, der an seinem Haus vorbefließt, seitdem seine Frau und seine Tochter verstarben. Nun schaut er hinaus aufs Wasser, um die Schiffe zu beobachten. Die einzige Freude, die ihm noch geblieben ist, ist seine Enkelin Mathilda (Paraschiva Dragus), die aus der Verbindung von Graboschs Tochter mit dem Polen Tadeusz (Adrian Topol) stammt. Doch das kleine und einzige Glück des Mannes, der als Erinnerung an den gleich doppelten Verlust zwei Urnen täglich vor Augen hat, ist gefährdet. Mathilde soll nach dem Willen ihres Vaters in Polen aufwachsen, nachdem ihm ein Gericht das Sorgerecht zusprach.

Grabosch ist entsetzt – auch weil er nicht viel von seinem Ex-Schwiegersohn hält. Und so bricht er mit seinem ängstlich beäugten Mercedes (immerhin geht die Reise ja nach Polen und man hat ja schon viel davon gehört, wie leicht dort solide deutsche Ingenieurskunst den Besitzer wechselt) gen Osten auf. Unter dem Deckmantel eines österlichen Verwandtschaftsbesuches will er dort Indizien für eine Vernachlässigung Mathildas sammeln, um diese vor Gericht vorzulegen und so das Sorgerecht für seine Enkelin zu erstreiten. Und tatsächlich scheinen sich fast alle seiner Vorbehalte gegen Tadeusz zu bewahrheiten. Dieser ist offensichtlich in krumme Geschäfte verwickelt, zudem mangelt es der Familie sowohl an Geld als auch an der nötigen Harmonie. Dann aber, ganz langsam, verändert sich Graboschs sture und sehr deutsche Haltung – was auch an Mathildas polnischer Großmutter Irina (Grazyna Szapolowska) liegt, die allem Anschein nach ein Auge auf den feschen Bäckermeister geworfen hat.

Unspektakulär und manchmal beinahe behäbig in Szene gesetzt, vertraut Jakob Ziemnicki in Polnische Ostern vor allem auf seine Darsteller. Eine Gleichung, die dank Henry Hübchen und der polnischen Schauspielerin Grazyna Szapolowska, die vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit Krzysztof Kieślowski bekannt wurde, zumindest teilweise aufgeht. Wenn diese beiden sich wechselseitig angiften und anschmachten, dann gehört das zu jenen Szenen, die den Esprit ausstrahlen, den man sich für den ganzen Film gewünscht hätte.

Vielleicht liegt ja diese Zurückhaltung und daraus resultierend der sich eher auf den zweiten Blick erschließende Charme des Films in dem durchaus begründeten Wunsch, das Thema der vorbelasteten deutsch-polnischen Beziehungen ausgewogen und mit kühlem Herzen zu betrachten – gerade weil man weiß, dass das Thema voller Fettnäpfchen und Fallstricke steckt. Und bisweilen versucht Ziemnicki auch, aus dem selbst gewählten Korsett der politischen Korrektheit auszubrechen. Im Gesamtkontext des Filmes betrachtet zünden diese Szenen allerdings nicht so richtig. Etwas mehr Biss und satirische Schärfe hätten den Anliegen des Films sicher nicht geschadet.

Unterm Strich ist Polnische Ostern eine Culture-Clash-Komödie mit eher gebremstem Schwung, bei der man (wieder einmal) deutlich merkt, dass der Film als „Kleines Fernsehspiel“ konzipiert wurde, welches nun den Weg ins Kino finden soll. Man muss kein Prophet sein um festzustellen, dass der Film dort eher geringen Zuspruch finden wird – allein die Masse der aktuellen Neustarts in den Kinos sorgt schon dafür, dass solche kleinen Filme derzeit in aller Regel untergehen.

Polnische Ostern

Weil man hierzulande offenbar aufgrund mangelnder Phantasie oder fehlenden Mutes dazu neigt, vermeintliche oder tatsächliche Erfolgsmodelle gerne bis zum bitteren Ende zu wiederholen, rollt nun schon seit geraumer Zeit eine ganze Welle von Büchern und nun im Schlepptau auch Filmen durch die Buchhandlungen und Kinos, die sich mit dem vorwiegend heiteren Aufeinandertreffen der Kulturen beschäftigen.
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