Offline - Das Leben ist kein Bonuslevel

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Junge und sein Avatar

Jeder Internetnutzer kennt die Angst vor Identitätsdiebstahl. Man könnte in den finanziellen Ruin getrieben werden oder sich für Taten und Worte verantworten müssen, die einem Unbekannte unterjubeln. Der 17-jährige Jan (Moritz Jahn), ein leidenschaftlicher Gamer, erleidet eine andere Art von Identitätsdiebstahl: Er verliert den Zugriff auf seinen Avatar Fenris, einen tapferen Krieger im Computerspiel Schlacht um Utgard. Und das ausgerechnet auf der Zielgeraden zu Ragnarök, dem größten Online-Turnier aller Zeiten! Jan ist also komplett aufgeschmissen.
In seinem Langfilmdebüt taucht Regisseur Florian Schnell tief in die Welt jugendlicher Fans von Fantasy-Games ein. Mit frecher, unbeschwerter Ironie demonstriert er, wie das ist, wenn Teenager nur noch in virtuellen Spielszenarien unterwegs sein wollen. Jan interessiert sich weder für das Abitur, noch verbringt er die Nächte schlafend, sondern schwingt dann als Fenris das Schwert. Die Realität rückt erst wieder in seinen Fokus, als die Weltuntergangssage Ragnarök quasi aus dem Spiel in seinen Alltag tritt, weil der Computer plötzlich nur noch eine taube Hardware ist. Die pädagogische Empfehlung gegen Spielsucht lautet ja auch meistens, Stecker raus und ab in die Natur! Schnells Film übernimmt sie zwar, aber alles andere als schulmeisterlich. Einerseits macht er sich lustig über Jans verstiegene Gedanken- und Gefühlswelt, andererseits aber lässt er sich auf sie ein und spielt mit.

Der Bösewicht, der Jan den Zugang zu Computer und Handy gekappt hat, ist Loki (Hannes Wegener), benannt nach seiner mächtigen Spielfigur. Jan haut also von Zuhause ab, um die Adresse Lokis herauszufinden. In der Empfangshalle der Computerspielfirma trifft er auf den Spieler, der hinter Fenris‘ starkem Teamkameraden Gotrax steckt – und staunt nicht schlecht, denn es ist ein Mädchen! Karo (Mala Emde) mit den blauen Haaren wurde ebenfalls aus dem Spiel gehackt. Sie verschafft sich mit einem Trick Zugang zum Computer an der Rezeption und kann die gesuchte IP-Adresse in einem abgelegenen Tal in den Wäldern lokalisieren. Ohne Geld müssen sich die beiden Teenager nun in ein reales Abenteuerszenario begeben.

Lagerfeuer, Wasserfälle, regennasse Kleidung, ein verstauchtes Bein und beinahe ein Kuss: Die zahlreichen Bewährungsproben im Wald sind voller skurriler Momente, zum Beispiel auch, als die beiden von einer Gruppe Rollenspieler attackiert werden. In diesem Naturambiente blitzen Erinnerungen an die französische Jugendkomödie Liebe auf der ersten Schlag von 2014 mit Adèle Haenel auf. Denn dort ging es auch um ein junges Paar, das in einer sehr speziellen Vorstellungswelt lebt und sich beim Wirklichkeitstest näherkommt. Hier folgen Inhalt und visuelle Gestaltung Jans Assoziationswelt, und so erscheint als Überschrift des Kapitels Wildnis in stilvollem Game-Design der Begriff New Quest Area. Jan bleibt eben, wie auch seine häufigen Imaginationen als Fenris zeigen, immer mit einem Bein im Universum des Fantasyspiels. Als der Morgen über den Wäldern erwacht, steht er auf einer Anhöhe und sagt bewundernd zu Karo: „Guck mal, sieht alles ultra 3D aus!“

Ist Jan um eine Antwort verlegen, können im Bild wie vor seinem geistigen Auge schon mal vier Auswahlfelder mit Sprüchen zum Anklicken auftauchen. Die filmische Perspektive lernt praktisch von Jan und seinen GamerkollegInnen. Zum Beispiel erscheint eine kreisförmige Loading-Anzeige im Bild, als ein Mann im Dorfladen etwas länger braucht, um zu merken, was Jan und Karo dort gerade aushecken. Zu solch heiterem Ideenreichtum passt auch die flotte Musikuntermalung.

Die Dramaturgie treibt Jan in einen schweren Entscheidungskonflikt: Soll er zu Karo halten oder doch lieber für Fenris und das Turnier alles stehen und liegen lassen? Dabei verläuft der Weg des Helden dann doch zunehmend konventionell über die Stationen Versuchung, Verfehlung, Läuterung. Die Charaktere an sich stehen auch nicht wirklich im Mittelpunkt, sondern eher die Handlung selbst. Denn die Einsichten der Figuren erfolgen oft abrupt und wie nach Plan. Auch bleibt die Geschichte in diesen schematischen Abschnitten nicht frei von Unstimmigkeiten und Übertreibungen, zum Beispiel in Bezug auf die Motive des bösen Loki.

Aber mit seiner Komik und den pfiffigen gestalterischen Anleihen aus dem Gamer-Universum ist dieser Film vor allem ein großer Spaß. Es gelingt ihm, einen völlig neuen, frischen Ton in der Debatte über jugendliche Begeisterung für virtuelle Welten einzuschlagen.

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Jeder Internetnutzer kennt die Angst vor Identitätsdiebstahl. Man könnte in den finanziellen Ruin getrieben werden oder sich für Taten und Worte verantworten müssen, die einem Unbekannte unterjubeln. Der 17-jährige Jan (Moritz Jahn), ein leidenschaftlicher Gamer, erleidet eine andere Art von Identitätsdiebstahl: Er verliert den Zugriff auf seinen Avatar Fenris, einen tapferen Krieger im Computerspiel Schlacht um Utgard.
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