Neo Rauch - Gefährten und Begleiter

Eine Filmkritik von Falk Straub

Ich male, also bin ich

Der Journalistin und Regisseurin Nicola Graef ist es gelungen, den Leipziger Maler Neo Rauch vor die Kamera zu locken. Im Dokumentarfilm Neo Rauch – Gefährten und Begleiter gibt er einen Einblick in seine Arbeit, ohne zu viel von sich zu verraten.
Neo Rauch ist ein Superstar der deutschen Kunstszene. Bei einer Ausstellungseröffnung im sachsen-anhaltischen Aschersleben, dem Ort seiner Kindheit und Jugend, umschwärmen ihn die Fotografen und Kamerateams. Ruhig steht der 1960 geborene Maler, der die mediale Öffentlichkeit scheut, im Rund der Journalisten und beantwortet geduldig ihre Fragen. Dabei gleicht er den Figuren in seinen Gemälden: irgendwie fehl am Platz, entrückt, mit verträumtem Blick, schlafwandlerisch.

Regisseurin Nicola Graef hat Neo Rauch beinahe drei Jahre lang begleitet, ihn im öffentlichen Raum bei Vernissagen, hauptsächlich aber beim Malen gefilmt. Ihr Publikum ist dabei, wie aus dem Nichts der leeren Leinwand ein Gemälde entsteht. Das mit Abstand Faszinierendste an diesem Film. Denn dessen Protagonist gibt sich spröde. Wiederholt befragt Graef den Künstler aus dem Off. Der ist auch im geschützten Raum seines Leipziger Ateliers zurückhaltend, spricht ruhig, wägt jedes einzelne Wort ab, greift dabei zu manch schiefem Bild. Allzu viel gibt er nie preis – weder von sich noch von seiner (Herangehensweise an die) Kunst. Ein wenig scheint es so, als arbeite Rauch auf diese Weise am eigenen Mythos: Ein Maler so rätselhaft wie seine Gemälde, diese seltsamen Mischungen aus Sozialistischem Realismus und Surrealismus, die auf dem Weltmarkt teils Millionen Dollar erzielen.

Über Rauchs Leben erfährt das Publikum von anderer Stelle, aber auch hier nur bruchstückhaft. Wann und wo er geboren wurde und wie er aufwuchs, lässt Graef während einer Führung durch die Münchner Pinakothek der Moderne geschickt von deren Kurator für Gegenwartskunst, Bernhart Schwenk, erzählen. Rauchs Leipziger Galerist und langjähriger Freund Gerd Harry Lybke erinnert sich an längst vergangene Studententage. Und Rauchs Frau, die Malerin Rosa Loy, gibt Einblicke, was das Künstlerpaar über die Jahre voneinander gelernt hat, während der Protagonist mit der Begründung, dass man diese Frage nicht so einfach beantworten könne, stumm daneben sitzt. Schwenk, Loy und Lybke sind drei der „Gefährten und Begleiter“ aus dem Untertitel des Films. Die anderen sind in erster Linie Sammler aus aller Welt, die die Bilder zwar auf ihre ganz eigene Weise für sich interpretieren, dann aber doch alle auf Rauchs Herkunft und die deutsche Teilung zurückführen. Gern hätte man hier die eine oder andere unbefangene Stimme gehört, die sich ohne Vorwissen über den Maler mit dessen Gemälden auseinandergesetzt hätte.

Graef schreckt nicht vor unangenehmen Fragen zurück – so teilt Neo Rauch etwa ganz am Ende ein klein wenig seine Gefühle und Gedanken über den frühen Unfalltod seiner Eltern –, gibt sich aber allzu schnell mit einfachen Antworten zufrieden. Dass Rauch die horrenden Preise für seine Gemälde nichts bedeuteten, da ihm die Welt der Zahlen generell fremd sei, klingt natürlich gut. Hier muss dann aber zumindest die Frage erlaubt sein, warum sich Rauchs Motive seit Jahren, ja Jahrzehnten nicht merklich verändern, obwohl er gleich zu Beginn des Dokumentarfilms vom Versuch spricht, „immer wieder neue Pfade zu ergründen“. Bedient er stattdessen nicht vielmehr einen Markt? Eine Pause kann er sich zumindest nicht vorstellen. Das nimmt ihm der außenstehende Betrachter schon eher ab. „Wer bin ich denn, wenn ich nicht male?“, fragt er in die Kamera, bevor uns Nicola Graef mit dieser Frage aus dem Kinosaal entlässt.

Neo Rauch - Gefährten und Begleiter

Der Journalistin und Regisseurin Nicola Graef ist es gelungen, den Leipziger Maler Neo Rauch vor die Kamera zu locken. Im Dokumentarfilm Neo Rauch – Gefährten und Begleiter gibt er einen Einblick in seine Arbeit, ohne zu viel von sich zu verraten.
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