Meine Zeit mit Cézanne

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Freundschaft in Zeiten des Impressionismus

Kann man eine Freundschaft aus Kindertagen bis ins Erwachsenenalter aufrechterhalten? Mit dieser Fragestellung inszeniert Danièle Thompson ihr Biopic Meine Zeit mit Cézanne über die Freundschaft zwischen dem Maler Paul Cézanne (Guillaume Gallienne) und dem Schriftsteller Émile Zola (Guillaume Canet). Und schon in den ersten Einstellungen wird klar, dass es sich hier um ein sehr konventionelles Biographie-Drama handelt: Federn, die über Papier kratzen, Farbe, die auf einer Palette ausgedrückt wird, tanzendes Morgenlicht auf einem grünbestickten Hausmantel, Sonnenschein auf einem beklecksten Malerkittel – in warmen Detailaufnahmen werden Zolas und Cézannes Lebenswelt gegeneinander geschnitten. Es ist das Jahr 1888 und Cézanne besucht seinen alten Freund Zola ein letztes Mal. Sie haben sich in der Vergangenheit gestritten, der Maler fühlt sich im Buch Das Werk seines Jugendfreundes verkannt und falsch dargestellt. Nun könnte es zur Aussprache zwischen den Freunden kommen.
Der Besuch bildet den Rahmen der Handlung, die immer wieder von chronologischen Rückblenden in die Kindheit, Jugend und frühen Erwachsenenjahre der beiden Künstler unterbrochen wird. Politische Ereignisse erwähnt Thompson dabei bewusst nur am Rande, auch die Umbrüche in der Pariser Kunstszene zum Ende des 19. Jahrhunderts hin – wohl eine der spannendsten Episoden der Kunstgeschichte – streift Thompson nur marginal. Die bewusste Entscheidung der Regisseurin, die Geschichte ausschließlich rund um die zwei Männer und ihre schwierige Beziehung zueinander zu erzählen, setzt stark auf den Dialog und das Talent der beiden Hauptdarsteller. Doch auch deren schauspielerische Leistung kann über Längen in diesem 113-Minuten-Film nicht hinwegtrösten.

Spätestens nach einer Stunde erträgt man den egomanischen Perfektionisten Cézanne kaum noch, der sich nicht benehmen kann, jeden von sich wegstößt und dabei wie ein Kind um Aufmerksamkeit und Anerkennung bettelt. Und immer wieder seine Wutanfälle – irgendwann stellt sich die Frage, wie überhaupt mehr als 1000 Gemälde von ihm bis heute erhalten bleiben konnten, wo er hier doch bei jedem Wutanfall seine Werke zerknüllt, zertritt und mit Farbe überschüttet.

Und auch für Zola geht die Empathie schnell verloren. Die Dialoge zwischen den beiden Künstlern, die diesen Film vorwärtstreiben müssten, drehen sich zunehmend im Kreis und pendeln zwischen Cézannes Wutausbrüchen und Zolas Unverständnis für seinen Freund hin und her. Was wohl als Fokus auf die großen Themen einer Freundschaft gedacht war, wirkt leider schnell hölzern und unterkühlt. Zwischen Gallienne und Canet will es nicht funken, die Chemie für den großen filmischen Abriss einer Männerfreundschaft stimmt einfach nicht.

Die Kamera von Jean-Marie Dreujou versucht zwar den gesamten Film hindurch, Wärme zu vermitteln. Sie fängt das Geschehen, das an Originalschauplätzen in Aix-en-Provence, Médan und Paris gedreht wurde, auch ganz fabelhaft in satten Farben ein, zeigt die Provence durchdrungen von einer lichten Leichtigkeit, die deutlich von impressionistischen Gemälden jener Epoche inspiriert ist – aber fehlt genau diese Wärme bei den Figuren.

Stark wird der Film allein in jenen Momenten, in denen die Frauen kurz in den Blick genommen werden. Wenn beispielsweise der bereits berühmte Zola die Familie seines Jugendfreundes besucht, der zu jener Zeit beim Vater aufgrund seines unsteten Malerlebens in Ungnade gefallen ist, und Cézannes Mutter (Sabine Azéma) in Vertrautheit mit Zola durch den Garten des Anwesens streift, um ihm unbeobachtet vom gestrengen Vater Geld für ihren Sohn zuzustecken und sich nach dem Befinden ihres unehelichen Enkels zu erkundigen. Wenn Cézannes Geliebte Hortense (Déborah François) ihn in einem Wutanfall anklagt, in ihr nur das Modell und nie die Mutter seines Sohnes zu sehen. Oder wenn Zolas Mutter (Isabelle Candelier) den verzweifelten Cézanne nach einem Abendmahl, bei dem er von der Gesellschaft der anderen Künstler verspottet wurde, tröstend in den Arm nimmt und fragt: „Bekommst Du da drinnen auch keine Luft?“ In diesen Sequenzen gerät die Chemie zwischen den Darstellern plötzlich ins Gleichgewicht, ist der Film stark und emotional und warm. Hier blitzt durch, dass Thompsons Brillanz in der Schilderung von Familiengeschichten und -dramen liegt, hat sie doch die Drehbücher für La Boum, Die Bartholomäusnacht oder den Louis-de-Funès-Klassiker Die Abenteuer des Rabbi Jacob geschrieben. Warum sie in Meine Zeit mit Cézanne nicht mehr auf die vielen starken Frauendarstellerinnen vertraute, die sie zur Hand hat, bleibt ein Rätsel. So kommt der Film nicht über eine solide Konventionalität hinaus – und die brillanten Momente bleiben leider die Ausnahme.

Meine Zeit mit Cézanne

Kann man eine Freundschaft aus Kindertagen bis ins Erwachsenenalter aufrechterhalten? Mit dieser Fragestellung inszeniert Danièle Thompson ihr Biopic „Meine Zeit mit Cézanne“ über die Freundschaft zwischen dem Maler Paul Cézanne (Guillaume Gallienne) und dem Schriftsteller Émile Zola (Guillaume Canet).
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Meinungen

Martin Zopick · 20.08.2020

Es gibt so viele, gute Biopics von berühmten Malern (z.B. Minnellis Vincent van Gogh), die sowohl die Persönlichkeit herausarbeiten als auch viele Werke der Künstler en passant einblenden. Sie bieten somit einen doppelten Gewinn. Da ist dieser Film von Danièle Thompson, der wie ein Mosaik angelegt ist, ein zweifacher Verlust. Von den beiden Freunden Émile Zola und Paul Cézanne, (dargestellt von den beiden Guillaumes: Canet für Zola und Gallienne für Cézanne) die hier im Mittelpunkt stehen, bleibt wenig Erinnerungswürdiges hängen.
Sie wandern von Salon zu Salon, führen gespreizte Streitgespräche und sind mit Cherchez-la-Femme gut beschäftigt. Da fällt Cézannes Model und spätere Ehefrau Marie-Hortence (eindrucksvoll Débora Francois) schon positiv aus dem schalen Rahmen. Immerhin kauert sie lasziv auf einem Divan. Das künstlerische Abbild, das hier entsteh, sehen wir leider nicht. Cézanne hat so gut wie keine Akte gemalt, aber auch von den typischen Landschaften ist nichts zu sehen. Von der Liebe auch nicht. Darüber schwadronieren die älteren Herrn nur ausgiebig. Man versteht nicht, wieso Cézanne einer der Großen im Europa des 19. Jahrhunderts gewesen ist.
Die übrigen Darsteller bleiben blass wie die beiden Freunde. Auch die Turbulenzen bei den Pariser Ausstellungen lassen uns eigentlich kalt und andere Berühmtheiten unter den Zeitgenossen bleiben nur Farbklekse, die gleich wieder übermalt werden.
Viel Picknick, viel Wandern und ganz lange Gespräche lassen diesen Film etwas fade und zäh erscheinen. Schade, Chance vertan.