Meat

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Fleischeslust

Fleischeslust und sexuelle Gelüste, das Kopulieren und Verschlingen, das Einverleiben und die Penetration — diese Kombination sorgt im Kino immer wieder für schockierende, extreme Filme, die aufgrund ihrer expliziten Bilder und ihrer kompromisslosen Haltung Skandale auslösen und das Publikum spalten. Marco Ferreris Das große Fressen, Peter Greenaways Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber, Gaspar Noés Carne und Der Menschenfeind oder eher dunkel-komödiantische Werke wie Wolfgang Murnbergers Der Knochenmann und Jean-Pierre Jeunets Delicatessen – die Liste der Werke, die sich durch die Parallelisierung und Kopplung der beiden Themenfelder auszeichnen, ist schier endlos und bringt doch immer wieder neue Filme hervor. So zum Beispiel auch Meat / Vlees des niederländischen Regieduos Maartje Seyferth und Victor Nieuwenheuijs, der bislang nur in Berlin auf dem Pornofilmfestival zu sehen war und der nun im Kino Moviemento einen zweiten Einsatz bekommt.
Gar so explizit, wie die Programmierung beim Berliner Festival es suggeriert, ist Meat allerdings gar nicht. Zu Beginn zerfällt der Film in zwei Erzählstränge, die sich erst mit der Zeit miteinander verbinden. Zum einen geht es um einem Metzger (Titus Muizelaar), der von seiner Frau (Wilma Bakker) nach Strich und Faden betrogen wird, ohne dass diese sich allzu sehr darum schert, ihre diversen Eskapaden vor dem Gatten zu verbergen. Quasi als Ausgleich stellt der Schlachter dem jungen Mädchen Roxy (Nellie Benner) nach, die jeden Samstag im Laden aushilft und die von einer geradezu obsessiven Schaulust gegenüber menschlichem wie tierischem Fleisch erfüllt ist. Seine Einflüsterungen, die man durchaus als sexuelle Belästigung der rüden Sorte begreifen muss, zeigen schließlich Wirkung – sie gibt dem Drängen des Metzgers nach.

Im zweiten Handlungsstrang verfolgen wir das eintönige Leben eines nahezu untätigen Kriminalinspektors (ebenfalls von Titus Muizelaar gespielt, was aber zunächst nicht auffällt), der freudlos die kümmerlichen Zimmerpflanzen in seinem Mini-Büro gießt und ansonsten versucht, sich von seiner Lebensgefährtin zu trennen. Als diese dann von seiner Gefühlskälte genug hat und sich aus der gemeinsamen Wohnung in den Tod stürzt (wobei sie den Inspektor beim Aufprall nur knapp verfehlt), reagiert dieser denkbar kühl und geht nahezu ungerührt an dem reglosen Körper vorbei. Dann geschieht ein Mord in einer Schlachterei, in der ein lebloser Körper im Kühlhaus aufgefunden wird. Bei den Untersuchungen zeigt sich schnell, dass der Inspektor ein auffallendes Interesse an der Aushilfe hat, die unter Mordverdacht steht.

Von der Grundkonstruktion und der surrealen Atmosphäre her erinnert Meat / Vlees immer wieder in seinen guten Momenten an die späteren Filme David Lynchs wie Lost Highway und Mulholland Drive. Die Dopplungen, Spiegelungen und Überlappungen der beiden Erzählstränge, das Changieren zwischen Traum, Halluzination und Wirklichkeit, die bedrohliche Stimmung und das Interesse für die (zwischen)menschlichen Abgründe, dazu die von Victor Nieuwenhuijs teilweise furios gestalteten Bilder, die zwischen strengster und weitgehend statischer Symetrie und entfesseltem Experimentallook oszilieren (und dabei einen erschreckenden misogynen und düsteren Blick auf die Menschen werfen), das alles sind eigentlich recht verheißungsvolle Ansätze, die aus Meat / Vlees einen ästhetisch wie inhaltlich außergewöhnlichen Film machen könnten. Doch dazu kommt es nicht.

Und das liegt vor allem an der Unentschlossenheit des Plots, der viel anreißt und andeutet, um es anschließend im Nebel seiner kryptischen Ideen wieder verschwinden zu lassen. Wo Lynch bei aller Experimentierfreude immer anregend bleibt und einen Sog der Erzählung erzeugt, zersplittert Meat / Vlees im Strudel der Ideen förmlich, wird unbestimmt, vage und versteht es trotz bemerkenswerter Bilder sowie guter, interessanter und provokanter Ideen nicht zu überzeugen.

Meat

Fleischeslust und sexuelle Gelüste, das Kopulieren und Verschlingen, das Einverleiben und die Penetration — diese Kombination sorgt im Kino immer wieder für schockierende, extreme Filme, die aufgrund ihrer expliziten Bilder und ihrer kompromisslosen Haltung Skandale auslösen und das Publikum spalten.
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Meinungen

DAGMAR · 02.02.2011

viele holländische filme sind sehr gut =)
diese wird es bestimmt auch sein^^