Männer zum Knutschen

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Männer unter sich

Männer zum Knutschen hätte eine neue Ära einleiten können, eine Ära, in der im Zentrum des Romantic Comedy Genres nicht mehr selbstverständlich die heterosexuelle Zweierbeziehung steht. Denn in Männer zum Knutschen geht es, wie der Titel vermuten lässt, um zwei Männer, die den genretypischen Beziehungsreigen tanzen. Ob das in der vorliegenden Form massentauglich ist, ist allerdings eine andere Frage.
Der introvertierte Bankangestellte Ernst Knuddelmann (Frank Christian Marx) ist erst kürzlich nach Berlin gezogen, um dem Kleinstadtmief zu entkommen. Kaum in der großen Stadt angekommen, verliebt er sich Hals über Kopf in den durchgeknallten Tobias (Udo Lutz), der ihn nicht nur in das Nachtleben einführt, sondern ihn auch schnell als festen Bestandteil seiner Clique etabliert. Doch Ernst sehnt sich nach eigenen Freunden und einer emotionalen Nähe, die ihm der verspielte Tobias nicht bieten kann. Da kommt der Besuch seiner besten Freundin Uta (Alexandra Starnitzky) gerade recht. Statt die Wogen aber zu glätten, stellt ihre Anwesenheit die Beziehung von Ernst und Tobias erst richtig auf die Probe.

Frank Christian Marx und Udo Lutz sind nicht nur in den Hauptrolle zu sehen, sie zogen auch die Strippen hinter der Kamera. Männer zum Knutschen stellt den Debutfilm ihrer gemeinsamen Produktionsfirma Ente Kross dar und wurde hauptsächlich aus eigener Tasche finanziert. Obwohl Marx und Lutz sicher versucht haben, das Optimale aus dem kleinen Budget herauszuholen, ist Männer zum Knutschen die knappe Finanzierung deutlich anzumerken. Oft fehlen Komparsen, um Szenen in Clubs oder Cafés überzeugend zu gestalten. Die schauspielerische Leistung wirkt stellenweise amateurhaft. Auch die grundsätzlich professionell geführte Kamera kann nicht verhindern, dass Männer zum Knutschen manchmal wie ein Freizeitexperiment der Filmemacher wirkt.

Es ist dem Endprodukt aber ebenso anzumerken, dass es sich bei diesem Film um eine Herzensangelegenheit der Produzenten handelt. Wenn schon der Humor auf der Leinwand nicht so recht zünden mag, so kann der Zuschauer zumindest fühlen, dass hier mit viel Spaß an der Sache gearbeitet würde. Es ist erfrischend, dass Männer zum Knutschen die Homosexualität seiner Protagonisten an keiner Stelle problematisiert, sondern sie als normal und heterosexuellen Verbindungen gleichgestellt behandelt. Ernst und Tobias haben keine Beziehungskrise weil sie schwul sind. Die Spannungssituation, die durch den Eintritt Utas in das Beziehungsgefüge entsteht, bietet eine Identifikationsfläche, die von der sexuellen Orientierung des Publikums vollkommen unabhängig ist. Konflikte und Eifersüchteleien zwischen engen Freunden und dem Lebenspartner hat fast jeder schon einmal erlebt.

Umso trauriger ist, dass Männer zum Knutschen diese im Grunde sehr lebensnahe Geschichte so ins Absurde verzerren muss und sich damit selbst diskreditiert. Indem statt Charakteren fleischgewordene Klischees auf zwei Beinen die Handlung dominieren, berauben sich Frank Christian Marx und Udo Lutz selbst der Möglichkeit, von einem breiten Publikum ernst genommen zu werden. Männer zum Knutschen ist aber auch nicht genug Camp, um den Umweg über die Ironie zu nehmen. Die Mängel des Konzepts fallen letztendlich deutlich schwerer ins Gewicht, als die Budget-bedingte Qualität der Inszenierung.

Eine Szene am Ende des Films führt vor Augen, warum Männer zum Knutschen trotz aller Bemühungen nicht funktioniert und an welcher Stelle das Potential der Geschichte nicht ausgeschöpft wurde. Travestiekünstlerin Ades Zabel und Spielpartner Stefan Kuschner mimen ein verschrobenes, typisches Berliner Verkäufer-Ehepaar im Einzelhandel. Diese kurze und überzeugend gespielte Sequenz birgt gelungene Alltagskomik, die den Zuschauer auf den letzten Metern mit dem Film ein wenig aussöhnt. Statt die Figuren bis ins Absurde zu überzeichnen, gelingt an dieser Stelle die respektvolle Persiflage von Charakteren wie sie das Publikum aus dem wahren Leben kennt. Hätte Regisseur Robert Hasfogel mehr in diese Richtung gearbeitet, wäre aus Männer zum Knutschen wenn schon nicht ein ernstzunehmender, dann doch wenigstens ein unterhaltsamer Streifen geworden.

Männer zum Knutschen ist zu überdreht inszeniert, um ein breites Publikum ansprechen zu können. Die im Grunde massentaugliche Geschichte von Liebe und Freundschaft geht damit ebenso verloren wie der lobenswert selbstverständliche Umgang mit Homo- und Transsexualität.

Männer zum Knutschen

„Männer zum Knutschen“ hätte eine neue Ära einleiten können, eine Ära, in der im Zentrum des Romantic Comedy Genres nicht mehr selbstverständlich die heterosexuelle Zweierbeziehung steht. Denn in „Männer zum Knutschen“ geht es, wie der Titel vermuten lässt, um zwei Männer, die den genretypischen Beziehungsreigen tanzen.
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Meinungen

Gabi Hügel · 09.09.2012

Der Film ist klasse. Geht alle hin!!!

Stephanie Thomas · 07.09.2012

Ich erlaube mir mal die Kritik von oben etwas zu berichtigen: "Männer zum knutschen" HAT eine neue Ära eingeleitet. Eine Ära, in der im Zentrum des Romantic Comedy Genres nicht mehr selbstverständlich die heterosexuelle Zweierbeziehung steht sondern eine unglaublich liebenswerte Beziehung zwischen zwei Männern. Nie zuvor habe ich einem Film angesehen dass er mit so viel Liebe entstanden ist.

Daniela Gruber · 07.09.2012

Ich hab mir den Film gestern angesehen und ich muss mich meiner Vorrednerin anschließen. Die Kritik stimmt überhaupt nicht mit dem Film überein. Der Streifen ist lustig, hysterisch und absolut stilsicher. Tolle Darsteller, die ganz normal daherkommen und einige wirklich respektlose Gags. Und in jeder Einstellung sieht man die Spielfreude der Darsteller. Ich und meine Begleitungen kamen mit einem breiten Lächeln aus dem Kino. Auffällig war dass viele Frauen im Publikum waren, die noch lauter als die Männer gelacht haben. Das Ausland hat Recht behalten: Ein toller Film, für den man allerdings fähig sein muss mal jenseits der Schubladen zu denken.

Gabi Hügel · 06.09.2012

zur Rezension auf kino-zeit.de
Ich habe den Film noch nicht gesehen, jedoch bereits Rezensionen gelesen, die erheblich positiver ausfallen als diese, besonders aus dem Ausland, wo der Film bereits mehrfach preisgekrönt wurde und man sich wundert, dass es in Deutschland so etwas wie Humor gibt. Vor diesem Hintergrund empfinde ich u. a. Anmerkungen, wie "Obwohl Marx und Lutz sicher versucht haben, das Optimale aus dem kleinen Budget herauszuholen, ist Männer zum Knutschen die knappe Finanzierung deutlich anzumerken...(...)" durchaus als kleinkariert. Es wäre nicht das erste Mal in der deutschen Kulturgeschichte, dass Kunstschaffende im eigenen Land kein (oder nur ein halbes) Bein auf die Erde kriegen und erst eine Chance durch die Resonanz im Ausland erhalten. Ich bin gespannt auf den Film und vermute, er wird an intelektuell aufgeladenen Schreibübungen wie dieser keinen Schaden nehmen.