Notwehr (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Ein wunderbar nostalgischer Film

John Woo ist wieder ganz bei seinen Anfängen. Nach seinem Ausflug ins amerikanische Kino mit Face/Off und Mission Impossible 2 und ein paar eher historischen Filmen, ist der Autorenfilmer jetzt endgültig zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und liefert genau das, was man erwartet: einen ordentlichen Actionfilm mit Wurzeln im hard-boiled-detective-Genre. Und natürlich mit den weißen John-Woo-Tauben, ohne die kein Film von ihm auskommt. Manhunt ist all das und noch viel mehr; lauter, schneller, krachender. Und vor allem: selbstironisch.

Es beginnt in Osaka, wo der chinesische Anwalt Du Qiu (Zhang Hanyu) in eine kleine Kneipe kommt und dort mit einer Bardame Rain (Ha Ji-won) über die Schönheit alter Filme redet. Ein Moment voller Schönheit und nostalgischer Selbstreflexion, der jäh unterbrochen wird von der zweiten Kellnerin Dawn, die Du Qiu fortschickt. Sekunden später entblößen sich die beiden als Assassinen, die in aller Ruhe und in klassischer John-Woo-Manier – Slow-Motion und halb in der Luft hängend – die Yakuza im Nachbarraum im Nullkommanichts niederballern. Hier sind wir gerade einmal in der fünften Filmminute, doch schon lässt sich sagen, dass Woo hier nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch in seiner Filmästhetik eine Pastiche seiner Werke aus den 1980er und 1990er Jahren anbietet. Er arbeitet mit Vignetten, vielen Überblendungen und holt aus dem digitalen Material eine interessante Körnigkeit hervor, die zusammen mit dem Licht wahrlich an die neon-esquen Filme dieser Jahrzehnte erinnert.

Du Qiu wird indes auf einem großen Empfang vom Firmenchef des Pharmakonzerns Tenjin Sakai (Jun Kunimura, der in Woos Hard Boiled schon dabei war) mit einer Rede bedacht, in der er auch verabschiedet wird. Er hat lange Jahre für die Firma als Anwalt gearbeitet und kennt alle dunklen Geheimnisse. Ein Problem wie sich herausstellt, denn noch niemand, der so viel wusste, hat die Firma unbeschadet verlassen. Und so kommt es, wie es kommen muss. Nachdem Du Qiu sich mit der geheimnisvollen Mayumi (Qi Wei) getroffen hat, fährt er nach Hause und wacht am nächsten Morgen neben der Leiche einer Frau auf. Er wird des Mordes beschuldigt, doch die Cops, die ihn verhaften sollen, versuchen, ihn zu töten. Du Qiu flieht und ruft damit Yamura (Masaharu Fukuyama) auf den Plan, der hier den klassischen hard-boiled detective mimt. Eine Jagd durch Osaka beginnt, bei der sich Yamura und Du Qiu so einige gute Fights liefern. Es wird geschossen, was das Zeug hält, sich mit Autos gejagt, mit Jet Skis, zu Fuß, bis man sich findet, um sich gegenseitig in perfekt choreographierten Kampfsequenzen gegenseitig die Schädel fast einzuschlagen. Doch zwischen all dem bemerkten die beiden, dass wirklich etwas mit Tenjin nicht stimmt und sie zusammenarbeiten müssen.

Aber die Geschichte, die Woo hier nach und nach entfaltet, ist eigentlich gar nicht der Punkt von Manhunt. Vielmehr geht es hier darum, sich selbst und seinen Fans noch einmal einen wunderbar nostalgischen Film zu schenken, der eine Mischung aus Best-of-John-Woo ist. Gespickt mit unendlich vielen Referenzen, nicht nur auf sein eigenes Werk, sondern auch auf Filmgeschichte selbst. Es ist ein Feiern des Kinos, mit einem lachenden und einem weinenden Auge, das sich irgendwo zwischen Melancholie und Slapstick, zwischen Buchverfilmung von Juko Nishimuras Vorlage und Remake des gleichnamigen Filmes aus den 1970er Jahren ansiedelt. Manhunt ist genauso viel Jekyll & Hyde-Geschichte wie Hard-Boiled, es ist Comedy und harte Action, Liebesfilm und Drama. Alles in einem, gerührt zu einem Werk, in dem vor allem Woo-Aficionados noch einmal alles Revue passieren lassen können. Und gleichzeitig gibt es eine Ebene, in der Woo all diese Nostalgie auch ad absurdum führt. Die Dialoge sind absichtlich dämlich und reihen ein Klischee an das Nächste. Vor allem die englisch gesprochenen Szenen, schließlich ist Du Qui Chinese und Yakamura Japaner, sind ein wundervoller Graus aus Standardsätzen, die harte Männer in harten Filmen zu einander sagen, die gleichsam aber völlig leere Worthülsen sind. Worthülsen, die wir wiederum aus Filmen dieses Genre alle kennen.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass eine schöne Frau, wenn sie in Du Qius Armen stirbt, ihm sagt „So läuft das doch immer in den alten Filmen!“ und er einvernehmlich nickt. Und so fallen Worthülsen und Patronenhülsen im Dutzend und das Publikum, zumindest das, das mit Woos Werken vertraut ist, wird ihm zurufen: „Spiel es noch einmal, John“.
 

Notwehr (2017)

John Woo ist wieder ganz bei seinen Anfängen. Nach seinem Ausflug ins amerikanische Kino mit „Face/Off“ und „Mission Impossible 2“ und ein paar eher historischen Filmen, ist der Autorenfilmer jetzt endgültig zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und liefert genau das, was man erwartet: einen ordentlichen Actionfilm mit Wurzeln im hard-boiled-detective-Genre.

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