Maman und ich

Eine Filmkritik von Janosch Leuffen

Das Muttersöhnchen in dir

Das war ein gutes Jahr für Guillaume Gallienne – und dabei ist es gerade mal zur Hälfte vorbei. Der französische Komiker und Schauspieler spielte nicht nur im biografischen Drama Yves Saint Laurent, sondern drehte bereits zuvor sein Regiedebüt Maman und ich (Originaltitel: Les garçons et Guillaume, à table!) ab. Damit wurde er gleich zehn Mal für den Filmpreis César nominiert und erhielt die Auszeichnung persönlich in den Sparten bester Darsteller, bestes Drehbuch und bester Film. Nun machen Trophäen noch lange keinen guten Film, doch in diesem Falle sind sie verdient.
Nein, so hatte sich Guillaumes Vater das mit seinem dritten Sohn sicher nicht vorgestellt. Für Sport interessiert sich sein Sprössling genauso wenig wie für andere Dinge, die Jungs so machen. Und Mama hätte auch eigentlich viel lieber ein Mädchen gehabt. Das weiß Guillaume, der fortan alles tut, um seiner Mutter zu gefallen. In Spanien lernt er den Volkstanz Sevillana, leider aber den weiblichen Part. In England wird er in einem Jungeninternat von seinen Mitschülern als Schwuchtel beschimpft und lernt Cricket zu hassen. Das Militär lehnt ihn ab und allmählich beginnt sich Guillaume zu fragen, wer er denn eigentlich wirklich ist.

Der Theatersaal ist dunkel. Nur ein Scheinwerfer leuchtet von der Decke auf einen Punkt auf der Bühne. Dort steht ein etwas pummeliger Mann, ein Lockenkopf, und beginnt zu sprechen – zum nicht erkennbaren Publikum, zu uns. Es ist Guillaume Gallienne, der aus seinem Leben und der besonderen Beziehung zu seiner Mutter erzählt. Und von einer Jugend voller Missverständnisse, in der sich der Junge verbiegt, um seiner Mama zu gefallen. Daher bekleidet der Franzose in Maman und ich auch eine Doppelrolle. Er spielt sich selbst und eben seine burschikose Mutter. Zwei Figuren verschmelzen zu einer und machen die Besessenheit des Jungen deutlich.

„Die erste Erinnerung, die ich an meine Mutter habe, ist, als ich vier oder fünf Jahre alt war und sie uns, meine Brüder und mich, zum Essen ruft: `Jungs und Guillaume, zu Tisch!`“, erklärt Gallienne im Presseheft. Aufmerksame Beobachter werden sich jetzt fragen, weshalb Frau Gallienne nicht einfach ihre drei Söhne in einem Zug nennt. Und genau darin liegt der Witz, den die Komödie als Grundlage wählt. Im Verlauf der Geschichte offenbart Guillaume immer stärker eine gewisse homosexuelle Neigung, die er selbst gar nicht so richtig bemerkt, sein Umfeld dafür umso mehr.

In einer brüllend komischen, gleichzeitig aber auch tief berührenden Szene inszeniert Guillaume nachts mit seiner Bettdecke, die er sich mit einem Gürtel um die Hüfte schnallt, und einer Unterhose auf dem Kopf sein eigenes „Sissi“-Stück und wird dabei vom Vater erwischt. Gallienne beweist in seinem Erstlingswerk als Regisseur und Skriptschreiber ein großartiges Gespür für eine Mischung aus geistreichem Humor, Situationskomik, Dialoggags und herzerwärmender Botschaft ganz ohne Tränendrüse und Kitsch. Seine Darstellung von Mutter und Sohn ist dabei so sympathisch wie verschroben und wahnsinnig lustig.

Auf der Reise durch das Leben des naiven, aber immer fröhlichen Guillaume begegnen wir bei einem Kuraufenthalt in Bayern auch Diane Kruger als etwas grobe Krankenschwester und einem noch viel gröberen Masseur in Person von Ex-Bond-Bösewicht Götz Otto. Doch ganz leise, aber stetig, wird bis zum rührenden Ende klar, was der Film eigentlich sagen will. Die schöne Botschaft sei an dieser Stelle nicht vorweggenommen, nur so viel: Bei aller Leichtigkeit, die das Werk verströmt, wird es am Schluss noch wahrlich sentimental – und das ist absolut positiv gemeint.

Maman und ich ist auf den ersten Blick eine herrliche Komödie aus Frankreich, bei der es richtig viel zu lachen gibt. Auf den zweiten Blick verbirgt sich hinter all der Heiterkeit und Verrücktheit dann aber doch mehr, als der Titel zunächst vermuten lässt. Guillaume Gallienne begeht einen kurzweiligen und meisterhaften Spagat zwischen lachen, mitfühlen und berühren.

Maman und ich

Das war ein gutes Jahr für Guillaume Gallienne – und dabei ist es gerade mal zur Hälfte vorbei. Der französische Komiker und Schauspieler spielte nicht nur im biografischen Drama „Yves Saint Laurent“, sondern drehte bereits zuvor sein Regiedebüt „Les garcons et Guillaume, à table!“ ab. Damit wurde er gleich zehn Mal für den Filmpreis César nominiert und erhielt die Auszeichnung selbst in den Sparten bester Darsteller, bestes Drehbuch und bester Film.
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