Madame empfiehlt sich (2013)

Sie ist dann mal weg

Sie ist dann mal weg: Bettie (Catherine Deneuve), ehemalige Miss Bretagne 1969, ist 60 und mit ihrem Leben unzufrieden. Sie wohnt in ihrem Geburtshaus gemeinsam mit ihrer rüstigen Mutter, betreibt ein Restaurant und hat von den amourösen Eskapaden ihres Ex-Ehemannes genug, vor allem weil in ihrem eigenen Liebesleben nichts mehr passiert. Also steigt Bettie in ihren klapprigen Mercedes-Kombi um sich einfach nur Zigaretten zu holen und dann: fährt sie einfach weiter. Aus der ausgedehnten Zigarettenpause wird ein Roadtrip, währenddessen Bettie sich nicht nur mit ihrem Versagen als Mutter und Großmutter auseinandersetzt, sondern auch mit ihrer Zeit als Schönheitskönigin.

Madame empfiehlt sich ist ein vergnügliches Roadmovie aus Frankreich, das dem von Tristesse und Gewalt durchzogenen Wettbewerb der 63. Berlinale, etwas Helles und Heiteres entgegensetzte. Doch nur weil hier die Konflikte nicht gleich exemplarisch für das Leid der Welt stehen, heißt das nicht, dass es auf der Leinwand nicht ordentlich zur Sache gehen würde. Regisseurin Emanuelle Bercot hat erst kürzlich das Drehbuch für den harten semi-dokumentarischen Ermittlungsfilm Polisse verfasst. Und nun lässt sie die immer schöner alternde Deneuve noch mal die große Liebe finden und damit vielleicht den zweiten — oder besser gesagt — dritten Frühling erleben. Von diesem Kontrast lebt der Film und von der Persona der Deneuve.

Der Filmkritiker Michael Althen schrieb 1998 zur Verleihung des Berlinale Ehrenbären an die Ausnahmedarstellerin folgenden wahren Satz: „Wenn es je eine Frau gegeben hat, die zu schön ist, dann sie.“ Exakt mit dieser Aussage kokettiert nun Bercot. Gleich zu Beginn sehen wir Deneuve mit dem Rücken zur Kamera stehen, mit dem Blick aufs Meer, der Wind weht durch ihre Haare. Dann dreht sie sich zur Kamera und für einen kurzen Augenblick schneidet Bercot eine Fotografie in die Szene hinein. Wir sehen die Miss-Frankreich-Wahlen von 1969. Es wird zwar suggeriert das sei die junge Bettie, doch wen sehen wir wirklich? Doch eher die junge Deneuve, das merkwürdig elfenhafte Wesen aus den Welten von Truffaut oder Bunuel. Da ist auch dieses distanzierte Lächeln, das so verheißungsvoll von etwas spricht, das vielleicht nur eine solche Frau im Stande ist einzulösen.

Die Unterscheidung zwischen Rollenfigur Bettie und Schauspielikone Deneuve (sie nennt sich ja selbst immer noch mit bürgerlichem Namen Dorléac, was man nicht ignorieren sollte) ist in Elle s’en va ständig im Fluss. Der Unterschied zwischen Natur und Rolle hebt sich mal auf, dann ist er wieder da. Wenn Bettie mit ihrem Enkel zu ihrer Tochter fährt und die unnahbare Großmutter mimt, dann sind das Momente, wo der Plot noch unbedingt die Geschichte der Figur erzählen will, die erst durch den Weg an ihr Ziel kommt. Hier ist Bercot noch recht konventionell unterwegs, auch was den illustratorischen Musikeinsatz (Klassik, Pop etc.) betrifft.

Doch wenn sie Bettie in einer Western-Bar betrunken macht und sie anschließend mit einem 30 Jahre jüngeren Mann ins Bett schickt, ist das mehr als nur ein Gag. Dann ist das eine herrliche Provokation. Denn schon am nächsten Morgen verlässt sie überstürzt ihren jugendlichen Liebhaber. Er rennt ihr hinterher. Sie blickt kurz in den Rückspiegel und sieht, wie er ein Herz mit den Fingern formt und ihr „Je t’aime“ zubrüllt. Daraufhin entrutscht Bettie — oder ist es Deneuve — ein Ausdruck vollster Zufriedenheit und Bewunderung. Vielleicht war der Typ kein One-Night-Stand, sondern nur ein Fan?

Bercot beschwört mit ihrem Film das Bild dieser Ausnahmedarstellerin, die mit diesem kurzweiligen Selbstfindungstrip ihr Pendant zu Jack Nicholson in About Schmidt abliefert. Natürlich ist das am Ende alles sehr französisch. Sex, Wein und Bürgermeisterwahlen. Doch bevor sich diese Phantasie auflöst, lässt Deneuve all ihre Unnahbarkeit, die sie über Jahre hinweg kultiviert hat, fallen. Sie lacht nur noch. Es ist ein heilsames Lachen voller Wärme und Weichheit. Es kommt von Herzen.

(Festivalkritik Berlinale 2013 von Patrick Wellinski)

Madame empfiehlt sich (2013)

Sie ist dann mal weg: Bettie (Catherine Deneuve), ehemalige Miss Bretagne 1969, ist 60 und mit ihrem Leben unzufrieden. Sie wohnt in ihrem Geburtshaus gemeinsam mit ihrer rüstigen Mutter, betreibt ein Restaurant und hat von den amourösen Eskapaden ihres Ex-Ehemannes genug, vor allem weil in ihrem eigenen Liebesleben nichts mehr passiert. Also steigt Bettie in ihren klapprigen Mercedes-Kombi um sich einfach nur Zigaretten zu holen und dann: fährt sie einfach weiter.

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