Lore

Eine Filmkritik von Festivalkritik Locarno 2012 von Beatrice Behn

Die Kinder der Nazis

Wenn man einen Film macht und dieser nach Locarno eingeladen wird, ist das schon eine Ehre. Wird dieser Film auch noch im Abendprogramm auf der Piazza Grande im Open Air vor 8.000 Menschen gezeigt, wird diese Ehre zu einer Herausforderung. Einen eher kleinen und verhältnismäßig leisen Film, Lore, stellte Cate Shortland vor. Die australische Filmemacherin, deren Schwiegereltern deutschstämmige Juden sind, hat sich von dem Bestseller The Dark Room von Rachel Seiffert inspirieren lassen und einen Film über den Holocaust gedreht. Doch Lore funktioniert nicht wie sonst üblich, der Film nähert sich dem Thema von einer anderen Seite und konzentriert sich auf die Täter.
Die gleichnamige Titelheldin ist eine junge Frau, kaum 18 Jahre alt. Sie und ihre Geschwister sind behütet aufgewachsen, während sie im Garten spielten und mit den gängigen Ideologien erzogen wurden, starben um sie herum Millionen Menschen. Doch nun ist der Führer tot, der Krieg vorbei und die Zeit der Abrechnung beginnt. Lores Eltern sind hochrangige Nazis und sie wissen was ihnen blüht. Ihre Kinder lassen sie im Unklaren. Sie wollen fliehen, doch der Plan scheitert. Plötzlich steht Lore allein da und muss ihre Geschwister durchbringen. Ihre letzte Hoffnung ist die Großmutter, die auf Husum lebt. Doch bis dahin sind es 900 Kilometer quer durch Deutschland, das gerade unter den Alliierten aufgeteilt wird. Die Kinder machen sich auf den gefährlichen Weg. Als sie in Schwierigkeiten geraten, hilft ihnen ein junger Mann, Thomas, der eindeutig an Lore interessiert ist. Doch Thomas ist, wie sich schnell herausstellt, ein freigelassener KZ-Häftling und Jude.

Man möchte meinen, dass es schon genug Filme zu diesem Thema gegeben hat und dass man eigentlich nichts Neues mehr erzählen kann. Doch Lore bringt doch noch einmal einen anderen Aspekt mit sich. Vordergründig ist der Film eine Mischung aus apokalyptischem Road Movie und einer Coming of Age Story einer jungen Frau, die eben noch Kind war und jetzt die Erwachsene sein muss. Doch es geht um viel mehr. Der Film beschäftigt sich vor allem mit der Weltsicht dieser indoktrinierten Kinder, die bis auf ihre Erziehung noch keinerlei Kontakt mit der Wirklichkeit des Nationalsozialismus hatten. Lore glaubt an den Führer, er ist ihre Vaterfigur, der Heilsbringer. Noch lange hofft sie auf den Endsieg und auf ein besseres Deutschland. Selbst als sie in die Bredouille gerät und sieht was um sie herum geschieht, will sie von ihren Grundsätzen nicht lassen. Als Thomas in ihr Leben tritt, löst er einen mächtigen Kampf aus. Was soll sie noch glauben, wenn ihr Gott tot ist und die Welt unterzugehen scheint.

In gewisser Weise ist Lore die logische Fortsetzung von Michael Hanekes Das weiße Band. Ahnte man bei Haneke, dass die „bösen“ Kinder, die unter ihrer protestantischen und strengen Erziehung litten, 20 Jahre später Nazis sein würden, so sind es in Lore die Kindeskinder, die dieselbe Erziehung zum Gehorsam in sich tragen. Nur die Welt ist eine andere geworden.

(Festivalkritik Locarno 2012 von Beatrice Behn)

Lore

Wenn man einen Film macht und dieser nach Locarno eingeladen wird, ist das schon eine Ehre. Wird dieser Film auch noch im Abendprogramm auf der Piazza Grande im Open Air vor 8.000 Menschen gezeigt, wird diese Ehre zu einer Herausforderung. Einen eher kleinen und verhältnismäßig leisen Film, „Lore“, stellte Cate Shortland vor.
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Meinungen

Dirk Greven · 08.11.2012

Ein eindringlicher, mitreißender Film, der der jungen Generation zeigen soll, wie Menschen verblendet werden können durch wahnwitzige verbrecherische Ideologien. So etwa darf nie wieder geschehen und man sollte diesen Film in Schulen zeigen, weil aus Erfahrung solche Filme von der jungen Generation zu wenig angesehen werden und die Eltern wenig, oder kein Interesse an dieser Thematik haben und deshalb ihre Kinder nicht entsprechend inspirieren.