London Nights

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Die Jugend von heute

Sie sind jung, kommen aus verschiedenen Ländern, sind auf der Suche oder auf der Flucht vor den Schatten ihrer Vergangenheit und sie alle stranden hier im Londoner East End. Axl (Fernando Tielve) beispielsweise mit dem sympathischen Wuschelkopf hat sich von Spanien aus auf den Weg nach England gemacht, um dort seinen Vater zu finden, den er nie gekannt hat. Er trinkt meist mehr, als ihm gut tut und wacht jeden Morgen in einem anderen Bett auf – manchmal allein, dann zu zweit oder zu dritt. Bei Mike und Hannah, zwei coolen und ultralässigen Hausbesetzern, findet er schließlich ein Quartier in einer schrägen Künstlerkommune und muss sich bald schon mit der Frage auseinandersetzen, wie ernst ihm die Suche nach seinem Vater wirklich ist und was er vom Leben eigentlich erwartet.
Die aus Belgien stammende Vera (Déborah Francois) will ihre letzte Liebschaft vergessen und stürzt sich deshalb in London in eine Affäre mit dem „Röntgen-Mann“ (Michiel Huisman) — allerdings unter einer Bedingung: Die beiden vereinbaren ihre Treffen, ohne etwas vom jeweils anderen zu wissen – es soll eine Verbindung sein ohne Ballast, ohne Ansprüche an den Anderen und ohne Verpflichtungen.

Und dann ist da noch Mike (Iddo Goldberg), der vom Fallschirmspringen träumt und der zugleich damit leben muss, dass er das eine Mal, als er die Gelegenheit dazu hatte, gekniffen hat.

Mit rauen Bildern und kraftvollen Songs aus dem Alternative-Bereich erzählt Alexis Dos Santos in London Nights (der Originaltitel Unmade Beds trifft die Stimmung eigentlich präziser) vom Suchen und Finden, vom in-den-Tag-hineinleben, von der ersten, zweiten und dritten Liebe, den ersten Erfahrungen mit Enttäuschungen, von der Ziel- und Sinnlosigkeit des Lebens und davon, dass es trotzdem immer weitergeht. Doch eigentlich geht es weniger um die Geschichte, die mit leichter Hand zusammenfließen und sich am Ende ein wenig zu schlicht in Wohlgefallen auflösen, sondern vielmehr um ein Lebensgefühl, um Atmosphären und Stimmungen, die zwischen Rebellion, Melancholie und reiner Absurdität angesiedelt sind.

Wenn man will, ist London Nights so etwas wie ein schmutziges und poetisches Äquivalent zum munteren WG-Treiben in Cédric Klapischs L’auberge espagnol. Der Look des Films erinnert an die aufgerauhten Bilder der Fotografin Nan Goldins, das Lebensgefühl, die Episodenhaftigkeit und Langsamkeit des Erzählens gemahnen an Gus Van Sants Filme. Untermalt von durchwegs äußerst hörenswerten Songs (vor allem die der melancholische Sound der Tindersticks illustriert das ziellose Umhertreiben der Protagonisten treffend) treibt die Handlung genau wie das Leben der Figuren ohne wirklichen dramaturgischen Höhepunkt dahin und berichtet recht treffend von der Verlorenheit eines ganz bestimmten Lebensabschnittes.

Bei der Berlinale, deren Generationen-Sektion im Jahre 2009 vom London Nights eröffnet wurde, wurde Alexis Dos Santos‘ zweiter Langspielfilm nach Glue (2006) gefeiert – was mit Sicherheit auch am überwiegend recht jungen Publikum lag. Denn wahrscheinlich muss man ja genau in diesem Alter zwischen Stillstand und Aufbruch stecken, um die Qualitäten des Filmes nachempfinden und tief im Herzen spüren zu können.

London Nights

Sie sind jung, kommen aus verschiedenen Ländern, sind auf der Suche oder auf der Flucht vor den Schatten ihrer Vergangenheit und sie alle stranden hier im Londoner East End. Axl (Fernando Tielve) beispielsweise mit dem sympathischen Wuschelkopf hat sich von Spanien aus auf den Weg nach England gemacht, um dort seinen Vater zu finden, den er nie gekannt hat.
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