Liebe und andere Verbrechen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Vom Fortgehen und vom Ausharren

Eins sei vorab verraten: Geküsst wird in diesem drollig-melancholischen serbischen Drama, das manchmal wie seine eigene Parodie daherkommt, nur wenig, auch wenn der berühmte Ohrwurm-Klassiker Bésame mucho einen üppigen, mitunter regelrecht quälenden Raum einnimmt. Hier geht es rücksichtslos um Sehnsucht und Liebe jenseits der glättenden Eleganz, die diesen Gefühlen filmisch nur allzu häufig verliehen wird. Doch es ist gerade diese gewisse Räudigkeit, die Liebe und andere Verbrechen von Stefan Arsenijević zu einem filmischen Kleinod mit einem ganz eigenen Charme werden lässt.
Der müde wirkende Kleingangster Milutin (Feđa Stojanović) lässt die Schutzgelder und Schulden in seinem Viertel von Belgrad meistens von seinem stillen Handlanger Stanislav (Vuk Kostić) eintreiben und überlässt sich ansonsten einer deftigen Depression, vor allem nachdem sein geliebter Hund Johnny tot aufgefunden wurde. Auch seine verschlossene Tochter Ivana (Hanna Schwarnborn), die es liebt, auf dem Dach am Rande des Abgrunds zu verharren, bereitet ihm gehörigen Kummer. Derweil plant seine Freundin Anica (Anica Dobra) insgeheim ihren Abgang – mit einer beträchtlichen Summe aus Milutins Safe, den sie am Abend plündern will, um irgendwo anders einen abgepolsterten Neubeginn zu wagen.

Diese konspirativen Pläne, die Anica selbst durch einen nur halb verhohlenen Abschied von den Menschen ihrer Umgebung andeutet, bleiben dem aufmerksamen Stanislav nicht verborgen, dessen Loyalität zu Milutin dadurch auf eine harte Probe gestellt wird. Der diskret-dezente Stanislav zeigt sich zwar säumigen Schuldnern gegenüber recht unbarmherzig, kümmert sich jedoch mit verschwörerischer Fürsorge um die traurige Ivana sowie um seine kopflose Mutter (Milena Dravić), für deren sentimentale Auftritte als Sängerin insgeheim er die Gage bezahlt. Als Stanislav Anica offenbart, dass er ihre Absichten durchschaut hat, erpresst er sie damit dazu, ihm eine gute Weile lang zuzuhören. Und im Laufe dieses bedeutungsvollen Tages, an dessen Abend die Gangstergeliebte die Gegend verlassen will, erzählt ihr Stanislav die rührend-komische Geschichte ihrer gemeinsamen Begegnungen, die beginnt, als er sich von Kindheit an in Anica verliebt hat. Auch wenn diese den um einiges jüngeren Mann zunächst nur widerwillig begleitet, lässt sie die Wucht dieser hartnäckigen Verehrung letztlich doch nicht kalt …

Milutin indes beendet seine Trübsal-Orgie, während welcher er sich in den sentimentalen Klängen von Bésame mucho versenken lässt, und hat nun sein eigenes geheimes Ding laufen: Nach etlichen Jahren lässt er seiner einstigen großen Liebe durch Stanislav in romantischer Manier seine Aufwartung machen, der als Liebesbote zwar durchaus Qualitäten zeigt, aber letztlich nicht überzeugen kann. „Es gibt kein Verzeihen“, lautet die Antwort der würdigen alten Dame, die Milutin später auf seine Weise interpretiert: „Das heißt, sie liebt mich noch.“

Liebe und andere Verbrechen spielt an einem einzigen Tag im Leben der gleichzeitig unspektakulären und doch zutiefst eigenwilligen Figuren, deren Haltung sich durch eine distanzierte, doch starke Unabhängigkeit voneinander auszeichnet. Vom frühen Morgen bis zum Abend ist die Handlung in zeitliche Kapitel eingeteilt, deren Entwicklung nach einem leicht drögen Start zusehends an Dynamik und Tiefe gewinnt. Die liebevoll ungezähmt gezeichneten Charaktere innerhalb ihres parodistisch verweichlichten Gangster-Milieus, in dem sich die Gauner nicht einmal mehr gegenseitig um die Ecke bringen, sondern nur noch ihre Haustiere, sind mit grandios authentisch agierenden Darstellern besetzt. Diese erfahrene Crew transportiert – flankiert von der coolen, eingängig-schrägen Musik von Naked Lunch – einen derben, sich selbst ironisierenden Charme, der diesem Film seine schlichte, doch ganz besondere Note verleiht.

Liebe und andere Verbrechen wurde auf einigen internationalen Filmfestivals gezeigt und auch prämiert, überwiegend für die Beste Regie von Stefan Arsenijević. Ob nun Drama, Tragikomödie oder sanfte Satire – es sind durchaus auch immer wieder einmal eingestreute sozialpolitische Aspekte der modernen Belgrader Gesellschaft, die dezent mitschwingen und Tendenzen der jungen Republik Serbien widerspiegeln. So trostlos der Film auch beginnt, zaubern die minimalistisch wallenden Emotionen der Protagonisten und der ebenfalls zurückgenommene, nichtsdestotrotz permanent präsente Schmunzel-Humor im Verlauf der Dramaturgie eine Atmosphäre auf die Leinwand, in der sich der Zuschauer wohlig und nicht ohne eine leise Schwermut unterhalten lassen kann. Und berühren von dem wohlweislich nur angedeuteten Plädoyer für den Mut, auch angesichts eines wahrscheinlichen Scheiterns seine große Liebe nicht unumworben ziehen zu lassen.

Liebe und andere Verbrechen

Eins sei vorab verraten: Geküsst wird in diesem drollig-melancholischen serbischen Drama, das manchmal wie seine eigene Parodie daherkommt, nur wenig, auch wenn der berühmte Ohrwurm-Klassiker Bésame mucho einen üppigen, mitunter regelrecht quälenden Raum einnimmt.
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Meinungen

silke · 23.09.2009

der film hat eine komik, wie man sie bei deutschen filmen gar nicht kennt... hat mir gut gefallen