Lamento

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Muttergefühle

Der Hund ist einfach nicht zu verkaufen. Sieben Jahre alt, ein schwarz-weißer Collie-Mischling — ständig rufen potentielle Interessenten an und sagen dann ab. Dabei ist das gar nicht Magdalenas Hund, sondern der ihrer Tochter Sara. Die ist nicht mehr da — ein existentieller Verlust. Einer, der im Alltag von Magdalena freilich kaum zum Tragen kommt, sie übt ihre Routine aus, holt den Enkel vom Klavierunterricht ab, isst mit dessen Familie zu Abend, geht in den Pub. Nimmt auch Johannes bei sich auf, den Sara in Berlin kennengelernt hatte, einige Monate zuvor. Der Ex-Freund reist nun nach Schweden, zu Saras Familie, holt eine Kiste mit Schallplatten ab, übernachtet bei Magdalena, in Saras Zimmer. Und erst an diesem Punkt kommt die Tragik so richtig zum Tragen, als Magdalena erzählt. Wie labil Sara war, wie sie Medikamente verweigerte, wie sie eines Tages auf den Balkon ging. Wie Magdalena aufwachte…
Ganz langsam legt der schwedisch-deutsche Regiedebütant Jöns Jonsson die Hüllen ab, die um Magdalena liegen. Eine Handlung braucht er dabei nicht, die wäre nur störend. Aus den Alltagsszenen gewinnt der Film genügend Kraft, um emotionale Tragkraft zu entwickeln — wobei natürlich ohne die große Darstellungskunst von Gunilla Röör alles verloren wäre. Mit großer Ruhe und ganz gelassen agiert sie und lässt dabei subtil den inneren Aufruhr immer wieder aufscheinen, ohne ihre Darstellung davon bestimmen zu lassen.

In einer Kleinstadt in Schweden spielt sich Lamento ab, hier kennt jeder jeden, man trifft sich abends in der Kneipe. Aber Magdalena trägt unausgesprochene Vorbehalte in ihrem Herzen, gegen die, die Sara kannten, gegen die Kellnerin, gegen Saras Freundin, natürlich auch gegen Johannes. Vorbehalte, die sie nicht zeigt und die doch manchmal ausbrechen, in kleinen Unbeherrschtheiten. Vorbehalte, die auch ganz Unbeteiligte treffen, etwa Sigge, der Magdalena hofiert, den sie auch einmal bei sich übernachten lässt…

Ein gewisser Sog geht von diesem Film aus, der sein Geheimnis langsam offenbart, ohne wirklich darüber zu sprechen; der Magdalena den Zuschauern immer klarer umschreibt, ohne sie der Überanalyse oder der Eindimensionalität zu überlassen. In schönen Kinobildern lässt Lamento an einer Verwandlung teilhaben: Magdalena, die Mutter, die Großmutter, die an der Oberfläche ihren Alltag, ihr Leben im Griff hat, wird mehr und mehr zu einer wunderlichen Alten. Eine verzweifelte Frau, die anderen heimlich folgt, mit genervt-aggressiven Ausbrüchen. Eine, der man bei aller Sympathie, bei allem Verständnis, bei allem Mitleid nicht im wirklichen Leben begegnen möchte. Sie wird zu einer dieser Frauen, die einen ungefragt anquatschen, die vor sich hinmurmeln, die rumnörgeln… Eine dieser Frauen, die nur im Film faszinierend sind.

Lamento

Der Hund ist einfach nicht zu verkaufen. Sieben Jahre alt, ein schwarz-weißer Collie-Mischling — ständig rufen potentielle Interessenten an und sagen dann ab. Dabei ist das gar nicht Magdalenas Hund, sondern der ihrer Tochter Sara. Die ist nicht mehr da — ein existentieller Verlust.
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