Kusswechsel - Kein Vorspiel ohne Nachspiel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

K(r)ampf der Geschlechter

Männer sind anders, Frauen auch. Ganze Buchregale könnte man mittlerweile füllen mit mehr oder minder ernst gemeinten Ratgebern und Sachbüchern zu diesem Thema. Sogenannte Comedians wie der mittlerweile Stadien füllende Mario Barth und ähnliche Knallchargen schmarotzen sich seit Jahren durch das Thema und beglücken ihr Publikum mit abgestandenen Weisheiten und in die Jahre gekommenen Witzchen. Und als sei das nicht schon tragisch genug, feiert unter diesem Einfluss auch die Beziehungskomödie in den Kinos fröhliche Urstände – gerade eben wurde ein Projekt namens Der Paartherapeut mit eben jenem Mario Barth in der Hauptrolle angekündigt – man ahnt das Schlimmste. Kein Wunder also, dass es Fausto Brizzis Film Kusswechsel – Kein Vorspiel ohne Nachspiel in Italien auf fantastische 5 Mio. Zuschauer kam – im Land der präsidialen Bunga-Bunga-Partys besteht offensichtlich genauso Aufklärungsbedarf wie nördlich der Alpen. Wobei Aufklärung angesichts der zahlreichen Klischees der falsche Ausdruck ist, Fausto Brizzis Intention ist eher im Bereich der reinen und recht seichten Unterhaltung zu finden.
Dementsprechend typisch sind auf die vier Paare geraten, um die es in dem Film geht: Valentina (Francesca Inaudi) etwa ist Lehrerin und und hat ihrem nichtsnutzigen Freund Rocco (Salvatore Ficarra) eine Stelle als Hausmeister an ihrer Schule besorgt. Weil der aber im Grunde seines Herzens immer noch ein Kind ist, besteht Roccos Tätigkeit vor allem darin, mit den Jungs der Schule Fußballbilder zu tauschen; eine Leidenschaft, die Valentina so sehr erzürnt, dass sie ihn schließlich vor die Tür setzt. Kurz entschlossen zieht Rocco bei seinem Freund Michele (Valentino Picone) ein, der mindestens ein ebenso großer Kindskopf ist. Gemeinsam hängen die beiden schon seit längerem ihrem Jugendtraum einer Musikerkarriere nach und verbringen viel Zeit mit den Proben für ihre Beatles-Coverband, von der die beiden Ehefrauen natürlich nichts wissen dürfen. Je länger Rocco bei seinem Freund wohnt, desto angespannter wird dessen Verhältnis zu seiner Diana (Serena Autieri), die just zu dem Zeitpunkt schwanger wird, als sich die Band vor dem endgültigen Durchbruch wähnt. Was für ein Pech aber auch…

Piero (Emilio Solfrizzi) ist Tankwart und das, was man sich unter einem echten italienischen Macho vorstellt: Er interessiert sich vor allem für Fußball und Frauen, während die eigene Ehe zu Anna (Luciana Littizzetto) für ihn allenfalls dadurch begründet ist, dass er abends eine warme Mahlzeit vorfindet. Als Piero sich bei einem Unfall den Kopf verletzt (natürlich geschieht dies, als er einer schönen Frauen hinterher sieht – kleine Sünden werden eben sofort bestraft) und das Gedächtnis verliert, wittert Anna ihre Chance, ihren Mann endlich so umzugestalten, wie sie ihn sich schon immer gewünscht hat – aufmerksam, interessiert, mit einer Vorliebe für Hausarbeit und vor allem treu. Zum allgemeinen Erstaunen und durch den Gedächtnisverlust Pieros begünstigt, verwandelt der sich tatsächlich in einen Mustergatten, doch das Glück ist (natürlich) nicht von Dauer.

Ganz anders sind die Probleme von Paola (Nancy Brilli) und Marcello (Claudio Bisio), die mit ihrer Beziehung zueinander eigentlich längst abgeschlossen haben und getrennt leben. Weil aber Marcello es nicht übers Herz bringt, seiner Mutter die Trennung und damit das Scheitern des Familienideals einzugestehen, spielt man einmal im Jahr beim gemeinsamen Besuch bei der alten Dame die heile Familie – ein Arrangement, mit dem die beiden mit ihren Kindern leben könnten, würde Marcellos Mutter nicht todkrank werden und sich nichts sehnlicher wünschen, als die letzten Tage bei der Familie ihres Sohnes zu verbringen. Dummerweise zieht sich der Aufenthalt von Marcellos „mamma“ länger hin als gedacht, so dass die Farce immer ausgeklügelter inszeniert werden muss.

Wäre nicht diese letzte Episode rund um die Vorspiegelung einer glücklichen Familie, die ein bezeichnendes Licht auf die bedingungslose Liebe italienischer Männer zu ihrer „mamma“ wirft („mammone“ nennt man diese Muttersöhnchen in Italien), könnte man die einzelnen Episoden mühelos mit deutschen Fernsehgesichtern versehen und in einen heiteren und ziemlich banalen Sat1-Film verpflanzen, der Unterschied wäre kaum spürbar. Banale Witzchen, die nur selten von halbwegs amüsanten Szenen begleitet werden, dazu kaum ein Klischee, das nicht bedient wird und unterm Strich eine entsetzlich konservative Moral, die natürlich niemals ernsthaft an bestehenden Rollenmodellen rüttelt, machen aus dem Film einen eher zweifelhaften Kinogenuss mit deutlich schalem Nachgeschmack. Wenn ein Film so albern und verharmlosend mit einem Thema umgeht, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier unter dem Deckmantel der kritischen Bestandsaufnahme lediglich der Status quo festgezurrt werden soll. Und das wäre wirklich fatal.

Vor kurzem forderte die Publizistin Ursula März in einem viel beachteten Artikel ein zweijähriges Moratorium bezüglich der Emanzipation. Vielleicht täte so eine Bedenkzeit auch dem Kino — namentlich in Form solch schlicht gestrickter Beziehungskomödien – mal gut.

Kusswechsel - Kein Vorspiel ohne Nachspiel

Männer sind anders, Frauen auch. Ganze Buchregale könnte man mittlerweile füllen mit mehr oder minder ernst gemeinten Ratgebern und Sachbüchern zu diesem Thema. Sogenannte Comedians wie der mittlerweile Stadien füllende Mario Barth und ähnliche Knallchargen schmarotzen sich seit Jahren durch das Thema und beglücken ihr Publikum mit abgestandenen Weisheiten und in die Jahre gekommenen Witzchen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

CocoLores · 10.06.2011

Ich war gestern drin - und hab mich lange nicht mehr so gelangweilt im Kino.

janine · 03.06.2011

den film muss ich sehen!! wer kennt den film schon?
weretwas darüber weiß, einfach mal schreiben:):)

janine · 03.06.2011

den film muss ich unbedingt sehen. vielleicht gehe ich ja mit meinem schatz ins kino:)