Keep the Lights On (2012)

Eine Filmkritik von Lida Bach

Love is the drug

„Hey, what´s up?“, raunt Erik dem anonymen Zuhörer zu . Dann wiederholt sich die Unterhaltung, die der unerfüllte Hauptcharakter schon so oft geführt hat. „Ja. Chelsea. Worauf stehst du? Schade, ich nicht.“ Das gleiche Spiel nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Eine andere Telefonnummer, dieselben Fragen, dieselben Antworten. Es ist das Jahr 1998, es ist spät und Erik (Thure Linhardt) ist allein. Das gesteht er sich offen ein und darum telefoniert er mit anderen Männern, die allein sind und es nicht bleiben wollen. Für ein paar Stunden, bis das flüchtige Treffen vorüber ist und Erik wieder allein ist. Und insgeheim noch mehr: einsam.

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In einander überschneidenden Kreisen zeichnet Ira Sachs den Weg des jungen Künstlers aus der Einsamkeit und dorthin zurück. Um dieses Zwangsschema zieht Keep the Lights On eine Ellipse, die Erik am Ende dort trifft, wo sein Weg seinen Anfang nahm. Er führt ihn in den ersten Szenen des kantigen Dramas durch die nächtlichen Straßen zur Wohnung von Paul (Zachary Booth). „Ich habe übrigens eine Freundin“, erklärt Eriks gutaussehende Bekanntschaft: „Also mach dir keine Hoffnungen.“ Erik tut es dennoch, obwohl sein jungenhaftes Temperament es verbirgt. Zuerst scheinen sie sich zu erfüllen mit Paul, der ihn schon nach dem ersten Beisammensein nicht gehen lassen mag. Beide suchen nach mehr als sexueller Befriedigung. Sie suchen die Liebe, die im Zentrum von Sachs ungeschönter Beziehungsstudie vibriert. Das nuancierte Gefühlsporträt führt das Figurenpaar im Mittelpunkt unter umgekehrten Vorzeichen ein, um dann umso intensiver nach den verborgenen Emotionen unter der Oberfläche zu forschen.

Paul ist derjenige mit einem lukrativen Job, einer festen Beziehung und gesetztem Stil. Erik hingegen ist ein sprunghafter Dokumentarfilmer, der seit Jahren an dem gleichen Projekt über einen schwulen Underground-Filmer arbeitet, sich zu One-Night-Stands verabredet und dessen Kleidung etwas von Grunge hat. „Wenn du Mitte zwanzig bist, ist es charmant, immer auf dem Sprung zu sein. Wenn du Mitte dreißig bist, ist es jämmerlich.“, sagt seine ältere Schwester (Julianne Nicholson), die ihm die Leere seiner Existenz vorhält: „Ich habe eine Karriere, eine Familie. Was hast du?“

Eines immerhin hat Erik — nämlich Glück gehabt. Das aber wird ihm erst klar, als das Ergebnis seines HIV-Tests negativ ist. Der Schrecken scheint ihn wachzurütteln aus seiner Ziellosigkeit und ihm den Ruck zu geben, sich dem Leben zu stellen. Gleichzeitig verliert Paul die Kraft, eben dieses zu tun und flüchtet sich in den Rausch vor Problemen, die er auch mit Erik nicht teilen will.

Bald zieht das Liebespaar in eine gemeinsame Wohnung. Doch zuvor zeigt Paul Erik sein „kleines Geheimnis“. Eine Crack-Pfeife, von der sein Freund niemandem erzählen soll: „Die Leute tratschen gerne.“ Erik nicht. Selbst als Pauls unangekündigtes Fortbleiben zur Regel wird, genauso wie verletzende Auseinandersetzungen und Erik den Druck kaum ertragen kann, verschweigt er den Konflikt, der längst auch der seine ist, vor Freunden und Familie. Nachdem Paul zusammenbricht und eine Therapie absolviert, versöhnt sich das Paar. Bis alles von neuem beginnt. Welchen Ängsten gerade der äußerlich ruhigere Paul entkommen will, bleibt vage. Unverkennbar ist nur, dass sie so zuverlässig zu ihm zurückkehren wie Erik.

Der zermürbende Kreislauf aus Sucht, Therapie und Rückfall spiegelt den aus Beziehung, Trennung und Versöhnung. Paul kommt ebenso nicht von den Drogen los, wie sich Erik nicht von ihm befreien kann. Obwohl beide wissen, dass ihre Abhängigkeit, ob physisch oder emotional, sie selbst und den anderen schädigt. Getragen vom naturalistischen Spiel der Hauptdarsteller und schnörkellosen Szenen erzählt Keep the Lights On von der Unmöglichkeit, den Partner zu ändern, mehr noch: sich selbst. Wie Erik mit bitter-süßem Lächeln sagt: „Wir mochten immer etwas Melodrama in unserem Leben.“
 

Keep the Lights On (2012)

„Hey, what´s up?“, raunt Erik dem anonymen Zuhörer zu . Dann wiederholt sich die Unterhaltung, die der unerfüllte Hauptcharakter schon so oft geführt hat. „Ja. Chelsea. Worauf stehst du? Schade, ich nicht.“ Das gleiche Spiel nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Eine andere Telefonnummer, dieselben Fragen, dieselben Antworten. Es ist das Jahr 1998, es ist spät und Erik (Thure Linhardt) ist allein.

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