Jersey Boys

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Vier gewinnt?

Sie können es immer noch. Wenn man in Clint Eastwoods neuem Film Jersey Boys die Hits der Doo-Woop-Formation „The Four Seasons“ hört, zucken die Beine unwillkürlich im Rhythmus mit, wippt der Kopf, wollen die Finger schnippen und der Mund — sofern man die Texte kennt – am liebsten mitsingen. Die unabdingbare Voraussetzung dafür ist freilich, dass man eine gewisse Affinität zu den Klängen und mehrstimmigen Gesangsharmonien der späten 1950er und 1960er Jahre hat. Wer damit etwas anfangen kann, der dürfte an Jersey Boys durchaus Gefallen finden, musikalisch wird hier einiges geboten. Was man freilich vom Rest des Films nicht wirklich behaupten kann.
Belleville heißt die Kleinstadt in New Jersey, in der zu Beginn der 1950er Jahre alles beginnt. Zwar entsteht in dieser Zeit gerade der Rock’n’Roll, doch in den Charts beginnt gerade Doo-Woop das neue große Ding zu werden und die Formationen sprießen wie Pilze aus dem Boden – und darunter sind erstaunlich viele Gruppen, deren Mitglieder aus dem italoamerikanischen Umfeld stammen. Auch Nick DeVito (Vincent Piazza) träumt davon, eines Tages groß rauszukommen – und das geht in Belleville am schnellsten auf zwei verschiedenen Wegen: Entweder man arbeitet für den stadtbekannten Mafioso Gyp DeCarlo (Christopher Walken) oder aber man gründet eine Band und schafft es mit dieser ganz nach oben. Weil die musikalische Karriere seiner Band „Variatones“ gerade ein wenig stagniert, hält sich Nick mit kleineren Einbrüchen über Wasser. Erst als der begnadete Sänger Francis Castellucio, der später als Frankie Valli zum Weltstar aufsteigen wird, zu den „Variatones“ stößt und später noch der Komponist und Keyboarder Bob Gaudio (Erich Bergen) hinzukommt, stellt sich unter dem geänderten Bandnamen „The Four Seasons“ der Erfolg ein. Der währt mehr als 20 Jahre und beschert der Formation mit Big Girls Don’t Cry, Sherry, December 1963 (Oh, What A Night), My Eyes Adored You, Stay und Can’t Take My Eyes Off You etliche Nummer 1-Hits sowie mehr als Hundert Millionen verkaufte Tonträger. Allerdings kommt mit dem Erfolg nicht unbedingt Ruhe in die Gruppe, denn Nick DeVito dreht hinter dem Rücken seiner Kollegen einige krumme Dinge und verschwendet im großen Stil das gemeinsam erarbeitete Vermögen.

Vielleicht muss man Clint Eastwoods Film zuvorderst als das verstehen, was er auf dem Papier auch ist – die Verfilmung eines Bühnenstückes mit viel Musik. Als Vorlage für den Film dient das Jukebox-Musical Jersey Boys, das aus der Feder des Ex-Keyboarders Bob Gaudio und des früheren „Four Seasons“-Managers Bob Crewe stammt – und die stricken vor allem an der eigenen Legende und an jener von Frankie Valli.

Getreu der Vorlage und den mutmaßlichen Intentionen der beiden Autoren des Musicals stehen die minutiös und mitreißend inszenierten Musikeinlagen im Zentrum des Films, während sich die Aufarbeitung von gleich vier Biographien (eigentlich sind es sogar fünf, weil die Band selbst ja auch noch gewürdigt werden soll) ein wenig ins Hintertreffen gerät. Atemlos hangelt sich der Film von Hit zu Hit, schmeißt dem Zuschauer markante Wendepunkte mittels eines Dialoghalbsatzes vor die Füße, verweigert Einblendungen, die auf einfache Weise verdeutlichen könnten, in welchem Jahr wir uns gerade befinden und hofft inständig, dass es die Musik schon richten wird. Genau das aber ist nur teilweise der Fall.

Weil die Kamera nämlich beim Film viel näher dran ist als der Zuschauer an der Musical-Bühne, werden die Bemühungen der Maskenbildner auf fast schon schmerzhafte Weise sichtbar. Die Künstlichkeit und der eher wenig diskrete Retro-Charme von Jersey Boys gipfelt demnach am Ende folgerichtig in einem Defilée der Hauptdarsteller (die übrigens zum größten Teil schon im Musical ihren Dienst versahen) durch die Sets des Films, das noch einmal sinnfällig verdeutlicht, wie sehr Eastwoods neuestes Werk seinen Look und seine dünne Dramaturgie der Bühne zu verdanken hat. Nur gelegentlich bekommt man eine Ahnung davon, dass die Bewegung der crossmedialen Inspiration auch umgekehrt funktioniert. Das ist vor allem dann zu sehen, wenn Christopher Walken als Mafioso mit weichem, weil musikalischem Herzen Martin Scorseses Goodfellas zitiert bzw. parodiert. Nur: Sonderlich originell ist auch das nicht wirklich. Aber wahrscheinlich ist Originalität gar nicht das Kriterium, das die Fans der „Four Seasons“ im Besonderen und von Musicals im Allgemeinen von diesem Film erwarten, sondern vor allem Musik, Musik, Musik. Zumindest in dieser Hinsicht dürften sie das Kino nicht enttäuscht verlassen. Bei Filmbesuchern, die weder zur ersten noch zur zweiten Gruppe gehören, kann man sich indes nicht so sicher sein.

Jersey Boys

Sie können es immer noch. Wenn man in Clint Eastwoods neuem Film „Jersey Boys“ die Hits der Doo-Woop-Formation „The Four Seasons“ hört, zucken die Beine unwillkürlich im Rhythmus mit, wippt der Kopf, wollen die Finger schnippen und der Mund — sofern man die Texte kennt – am liebsten mitsingen. Die unabdingbare Voraussetzung dafür ist freilich, dass man eine gewisse Affinität zu den Klängen und mehrstimmigen Gesangsharmonien der späten 1950er und 1960er Jahre hat.
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Meinungen

Gudrun · 16.08.2014

Ich fand den Film super
Vincent Piazza der beste Darsteller

Birgit Schünzel · 07.08.2014

Ein klasse Film, der einem nicht nur einen Blick in die Musikgeschichte gewährt sondern einen voller guter Musik aus dem Kino schweben lässt.