House of Cards (Staffel 1)

Eine Filmkritik von Martin Beck

"You might very well think that. I couldn't possibly comment."

Nein, nein, nicht die Kevin-Spacey-Serie, sondern die britische Vorlage für die Kevin-Spacey-Serie – ebenfalls betitelt House of Cards, aufgeteilt in drei Staffeln und ausgestrahlt ab 1990. Ein schneidender Blick hinter die Kulissen der Post-Thatcher-Ära, als ein viel zu harmloser Premierminister (David Lyon) mit allen Mitteln abgesägt werden soll. Sein Widersacher ist Francis Urquhart (Ian Richardson), der Fraktionschef der eigenen Partei, der auf den ersten Blick die Korrektheit in Person zu sein scheint, doch tatsächlich unendliche Abgründe sein eigen nennt. Was auch immer sich für Hindernisse vor ihm auftun, er findet stets eine Lösung – egal wie niederträchtig, zynisch, arrogant oder menschenverachtend sie auch sein mag.

Es wäre sicher falsch, für die amerikanische Version von House of Cards abwertende Worte zu finden, doch die britische Version von House of Cards ist tatsächlich besser. Und zwar so viel besser, dass eine absolute Sternstunde des Fernsehens beklatscht werden darf – eine Serie, die einfach brillant geschrieben ist und dazu einen Hauptdarsteller vorweisen kann, der hier die Rolle seines Lebens zelebrierte. Francis Urquhart ist einer der faszinierendsten und reichsten Charaktere, die jemals auf Film gebannt wurden. Seine Person ist ungemein vielschichtig und reicht von unfassbar charmant und witzig über diabolisch und intelligent bis hin zu skrupellos und manipulierend. Ein begnadeter Redner und ein mit allen Wassern gewaschener Politiker; Francis Urquhart ist –Shakespeare-Zitate selbstverständlich inklusive- britisches Understatement de luxe.

Die beiden Stars von House of Cards sind zum einen Ian Richardson, der eine bis in die letzte Silbe perfekte, ungemein nuancierte Vorstellung gibt und Francis Urquhart mit Haut und Haaren lebt, und zum anderen die grandiosen Drehbücher von Andrew Davies, die all das bieten, was wirklich gutes Fernsehen so süchtig machen lässt. Die Handlung webt ein dichtes Netz aus perfiden Intrigen, immer wieder geht man einen Schritt weiter, als es eigentlich zu erwarten wäre, und wenn dann erstmal die Tür hinter dem Fraktionschef zufällt und ein weiterer Politiker zum gnadenlosen Verhör einbestellt wird, schwingt sich House of Cards zu wahren Großtaten auf. Messerscharfe, subversive Dialoge, nur vermeintlich harmlose Nebensätze und ein fast schon bösartig zu nennender Hang zu tiefschwarzem britischem Humor. Noch viel besser geht eigentlich gar nicht mehr.

Was auch gerne für das Umfeld von Francis Urquhart gilt, das durchzogen ist von moralisch bankrotten, völlig korrupten Arschlöchern, die auf diese Weise natürlich angreifbar und letztendlich wie Schachfiguren herumgeschubst werden. Urquharts Frau (Diane Fletcher) ermutigt ihn zu einer Affäre mit einer jungen Journalistin (Susannah Harker), seine rechte Hand, Tim Stamper (Colin Jeavons), ist ein sadistischer Bluthund, ein aufgedunsener Zeitungschef (Kenny Ireland) liefert die passenden Schlagzeilen und die ganzen Politiker in Urquharts Kabinett sind buckelige Schweine, immer auf der Suche nach dem nächsten Lästeropfer. Bei House of Cards ist die britische Politik der Vorhof zur Hölle. Und Francis Urquhart sowohl der behufte Zeremonienmeister als auch ein jahrzehntelanger Gefangener seines skrupellosen Umfelds.

Macbeth und Drogen, pöbelnde Reden im Parlament und schweißnasser Sex, meisterhafte Intrigen und die völlige Missachtung menschlicher Würde. Francis Urquhart hätte für all das wohl nur sein übliches „you might very well think that; I couldn’t possibly comment“ übrig, doch der geneigte Zuschauer darf durchaus deutlicher werden. Die erste Staffel von House of Cards ist großartiges Fernsehen und bekommt eine standesgemäß ansehnliche Blu-Ray-Box, die dem Alter der Vorlage entsprechend ein gutes Bild und einen guten Ton bietet. Die deutsche Synchro darf als gelungen bezeichnet werden, wobei natürlich das englische Original, gerne in Verbindung mit den ausgezeichnet übersetzten Untertiteln, die klar bessere Wahl darstellt. Als Bonus gibt es bei der ersten Folge einen Audiokommentar und als Fazit kann eigentlich nur die Frage bleiben, warum diese Veröffentlichung so lange auf sich warten ließ. „I’m the Chief Whip. Merely a functionary.“ Nein, nein, ganz und gar nicht.
 

House of Cards (Staffel 1)

Nein, nein, nicht die Kevin-Spacey-Serie, sondern die britische Vorlage für die Kevin-Spacey-Serie – ebenfalls betitelt „House of Cards“, aufgeteilt in drei Staffeln und ausgestrahlt ab 1990. Ein schneidender Blick hinter die Kulissen der Post-Thatcher-Ära, als ein viel zu harmloser Premierminister (David Lyon) mit allen Mitteln abgesägt werden soll.

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