Hana-Bi - Feuerblume (1997)

Eine Filmkritik von Thorsten Hanisch

Liebe bis in den Tod

Es gibt da diese wunderbare Szene zum Ende hin, als Protagonist Nishi mit seiner krebskranken Frau am Strand sitzt und beobachtet, wie ein Mädchen mit seinem Drachen spielt. Nishi greift in das Spiel ein, hält dann aber nur grinsend die abgerissenen Flügel des Drachens in den Händen, das Mädchen spielt mit dem Rest weiter. Es ist dieses Nichtloslassenkönnen, dieser felsenfeste Glaube an das Unabwendbare, in dem kein Platz für ein Umherschweben ist, dieser (seltsam zärtliche) Fatalismus, der den ganzen Film prägt, der trotz seiner ultrabrutalen Gewalteruptionen im Kern ein romantischer Liebesfilm ist.

Japans wohl bekanntester Kulturexport Takeshi Kitano spielt diesen Nishi, einen Polizisten, dessen Leben schnurstracks auf einen klaffenden Abgrund zusteuert. Sein Kollege Horibe wurde zum Krüppel geschossen, ein anderer getötet, woran er nicht ganz unschuldig war. Seine Tochter starb bereits mit fünf Jahren, seine Frau ist schwer krebskrank und die Yakuza ihm auf den Fersen, da er sich Geld für teure Medikamente geliehen hat, das er nun nicht mehr zurückzahlen kann. Der Covertext schildert, dass deswegen „seine Verbitterung keine Grenzen kennt“, was aber letztendlich im Raum steht, denn für Nishi, diesen stoischen Mann mit der gelähmten und sporadisch leicht nervös zuckenden Gesichtshälfte und dem schleppenden Gang, scheint alles klar. Selbst die Bank, die er überfällt, um seiner Frau noch eine letzte Reise zu gönnen, überfällt er mit der stoischen Abgeklärtheit eines Verdammten.

Das Leben hat Nishi aber keineswegs zum fatalistischen Vollblutmisanthropen werden lassen, denn genauso wie er zwar nicht auch nur eine Sekunde ein Problem damit hat, einen Menschen umzubringen, verwandelt er sich in der Anwesenheit seiner Frau in einen zärtlichen, leicht unbeholfenen, fast schon ein wenig kindischen Mann, der aus tiefstem Herzen seiner todkranken Gattin noch ein paar glückliche Tage schenken will und sie, wie den Drachen, nicht gehen lassen kann, weil er sie ehrlich und aufrichtig liebt und mit ihr dem tagtäglichen Fegefeuer aus Krankheit, Verbrechen und Tot in diesem Leben entkommen, dem unausweichlichen Ende entgegenschreiten will, vielleicht weil nach der gegenwärtigen eine bessere Welt wartet. Hana-Bi ist nicht nur eine Ode an die Liebe, auch eine an die Kunst, die den Fatalismus überwinden kann, denn dem verkrüppelten und dadurch am Sinn seines weiteren Lebens zweifelnden Horibe schickt Nishi Malzubehör. Und durch die entstehenden Bilder findet Horibe eine neue Perspektive auf seine Umgebung, entdeckt die Schönheit des Lebens. Es ist vielleicht auch dieser Blick, diese Welt, die Nishi so vergebens sucht.

Neben den üblichen Extras (Interview, Making-of, Booklet) findet sich in diesem feinen Set noch ein weiterer absoluter Grund, sich diese fantastische Edition zu kaufen: Capelight Pictures bringt nun endlich auch Kids Return nach Deutschland, zwar nur in untertitelter Form, aber immerhin. Kids Return entstand ein Jahr vor Hana-Bi, direkt nach Kitanos schwerem Motorradunfall, und zeigt eine andere Facette im Schaffen des japanischen Regie-Meisters: Rauer, direkter, weitaus weniger bildgewaltig und um einiges zugänglicher als gewohnt, erzählt Kids Return von Masaru und Shinji. Zwei Taugenichtse, die Mitschülern wie Lehrer auf die Nerven gehen und deren schulische Zukunft kurz vor dem Aus steht. Also versuchen die beiden sich als Stand-Up-Comedians, was aber auch nichts wird, weswegen es die beiden in einen Boxclub verschlägt. Dort stellt sich überraschend heraus, dass ausgerechnet der eher introvertierte Shinji weitaus mehr Talent in den Fäusten hat als sein großmäuliger Kumpel. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die beiden gehen getrennte Wege. Auf Shinji wartet eine große Karriere als Boxer, Masaru heuert bei den Yakuza an. Beide sind in ihren neuen Lebensabschnitten vorerst erfolgreich, doch Shinji wird von einem Kollegen mit fehlendem Sportsgeist zu Alkohol und Dopingmitteln verführt, Masarus immer größer werdendes Ego und die parallel dazu immer größer werdende Klappe gegenüber Yakuza-Ältesten werden ihm zum Verhängnis. Bei einem Wiedersehen auf dem einstigen Schulhof stehen beide vor dem Nichts; unterkriegen lassen sie sich aber nicht, denn: Kids Return.

Das mit dezenten Humorspitzen versehene Drama zeichnet sich in erster Linie durch eine erhabene Schlichtheit aus: Der Film erzählt gradlinig vom Scheitern, vom Aufstieg und wieder vom Scheitern, zieht daraus aber auch keine pathetische Message. Er erzählt vom Leben, er ist eine Momentaufnahme im Dasein zweier Jungs, die vielleicht aus dem Geschehenen keine allzu großen Lehren ziehen, auf die vielleicht keine bessere Zukunft wartet, die sich aber auch nicht unterkriegen lassen werden. Auf dem Weg durch das irdische Dasein holpert’s nun mal dann und wann gewaltig, wichtig ist nur, dass man fest am Steuer bleibt. So banal sich das sicherlich anhört, umso größer wirkt der vor allem von Masanobu Ando (Battle Royale, Black Kiss) in der Rolle des Shinji so wunderbar gespielte Film. Auch weil Kitano auf subtile Weise ein Gefühl für Zeit und deren Vergänglichkeit in seinen Film transportiert. In einem kleinen Nebenstrang wird zum Beispiel von einem Jungen erzählt, der die hübsche Bedienung einer örtlichen Kneipe anhimmelt, von ihr aber abgelehnt wird. Viele Jahre später, beide sind sichtlich gealtert, wiederholt sich das gleiche Spiel. Ob die drei Jungs mit ihrer Trotzigkeit gegenüber den Widrigkeiten des Lebens irgendwann mal ein klein wenig Erfolg haben werden? Wer weiß? Aber wie sagt Masaru am Ende so schön: „Wir haben noch nicht mal angefangen!“
 

Hana-Bi - Feuerblume (1997)

Es gibt da diese wunderbare Szene zum Ende hin, als Protagonist Nishi mit seiner krebskranken Frau am Strand sitzt und beobachtet, wie ein Mädchen mit seinem Drachen spielt. Nishi greift in das Spiel ein, hält dann aber nur grinsend die abgerissenen Flügel des Drachens in den Händen, das Mädchen spielt mit dem Rest weiter.

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