Good Time - Wettlauf gegen die Zeit (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Nur die Geste zählt

Wenn Ben und Josh Safdie für eines gut sind, dann für Filme (Heaven Knows What, The Panic in Needle Park), die die Erwartungen des Publikums konstant unterlaufen und rigoros ihr eigenes Ding durchziehen, komme, was da wolle, und egal, wie das jemand findet. Mit Good Time liefern sie nun ihr bisher reifstes Werk, einen Wahnsinnstrip durch die Nacht, und bescheren Robert Pattinson nicht nur eine weitere Rolle in einem Genrefilm, sondern auch seine bisher beste Performance. Aber das allein macht einen guten Film noch nicht aus.

So eine richtige Good Time haben die Brüder Nick (Ben Safdie) und Connie (Robert Pattinson) nicht. Auch wenn es anfänglich so aussieht, als könnte sich das Blatt für die beiden wenden. Connie will eine Bank überfallen und braucht dafür seinen Bruder Nick als moralische Unterstützung. Zu mehr ist dieser auch nicht fähig, denn Nick ist schwerhörig und geistig stark beeinträchtigt. Die beiden wohnen bei der Großmutter und diese hat Nick an eine Einrichtung vermittelt, die ihm helfen soll, mit der Welt klar zu kommen. Doch Connie hat andere Pläne: Also holt er seinen Bruder dort raus und sie überfallen eine Bank. Es klappt. So weit, so gut. Doch dann bricht Chaos über die Brüder herein. Die Polizei verfolgt sie, Nick wird geschnappt und kommt nach Rikers Island, einem der schlimmsten Gefängnisse der USA. Dort ist er nicht lang, er landet sehr schnell im Krankenhaus. Connie dagegen kann entkommen und ist nun wild wie ein gefangenes Tier. Er will seinem Bruder helfen, er muss ihn da rauskriegen. Die erbeutete Kohle gibt er für seine Kaution aus, doch das reicht nicht. Also geht er ins Krankenhaus und versucht, seinen Bruder irgendwie zu befreien. Aber jeder Versuch, jeder Schachzug, jede Idee führt nur zu mehr Chaos und Wahnsinn und schon bald ist Connie mit blondierten Haaren auf der Flucht in einem Vergnügungspark – mit einem anderen Kerl, der dort Acid versteckt hat, und einem netten 16-jährigen Mädchen, aber eben ohne Nick.

Wenn Good Time eines ist, dann elektrisierend. Die Safdie-Brüder haben sich hier frei im Genrekino bedient und offerieren eine Melange aus Neo-Noir, Heist-Film und amerikanischem Gangsterfilm der 1970er Jahre, die von der ersten Minute an das Tempo und den Wahnsinn ordentlich nach oben dreht und durchgehend eine Atmosphäre von Chaos, Wahnsinn und Panik schürt, so dass man als ZuschauerIn konstant Herzrasen und eine regelrecht kinetische Energie im Körper spürt. Dazu taucht der Film sein Geschehen in fluoreszierendes Licht, Neon-Farben und einen stetigen Soundteppich aus wummernder elektronischer Musik. Die Ästhetik von Good Times erinnert sehr an Nicolas Winding Refn oder Gaspar Noé, wenn diese nicht ganz so aufgeräumt, sondern dreckiger und verschwitzter wären. Die Bilder sind wirklich überragend und werden unterstützt durch die perfekte Auswahl der Drehorte, die von Minute zu Minute genialer werden und ihr großes Finale in einem in Schwarzlicht getauchten Vergnügungspark finden. Doch Connies Odyssee kann diesen massiven Schauwerten nicht genug entgegensetzen. Die große Schwäche des Filmes ist letztendlich das Drehbuch, das von der hypercoolen Ästhetik darnieder gemetzelt wird.

Lässt man sich nicht von der rasenden Geschwindigkeit und dem visuellen Genuss ablenken, so stellt man fest, dass die Geschichte an sich unausgegoren ist. So sind sämtliche Charaktere recht oberflächlich gezeichnet. Nick ist eben nur das Bauernopfer, Connie der Coole, der immer wieder neue Ideen und Wege hat, als er versucht, seinen Bruder zu retten. Allerdings würde sich die gesamte Prämisse seines Unterfangens sofort lösen, hätte er seinen Bruder nicht im Stich gelassen oder würde er sich jetzt einfach stellen. Doch so wütet er weiter durch die Welten anderer Menschen und fordert immer weitere Opfer. Von seiner Freundin (Jennifer Jason-Leigh in einer kurzen, undankbaren Rolle), Menschen, die einfach seinen Weg kreuzen, und letztendlich seinem Bruder selbst. Auffällig ist dabei eine unterbewusste geschlechtliche und altersbedingte Trennung: Connies Großmutter, eine alte Frau, die ihm hilft, seine ältere Freundin und deren Mutter – sie alle sind Menschen, die Connies Entscheidung ausbaden müssen, die zurückbleiben, Schaden nehmen und vom Film immer wieder verbannt werden, sobald sie ihren Soll erfüllt haben, und stets als die Dummen, die Uncoolen, die Irrelevanten markiert werden. Die Coolness von Good Time ist nur für junge Männer bestimmt, die Empathien des Filmes ebenso. Alle anderen bleiben zurück, während der Film sich weiter auf Connies Seite und durch die Nacht schlägt. Doch auch seine Figur bleibt letztlich ein Rätsel. Robert Pattinson gibt sich große Mühe, sie auszufüllen, den wilden Stier in Connies Nacken immer wieder ausbrechen zu lassen. Doch die Frage bleibt: Wer ist er eigentlich? Was treibt ihn an? Wo kommt er her, was ist mit ihm passiert? Wozu klaut er Geld, was will er damit erfüllen?

Für all dies interessiert sich das Werk nicht, denn letztlich ist Good Time nur an der Geste interessiert, am Gefühl, am Adrenalin und dem entsprechenden Lebensgefühl.

Good Time - Wettlauf gegen die Zeit (2017)

Wenn Ben und Josh Safdie für eines gut sind, dann für Filme („Heaven Knows What“, „The Panic in Needle Park“), die die Erwartungen des Publikums konstant unterlaufen und rigoros ihr eigenes Ding durchziehen, komme, was da wolle, und egal, wie das jemand findet. Mit „Good Time“ liefern sie nun ihr bisher reifstes Werk, einen Wahnsinnstrip durch die Nacht, und bescheren Robert Pattinson nicht nur eine weitere Rolle in einem Genrefilm, sondern auch seine bisher beste Performance.

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