Giulia geht abends nie aus

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Freischwimmer

Guido (Valerio Mastandrea) ist Schriftsteller und wenn er seiner Verlegerin und einer Nominierung für einen der wichtigsten Literaturpreise des Landes glauben darf, befindet er sich auf dem Weg nach oben. Zwar gibt es selbst in seinem Bekannten- und Freundeskreis niemanden, der es bisher geschafft hat, seinen Debütroman zu Ende zu lesen, er sei zu kompliziert, zu tragisch, zu schwer, so heißt es, ohne dass sich jemand groß Gedanken machen darüber machen würde, wie es wohl in einem Mann aussehen muss, der solche Geschichten verfasst. Denn obwohl nach außen hin alles in Ordnung scheint, rumort es in Guido gewaltig. Und selbst die Hinweise seiner Tochter Costanza (Domiziana Cardinali), all die Eltern ihrer Freunde seien getrennt, öffnen ihm nicht die Augen – weil ihm jegliche Verbindung zu seinen eigenen Gefühlen, zu seinem Wünschen und Wollen abhanden gekommen sind.
Überhaupt ist Entfremdung und Desinteresse an dem anderen eines der Leitmotive dieser ebenso behutsam wie elegant erzählten Liebesgeschichte von Giuseppe Piccioni, die ganz leise und ungeheuer nuancenreich erodierende Beziehungen beschreibt und plausibel macht. So schenkt Guido seiner Umgebung und insbesondere seiner Tochter Costanza (Domiziana Cardinali) und seiner Frau Benedetta (Sonia Bergamasco), kaum die Aufmerksamkeit, die man von einem treu sorgenden Ehemann und Vater erwarten könnte. Viel lieber verliert er sich in Tagträumen, in denen die Figuren seiner Geschichten – einsame und traurige Männer als „alter ego“ ihres Schöpfers — geheimnisvolle Begegnungen mit schönen Regenschirmverkäuferinnen oder Stripperinnen erleben, die immer wieder entfernte Anker in der Realität besitzen. Man ahnt mehr, als dass man es sieht, dass dieser Mann sich ohne ersichtlichen Grund von seiner Familie entfremdet hat, dass er sich in seiner Fantasiewelt treiben lässt, statt sein Leben aktiver anzugehen und sich um sich selbst und seine Bedürfnisse zu kümmern.

Doch dann beschließt er, endlich schwimmen zu lernen und lernt dabei die geheimnisvolle Giulia (Valeria Golino) kennen, die früher seiner Tochter Schwimmunterricht gab. Fasziniert von der Frau verliebt er sich in sie und möchte sich gerne mit ihr verabreden, doch „Giulia geht abends nie aus“. Und der Grund dafür enthüllt sich Guido erst mit der Zeit. Denn im Gegensatz zu ihm, der seine Geschichten nur ersinnt, verfügt sie über eine echte Geschichte, die zugleich eine äußerst leidvolle ist.

Wenn Guido anfangs ins Wasser geht, dann paddelt er ungeschickt herum, kann sich mehr schlecht als recht über Wasser halten, droht beinahe zu ertrinken. Später sehen wir ihn elegant durchs Wasser gleiten und es wird deutlich, dass dieser Mann sich im Lauf der Geschichte buchstäblich freigeschwommen hat. Schwimmunterricht als Metapher für den Weg zurück ins Leben – das passt sowohl für Guido als auch für Giulia. Beiden steht das Wasser bis zum Hals – mit dem Unterschied, dass Giulia dies längst weiß, während Guido noch ahnungslos durch sein Leben treibt, bevor er lent sich freizuschwimmen.

Wie funkelnde kleine Perlen sind die Kurzgeschichten Guidos in den Film mit eingearbeitet, so dass man manchmal auf den ersten Blick kaum unterscheiden kann, ob sie nun nur erträumt sind oder tatsächlich geschehen. Diese liebevoll gearbeiteten Einschübe durchbrechen und ergänzen die Story ebenso wie manche anderen Nebenhandlungen und geben der eigentlich recht traurigen Geschichte über eine unmögliche Liebe eine andere, heitere Färbung.

Stilsicher und mit ruhiger Hand inszeniert ist Giulia geht abends nie aus ein typisch italienischer Autorenfilm, der an die Traditionen von Regisseuren wie Silvio Soldini anknüpft. Man muss sich freilich schon auf den langsamen, beinahe schon behäbigen Ton der Erzählung einlassen und Liebesgeschichten wie diese mögen, bei denen auf den ersten Blick nicht allzu viel passiert.

Giulia geht abends nie aus

Guido (Valerio Mastandrea) ist Schriftsteller und wenn er seiner Verlegerin und einer Nominierung für einen der wichtigsten Literaturpreise des Landes glauben darf, befindet er sich auf dem Weg nach oben. Zwar gibt es selbst in seinem Bekannten- und Freundeskreis niemanden, der es bisher geschafft hat, seinen Debütroman zu Ende zu lesen, er sei zu kompliziert, zu tragisch, zu schwer, so heißt es, ohne dass sich jemand groß Gedanken machen darüber machen würde, wie es wohl in einem Mann aussehen muss, der solche Geschichten verfasst.
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