Gimme Danger (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Porträt eines gut gelaunten Überlebenden

Gerade in diesem Jahr, in dem so viele bekannte Musiker sterben, gilt Iggy Pop als einer der großen Überlebenden des Rock’n’Roll-Zirkus. James Osterberg, so sein bürgerlicher Name, wird im nächsten Jahr 70 Jahre alt, hat vieles erlebt und noch mehr überstanden. Er gilt gemeinsam mit seiner Band The Stooges als einer der wichtigsten Wegbereiter des Punk, arbeitete eng mit David Bowie zusammen und verlebte mit ihm gemeinsam wilde Berliner Jahre, ging durch die Drogenhölle der Heroinsucht, erlebte das Auseinanderbrechen seiner Band, den Tod früherer Kollegen und vieles mehr.

Und doch schaffte er es immer wieder zurückzukehren – immer noch ist sein Körper sehnig und durchtrainiert, immer noch liebt er es, wie ein Irrwisch über die Bühne zu toben. Und wer ihn in Gesprächen oder Interviews sieht, wundert sich, wie erfrischend normal und reflektiert, wie witzig und klug doch dieser Mann ist. Mit Gimme Danger hat Jim Jarmusch, bei dem man mit einigem Fug und Recht einen Bruder im Geiste von Iggy Pop vermuten darf, einen Dokumentarfilm über den Sänger gedreht, der sich vor allem auf dessen Verbindung mit den Stooges konzentriert. Er ist also kein vollständiger Abriss der Karriere geworden, sondern vielmehr eine Episode, die Iggy Pop als einen Menschen zeigt, der allem Kultstatus zum Trotz vor allem eines geblieben ist: ein Teamplayer, der sehr genau weiß, was er anderen zu verdanken hat; ein Mann voller Demut, Weisheit und Energie und auch im Gespräch ein glänzender Unterhalter mit großartiger (Selbst-)Ironie – also jemand, den man einfach lieben muss.

Für Gimme Danger komponiert Jarmusch Archivaufnahmen, Interviewsequenzen und kommentierende Ausschnitte aus Filmen, die herrlich sarkastische Brechungen ergeben. Gelegentlich werden besonders erheiternde Erinnerungen auch in Form von kleinen Animationen präsentiert. Besonders eindrucksvoll sind dabei die Aufnahmen von früheren Auftritten in den 1960er und 1970er Jahren, die trotz teilweise lausiger Qualität immer noch die raue, ungeschliffene Energie der Stooges transportieren. Wer die vor kurzem von mir gelobte und von Martin Scorsese sowie Mick Jagger produzierte Serie Vinyl sieht, weiß genau, in welchem kreativen und hochexplosiven Umfeld sich Iggy Pop und seine Band damals bewegten. Sie waren Pioniere, die am Beginn eines neuen Zeitalters als wesentliche Impulsgeber wirkten, und vieles, was folgen sollte, überhaupt erst ermöglichten.

Gimme Danger erinnert an eine Zeit, als es noch wahre Typen in der Popmusik gab, die – würde sie nicht schon so heißen – eigentlich nach Iggy benannt werden müsste. Der Titel ist dabei durchaus programmatisch zu sehen und beschreibt nicht nur Iggy Pops teilweise selbstzerstörerische Lebensweise, sondern auch die Freiheiten, die er, seine Mitmusiker und Wesensverwandten wie beispielsweise MC5 sich herausnahmen. Ganz am Schluss gibt es mittels Plattencover eine Art Ahnengalerie all jener Bands, die den Stooges nachfolgten und sich von ihnen inspiriert sahen. Mit dabei unter anderem die Sex Pistols, The Damned, die Buzzcocks, Dinosaur Jr. und viele andere mehr. Wohl dem, der mit fast 70 Jahren auf solch ein Lebenswerk blicken kann. Möge er noch lange leben, plaudern und wirbeln.
 

Gimme Danger (2016)

Gerade in diesem Jahr, in dem so viele bekannte Musiker sterben, gilt Iggy Pop als einer der großen Überlebenden des Rock’n’Roll-Zirkus. James Osterberg, so sein bürgerlicher Name, wird im nächsten Jahr 70 Jahre alt, hat vieles erlebt und noch mehr überstanden.

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