Genug gesagt

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Immerhin James Gandolfini

Manche Filme sind nicht für mich gemacht. Zielgruppenspezifisch peilen sie schnurgerade das Publikum an, dem ich nicht angehöre. Bedeutet dies, dass ich diese Filme nicht zu beurteilen vermag? Ich muss dies verneinen. Denn selbstverständlich – man ist ja Profi – kann ich mich einfühlen in geschiedene Frauen mit Midlifecrisis, die in der Klemme stecken. Und auf jeden Fall weiß ich, wo etwas komisch ist und wo nicht.
Doch ist bei diesem Film nicht nur die Alters- und Geschlechtsfrage ein Thema. Auch unüberbrückbare kulturelle Distanzen muss ich überwinden, geht es doch (auch) um die Familie als gesellschaftlichen Nukleus, ein überaus amerikanisches Thema, das sich hier ausgestaltet in der Problematik, dass die Kinder das Elternhaus verlassen. Das College, das Abenteuer des Lebens, ist für die zurückbleibenden Eltern, zumal sie geschieden sind, ein Grund für Depression in vorauseilender Angst vor dem Alleinsein. Gefühle, die ich nicht nachvollziehen kann (und das wird sich wohl kaum ändern, wenn meine eigenen Kinder mal soweit sind). Doch auch hier kann ich über meinen Schatten springen, ebenso in der Szene, wenn Mamas und Töchter gemeinsam shoppen gehen, oder wenn die Freundin der Tochter kurz mal sexualberaten wird.

All diese Diskrepanzen zwischen meiner Welterfahrung und dem Universum, das Genug gesagt präsentiert, erkenne ich, analysiere und verarbeite ich. Um dann zum klaren Schluss zu kommen: Genug gesagt ist kein guter Film. Es ist ein Film, der sich allzu sehr in seiner Attitüde gefällt, der sich in seinem tragikomischen Appeal suhlt und in zu bemühter Mühelosigkeit die sorgsam aneinandergereihten Emotionen mit angeknüpften komischen Fransen garniert, auf dass so etwas wie Tiefe und so etwas wie Leichtigkeit so etwas wie eine anspruchsvolle Komödie gebären mögen. Allein: Es kommt kaum was dabei raus.

Klar: Dies ist die letzte Rollen von James Gandolfini; der nach seinem Tod im Juni ja auch schon in Not Fade Away in einer kleineren Rollen zu sehen war. Hier hat er die zweite Hauptrolle, und die ist schlicht wunderbar: Er spielt Albert, einen bärigen Schlurfi, der es sich zufrieden in seinem Leben eingerichtet hat; nur, dass ihm die Liebe fehlt. Ein Rasen voll Unkraut? Keine Nachttische? Nicht alles immer gleich aufräumen? Das, was seine Frau angeekelt zur Scheidung trieb, tangiert ihn nur sehr peripher. Er ist witzig und warmherzig und hat einen großartigen Beruf: Archivar im TV-Museum, wo er in all den alten Fernsehshows seiner Kindheit schwelgen kann – von meiner männlichen Warte aus die einzig sympathische Figur im Film.

Ihn lernt Eva, die Hauptfigur, kennen. Geschiedene Mutter, einigermaßen allein, Masseurin, deren Kunden sie allzu sehr nerven, könnte sie eine Schulter zum Anlehnen brauchen. Gandolfinis Albert bietet diese Schulter – doch Eva kann sie nicht einfach annehmen, dafür ist sie zu kompliziert. Sie muss zweifeln – zumal als sie, ein an sich schöner Storytwist, sich mit einer ihrer Massagekundinnen anfreundet, die ständig über ihren Ex-Mann ablästert – der sich schnurgerade als der neue Mann in ihrem eigenen Leben herausstellt…

Eine klassische Komödienstruktur, wie Eva da zwischen zwei Stühlen feststeckt. Doch allzu wenig vertraut Holofcener auf ihre Konstellation, allzu viele Nebenkriegsschauplätze eröffnet sie. Weil sie ja umfassend erzählen will von der Seele der Frau, die so komplex ist, dass es schon wieder komisch ist. Was aber doch nicht richtig zu zünden vermag, weil der Wille zum konkret Zugespitzten ebenso fehlt wie eine profunde Unterfütterung mit zumindest etwas, was jenseits des Konstrukts auf wirklichem Leben, wirklichem Erleben fußt.

Mit Woody Allen könnte man den Film mit seiner schicksalhaften Fügung vergleichen, auch von den neurotischen Figuren her – und müsste dann deutlich feststellen, wie viel Holofcener fehlt, um den tragödischen Ton einer wirklichen Komödie zu treffen, den sie anzustreben bemüht war. Die oberflächlich richtige Einstellung, Humor genannt, hat sie; die profunde Erkenntnis vom Menschlichen fehlt in diesem Film. Albert, der Fernsehprofi, beklagt einmal die heutigen Serien über verzweifelte Frauen in Dingsda-Stadt – leider bewegt sich der Film eher auf diesem Niveau als im angestrebten Bereich der Neurotiker-Kinokomödie.

Das alles bedeutet nicht, dass die Zielgruppe sich nicht amüsieren könnte. Denn natürlich sind die Produktionsästhetik, die Darsteller, die Pointen gut ausgearbeitet. Doch ein guter Film im Mainstream-Bereich, in dem sich Holofcener bewegt, sollte mehr schaffen, als diejenigen oberflächlich zu kitzeln, die sich willig hinräkeln. Ein guter Film dagegen sollte wirken wie eine Massage – die tut auch weh, tief unter der Haut. Aber sie lässt einen sich hinterher viel, viel wohler fühlen.

Genug gesagt

Manche Filme sind nicht für mich gemacht. Zielgruppenspezifisch peilen sie schnurgerade das Publikum an, dem ich nicht angehöre. Bedeutet dies, dass ich diese Filme nicht zu beurteilen vermag? Ich muss dies verneinen. Denn selbstverständlich – man ist ja Profi – kann ich mich einfühlen in geschiedene Frauen mit Midlifecrisis, die in der Klemme stecken. Und auf jeden Fall weiß ich, wo etwas komisch ist und wo nicht.
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