Free the Mind - Kann ein Atemzug dein Denken verändern?

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Atemtherapie gegen Kriegstraumata

ADHS, Depressionen, Schlafstörungen, PTBS – für alles gibt es heutzutage eine medikamentöse Lösung. Dass schon Grundschulkinder gegen ihre angeblichen Aufmerksamkeitsdefizite regelmäßig Tabletten einnehmen, ist Teil der Normalität. Doch wie der Dokumentarfilm Free the Mind zeigt, gibt es durchaus eine Alternative zur Pharmakotherapie.
Richard Davidson ist nicht nur ein international anerkannter Neurowissenschaftler, sondern auch ein Anhänger des Dalai Lama. In seiner Forschung beschäftigt sich der amerikanische Professor mit den Auswirkungen von Meditation auf das menschliche Gehirn. Free the Mind dokumentiert eine seiner Studien mit an PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) erkrankten Veteranen und Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Mit Hilfe von Meditation und spezieller Atemtechniken versucht er die emotionale Instabilität der Probanden zu mindern.

Die dänische Regisseurin Phie Ambo setzt sich hier nach Mechanical Love zum zweiten Mal mit einer grundlegenden Frage über das Menschsein auseinander: Wie weit sind wir in der Lage, unsere Gedanken zu kontrollieren, die positiven wie die negativen? Leider beschränkt sich Ambo hier ausschließlich auf die Arbeit Richard Davidsons wodurch das Ergebnis den bitteren Nachgeschmack eines Werbefilms für die von ihm entwickelte Methodik hinterlässt. Das ungetrübt positive Ergebnis der vorgestellten Forschung verstärkt den Eindruck, dass es sich hier weniger um eine Dokumentation als vielmehr um ein Marketinginstrument handelt.

Das ist schade, denn Free the Mind ist ein durchaus lehrreicher Film, dessen Stil grundsätzlich in der Lage ist, auch über ein Fachpublikum hinaus Zuschauer für sein Thema zu interessieren. Phie Ambo hat den informativen Anteil recht klein gehalten und illustriert die neurologischen Erklärungen mit einfachen Zeichnungen und Animationen. In sehr persönlichen Interviews widmet sie sich vor allem den Einzelschicksalen zweier Veteranen, die ihre traumatischen Erlebnisse ebenso wie ihre aktuellen psychischen Probleme mit der Regisseurin und dem Publikum teilen. Dabei wirken die Protagonisten sehr authentisch. Phie Ambo gelingt es, zu den emotional instabilen und im Zuge dessen sozial isolierten Männern eine große Nähe aufzubauen. Auch das Vertrauen ihres jüngsten Protagonisten scheint Ambo gewonnen zu haben, denn der 5-Jährige verhält sich vor der Kamera ebenso natürlich wie seine erwachsenen Kollegen.

Diese Natürlichkeit der Figuren wird leider durch eine sehr dominante Musikuntermalung getrübt, die einem Krimisoundtrack ähnelt und die Bilder unnötig dramatisiert. Auch hier entsteht der Eindruck einer Inszenierung zu Gunsten der dargestellten Studie, die dem Gesamtkonzept die Authentizität raubt. Trotz dynamischer Filmmusik verliert Free the Mind zunehmend an Spannung. Es gelingt Phie Ambo leider nicht, den Zuschauer mit den Protagonisten auf eine Reise zu schicken. Lediglich der 5-jährige Will hat ein Ziel, bei dem das Publikum ein wenig mitfiebern kann: Er möchte seine Angst überwinden und Fahrstuhl fahren. Auch wenn die Veteranen ergreifende Geschichte erzählen, bleibt ihr Weg zu wenig zielgerichtet, als dass ihre persönliche Entwicklung eine spannende Narration erzeugen könnte. Hier ließe sich natürlich lobend resümieren, dass Ambo auf eine inszenierte Dramatisierung der Ereignisse verzichtet. Doch der dramaturgische Hänger in der Filmmitte, die recht repetitive Darstellung des Studienverlaufs, droht fachfremde Zuschauer zunehmend zu langweilen.

Free the Mind leidet vor allem an seiner Einseitigkeit. Während medikamentöse Ansätze ohne große Erklärungen verurteilt werden, stellt Phie Ambo die Atem- und Meditationstherapie geradezu als Patentmittel dar. Free the Mind ist also kein Film über die Möglichkeit von Gedankenkontrolle, sondern hat im Grunde einen sehr engen Fokus, der sich auf die Arbeit Richard Davidsons beschränkt. Offen bleibt die Frage, warum es überhaupt noch Psychiater und Psychopharmaka gibt, wenn doch jeder seine Traumata in sieben Tagen wegatmen kann.

Free the Mind - Kann ein Atemzug dein Denken verändern?

ADHS, Depressionen, Schlafstörungen, PTBS – für alles gibt es heutzutage eine medikamentöse Lösung. Dass schon Grundschulkinder gegen ihre angeblichen Aufmerksamkeitsdefizite regelmäßig Tabletten einnehmen, ist Teil der Normalität. Doch wie der Dokumentarfilm „Free the Mind“ zeigt, gibt es durchaus eine Alternative zur Pharmakotherapie.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Hans Liebelt · 21.06.2013

Ich meditiere seit 4 Jahrzehnten und arbeite seit vielen Jahren therapeutisch mit verschiedenen Meditationstechniken. Die Ergebnisse überraschen meine Schützlinge - ebenso wie mich - immer wieder. Daher war ich glücklich erregt, dass sich nun auch Wissenschaftler ernsthaft mit dem Thema beschäftigen. Leider ist es wie immer; ein paar Wichtigtuer spielen das Lied vom Tod, ziehen Tatsachen durch den Kakao und blasen ins Horn der Pharmalobby. Ritalin macht's möglich; mit Meditation verdient man kein oder nur wenig Geld.

Schade, dass die Autorin von ihrer Sicht des Filmes ausgeht und die Schwächen der Produktion auf die Wirkung der Meditation überträgt. Nicht die Wahrheit scheint gefragt, sondern rethorische Techniken werden zelebriert, um Dinge, die nicht ins eigene Weltbild passen, zu verunglimpflichen. Schon allein der letzte Satz hätte durchaus der eines FDP-Politikers sein können, der den alternativen Parteien das Wort im Mund rum dreht.

Dafür gibt's von mir eine glatte 6, sehr geehrte Frau Rieger. Wie wäre es, es mal mit dem Meditieren zu versuchen. Das stiftet einen friedlichen Geist und lässt einen die Wahrheit sehen.

Herzliche Grüße,

Hans Liebelt (Atem- und Sprechlehrer)