Flamenco, Flamenco

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Kunstwerk der Künste

Wer nach Spanien reist und sich in einer der touristischen Hochburgen aufhält, kommt meist nicht an einem Flamenco-Abend vorbei. Der Flamenco gehört zur spanischen Kultur wie der Stierkampf oder die Figur des Don Quijote. Mit seinem neuesten Film Flamenco, Flamenco (2010) zeigt der spanische Kult-Regisseur Carlos Saura einmal mehr, dass es ihm wichtig ist, diese Tradition auch filmisch festzuhalten und gleichzeitig zu zeigen, dass es sich beim Flamenco nicht nur um musikalische Traditionen handelt, sondern dass die neue Generation der Flamenco-Künstler durchaus nach zeitgenössischen Formen sucht und experimentiert. Saura selbst hat mit Flamenco, Flamenco ein beeindruckendes Filmkunstwerk geschaffen, das vor allem mit der Musik und dem Tanz, aber auch mit filmischen Ausdrucksmitteln wie der Farbdramaturgie und der Mise-en-Scène arbeitet.
Carlos Saura ist einer der Altmeister des spanischen Kinos. Über 40 Filme hat er im Laufe seines 80-jährigen Lebens gedreht. Während er sich in den 1960er und 1970er Jahren der spanischen Gegenwart unter General Franco widmete, zu einem von dessen wichtigsten Beobachtern und dem Inbegriff des cine de disidencia, des systemkritischen Kinos in Spanien, wurde, widmete er sich ab den 1980er Jahren vermehrt dem Tanzfilm. Mit seinem ersten Tanz-, allerdings noch einem Spielfilm, der gleichnamigen Adaption von Georges Bizets Oper Carmen, feierte er 1983 weltweite Erfolge und erhielt unter anderem den Oscar für den bestsprachigen Film. Schon in Sevillanas (1992) wie auch in Flamenco (1995) und Tango (1998) suchte er das Dokumentarische in den Tanztraditionen der iberoamerikanischen Kulturen.

Nach Flamenco und Iberia (2005) ist Flamenco, Flamenco die dritte Dokumentation Sauras über die traditionelle spanische Praxis aus Gesang, Gitarrenmusik und Tanz. Während er in den früheren Filmen jedoch vor allem Wissen vermittelt, über einen Off-Kommentar Informationen zum Flamenco (Flamenco) oder über Aufnahmen der unterschiedlichen spanischen Regionen ein gelungenes Portrait der spanischen Identität schafft (Iberia), funktioniert Flamenco, Flamenco auf gänzlich andere Weise. Über die Symbolik des Lebenszyklus eines Menschen und über die Farbgestaltung arbeitet Saura die verschiedenen Erscheinungsformen des Flamenco heraus und verbindet diese darüber hinaus mit den Darstellungen des Flamenco in der Bildenden Kunst.

Der Film beginnt und endet in einer Werkhalle, in der auf Stellwänden die Bilder unterschiedlicher Künstler wie Picasso und Klimt versammelt sind, die allesamt Flamenco-Künstler beim Tanz oder Musizieren zeigen. Die Kamera bahnt sich einen Weg durch die Kunstgeschichte des Flamenco und inszeniert die Flamenco-Tänzer und -Musiker nach dem Vorbild der gemalten Kunstwerke.

Der Reigen der verschiedenen Flamenco-Stile beginnt mit dem Flamenco-Wiegenlied, erstreckt sich über lebendige und leidenschaftliche, aber auch experimentelle Stilrichtungen bis hin zu den tiefen Emotionen der Trauer und des Todes. Mit diesem dargestellten Weg des Lebens sei es ihnen gelungen, so Saura, „die alten Meister und die neuen Talente des Flamenco zu einer kreativen Einheit zu verschmelzen“. Bekannte Flamenco-Größen wie Paco de Lucía oder Manolo Sanlúcar zeigen ebenso ihr Können wie die junge Musiker-Generation, die mit der so genannten flamenco fusión die traditionellen Rhythmen mit anderen Musikstilen kombiniert – mit Klaviermusik oder einem Orchester.

Die Farbdramaturgie unterstützt die Anordnung des Films. Die Farben werden symbolhaft eingesetzt, unterstreichen den jeweiligen menschlichen Lebensabschnitt und passen sich stets wunderbar in die Kameraarbeit und die Choreografien ein. Somit entstehen einzigartige und bildgewaltige Aufnahmen, von denen viele Plakatqualität aufweisen. Flamenco, Flamenco ist damit auch ein visuelles Kunstwerk.

Ansonsten ist der Film jedoch vor allem ein Film für Kenner – und das ist vielleicht ein Manko von Flamenco, Flamenco: Wer sich nicht auskennt mit Flamenco, Musik oder auch der spanischen Kultur, mag nur wenig von der Qualität des Films erkennen. Der Film beginnt mit einem der bekanntesten und einem der rätselhaftesten Gedichte der spanischen Literatur, mit dem vertonten Verde que te quiero verde von Federico Garcíca Lorca, und das macht den Film auch einmal mehr zu einem Kunstwerk der Künste. Dem Kinozuschauer mag das aber vielleicht nicht deutlich werden. Ein bisschen mehr Information hätte dem Film also nicht geschadet; denn vermutlich hat nicht jeder die Vorläuferfilme von Flamenco, Flamenco, die der Aufgabe der Informationsvermittlung nachgehen, gesehen. Wer allerdings nicht allzu viel Lernen und Wissen vom Film erwartet, sondern nur aus der Lust am Schauen und Lauschen ins Kino geht, den erwartet dann auch eine filmische Delikatesse. Sauras Film ist purer Genuss nicht nur fürs Ohr, sondern insbesondere fürs Auge.

Flamenco, Flamenco

Wer nach Spanien reist und sich in einer der touristischen Hochburgen aufhält, kommt meist nicht an einem Flamenco-Abend vorbei. Der Flamenco gehört zur spanischen Kultur wie der Stierkampf oder die Figur des Don Quijote. Mit seinem neuesten „Film Flamenco, Flamenco“ (2010) zeigt der spanische Kult-Regisseur Carlos Saura einmal mehr, dass es ihm wichtig ist, diese Tradition auch filmisch festzuhalten und gleichzeitig zu zeigen, dass es sich beim Flamenco nicht nur um musikalische Traditionen handelt, sondern dass die neue Generation der Flamenco-Künstler durchaus nach zeitgenössischen Formen sucht und experimentiert.
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