Final Portrait

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Schrullen der Künstler

Was ist nur mit den großen Künstlern los, dass sie, sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben, immer schrulliger werden und sich in ihrer Kommunikation vor allem auf Flüche und Grunzlaute beschränken? Wie in Mike Leighs Mr. Turner — Meister des Lichts (2014) sind es auch in Stanley Tuccis Final Portrait fast schon animalische Laute, die eine bedeutsame Persönlichkeit der Bildenden Kunst von sich gibt. In diesem Falle ist es Alberto Giacometti, dessen Leben und künstlerisches Wirken hier auf eine Episode heruntergebrochen werden, die sich kurz vor dem Tod des Meisters ereignet hat und die auf den Aufzeichnungen des Giacometti-Kenners und Biographen James Lord beruht, der von einer wahren Begebenheit und seiner letzten Begegnung mit dem Künstler berichtet.

Als er (im Film dargestellt von Armie Hammer) 1964 während eines Aufenthaltes in Paris gefragt wird, ob er dem berühmten Bildhauer und Maler Alberto Giacometti (Geoffrey Rush) nicht für ein Porträt Modell sitzen will, sagt der Kunstenthusiast und Schriftsteller nur allzu gerne zu. Die ganze Angelegenheit, so wird ihm versichert, sei binnen weniger Stunden erledigt. Weil Lord den Künstler verehrt und schon mehrere Artikel über ihn veröffentlicht hat, fühlt er sich natürlich gleichermaßen geschmeichelt und geehrt. Allerdings hat die ganze Angelegenheit einen kleinen Haken: Der Maestro ist so voller Selbstzweifel, dass das Bild viel langsamer vorangeht, als dies zunächst besprochen war. Immer wieder wird das bis dahin Erreichte vom frustrierten Künstler übermalt und ein neuer Anlauf unternommen, so dass Lord ein ums andere Mal seinen Rückflug in die Vereinigten Staaten umbuchen muss. Aber was tut man nicht alles für einen echten Giacometti, der zudem noch das eigene Antlitz für die Ewigkeit festhält?

Im Verlauf des sich immer weiter ausdehnenden Aufenthalts bekommt der junge Amerikaner einen recht plastischen Einblick in das chaotische Leben des Malers, der sich kettenrauchend, grunzend und fluchend alle Mühe gibt, die Klischees eines genialischen bildenden Künstlers noch zu übertreffen. Er wirft mit Geld buchstäblich nur so um sich und vergnügt sich hemmungslos mit der jungen Prostituierten Caroline (Clémence Poésy), obwohl seine Ehefrau Annette (Sylvie Testud) unter den amourösen Abenteuern ihres Gatten Höllenqualen leidet. Und zweifelt immer wieder an seinen Arbeiten.

Er habe etwas Brutales an sich und wenn er ihn wirklich so male, wie er – Giacometti – ihn sehe, dann stünde wohl bald die Polizei vor der Tür, so sagt der Künstler an einer Stelle zu seinem Modell. Aber der Zuschauer verfügt nicht über die Imaginationskraft eines Giacometti und abgesehen davon, dass James Lord ein gut aussehender und fein gekleideter Mann ist, verfügt er – so wie ihn Stanley Tucci uns hier vorführt – kaum über hervorstechende Eigenschaften. Und wer weiß, vielleicht ist dies ja durchaus beabsichtigt, denn wer könnte eine bessere Projektionsfläche für die Fantasien eines Malers abgeben als jemand, dessen Gesicht selbst wie eine Leinwand ist, die der Künstler mit seinen Pinselstrichen mit allen erdenklichen Eigenschaften ausstatten kann. Des Malers Herausforderung ist zugleich des Zuschauers Leid. Denn ähnlich wie Giacometti, der immer wieder neue Anläufe unternimmt und dann doch ein ums andere Mal scheitert, so ist auch für den Zuseher dieser James Lord ein Unfassbarer, ein Mann ohne Eigenschaften, über dessen persönliche Hintergründe, Gedanken und Gefühlswelt wir kaum etwas wissen und noch weniger im Verlauf des Filmes erfahren. Abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass Lord ein Mann von geradezu legendärer Geduld und Leidensfähigkeit gewesen sein muss.

Mag dies im Falle Lords noch durch seine Funktion als Quasi-Erzähler erklärbar sein, erstaunt zugleich aber die Beobachtung, wie wenig Final Portrait über seine eigentliche Hauptfigur Alberto Giacometti zu berichten weiß – und wie sehr das Gezeigte dem allgemeinen Fundus an Klischees über exzentrische Künstlerpersönlichkeiten entstammt. Abgesehen von Geoffrey Rushs erheblicher Ähnlichkeit mit dem Italoschweizer bleibt das Bild, das der Film von dem Künstler zeichnet, ebenso skizzenhaft und überarbeitungsbedürftig wie das titelgebende letzte Porträt Giacomettis.

Final Portrait

Es ist der italienisch-schweizerische Künstler Alberto Giacometti, dessen Leben und künstlerisches Wirken im Biopic „Final Portrait“ auf eine Episode heruntergebrochen werden, die sich kurz vor dem Tod des Meisters ereignet hat und die auf den Aufzeichnungen des Giacometti-Kenners und Biographen James Lord beruht, der von einer wahren Begebenheit und seiner letzten Begegnung mit dem Künstler berichtet.

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