Fikkefuchs (2017)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der verunsicherte Mann

Willkommen im Reich der Würstchen und Möchtegern-Casanovas, der Pick-up-Artists und Dauergeilen, der Flatrate-Sex-Konsumenten und Internetporno-Junkies, der Loser und Sexisten, willkommen in der Welt der ganz normalen Männer beziehungsweise dem, was übrig bleibt, wenn die zivilisatorische Maske fällt. In seiner Brachialsatire Fikkefuchs mit tragischem Einschlag geht der Regisseur, Co-Drehbuchautor und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg (Muxmäuschenstill) ohne Netz und doppelten Boden dahin, wo der Kern aller postmodernen/postfeministischen Verunsicherung liegt – nämlich zwischen die Beine und auf die Eier – und hält seinen Geschlechtsgenossen den Spiegel vor, dass man vor Fremd- und Selbstscham weinen könnte und zugleich Tränen lacht.

Einstmals war Richard Ockel (Jan Henrik Stahlberg), genannt „Rocky“, der „größte Stecher von Wuppertal“, doch diese Zeiten sexueller Omnipotenz und charmanter Eroberungen sind längst vorbei. Heute ist der knapp vor seinem 50. Geburtstag stehende Mann eine arme Sau, der nur noch den Erinnerungen an den vergangenen Ruhm als begnadeter Aufreißer nachhängt und es trotzdem peinlicherweise nicht lassen kann, jungen Frauen nachzustellen. Was diese – wenn überhaupt – mit amüsierter bis genervter Abscheu zur Kenntnis nehmen.

Bis eines Tages Thorsten, Verzeihung, Thorben (Franz Rogowski) an seiner Wohnungstür klingelt, und behauptet, Rockys Sohn aus der längst verflossenen Liebschaft mit Gudrun zu sein. Anfangs wehrt Rocky den ungebetenen Gast ab, doch der bleibt so hartnäckig, dass er den gerade einer Psychiatrie Entflohenen doch bei sich aufnimmt. Als Kitt in der sich langsam entwickelnden Beziehung zwischen den beiden sich vollkommen fremden Männer erweist sich dabei ihre sexuelle Frustration: Richards nachlassende Potenz und Thorbens ziellose und übergriffige, aus massenhaftem Pornokonsum gespeiste erotische Aggression schaukeln sich gegenseitig hoch, bis Rocky schließlich einwilligt, dem erwachsenen Sohn seine alten Tricks als Aufreißerkönig beizubringen. Dass diese allerdings längst nicht mehr funktionieren, bleibt auch dem dumpfbackigen Nachwuchs nicht verborgen. Und so greifen sie auf Empfehlung eines „Freundes“ von Thorben zur vorletzten Maßnahme der verunsicherten Männlichkeit – einem Kurs bei einem „Pick-up Artist“, bei dem (beziehungsweise der, denn „Wilson“ erweist sich als Frau, die den Männern etwas zurückgeben will) sie und ihre gefrusteten Geschlechtsgenossen lernen sollen, was Frauen wirklich wollen …

Fikkefuchs zeigt die Männer als das eigentlich schwache Geschlecht, als Spezies, die es niemals gelernt hat, über ihre Bedürfnisse und Befindlichkeiten zu sprechen, und die sich nun trotz des nur langsam voranschreitenden Prozesses der Emanzipation gegenüber den Frauen gnadenlos ins Hintertreffen geraten fühlen. Zumindest ein Teil – und genau hiervon erzählt Stahlberg mit scharfem satirischen Blick und schonungsloser Ehrlichkeit, die oftmals die Grenzen des guten Geschmacks und der vermeintlichen politischen Korrektheit überschreitet – kompensiert das mit hilflos wirkender Aggression, die die Fassaden der Aufklärung niederreißt und die Denkmodelle von Maskulinisten und anderen Backlash-Apologeten entlarvt. Das ist einerseits unglaublich lustig anzusehen und tut zugleich – besonders Männern – derart weh, dass man zwar beseelt, aber auch mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube (und tiefer) das Kino wieder verlässt.

Fikkefuchs ist – und das merkt man insbesondere an jenen Stellen, an denen Stahlberg und sein furios aufspielendes Ensemble lustvoll die Grenzen des „Zeigbaren“ überschreiten – ein wahrhaftiger Independent-Film, der jenseits von Fördergeldern und Senderbeteiligungen alles Glattgeleckte scheut wie der Teufel das Weihwasser und gerade durch diese Schonungslosigkeit ein grelles Schlaglicht auf die Frontverläufe im Krieg der Geschlechter wirft. Prädikat „brutal ehrlich“.
 

Fikkefuchs (2017)

Willkommen im Reich der Würstchen und Möchtegern-Casanovas, der Pick-up-Artists und Dauergeilen, der Flatrate-Sex-Konsumenten und Internetporno-Junkies, der Loser und Sexisten, willkommen in der Welt der ganz normalen Männer beziehungsweise dem, was übrig bleibt, wenn die zivilisatorische Maske fällt.

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