Fences

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Anstrengung und Drama

Im Jahr 1983 hat Auguste Wilson sein Theaterstück Fences geschrieben, es war der sechste Teil in Wilsons zehnteiligen Pittsburgh Cycle, in dem er unter anderem die afro-amerikanischen Erfahrungswelten untersuchte. Das Stück gewann 1987 einen Pulitzer Prize und einen Tony Award und wurde 2010 wieder am Broadway aufgeführt: Mit Denzel Washington und Viola Davis in den Hauptrollen, die ebenso wie das Stück (in der Kategorie „Best Revival of a Play“) mit einem Tony Award ausgezeichnet wurden. Nun hat Denzel Washington das Theaterdrama für die Leinwand adaptiert – und einen Film inszeniert, dessen größte Schwäche sich als enorme Stärke entpuppt.

In Fences wird – sehr werkgetreu – die Geschichte des 53-jährigen Müllwerkers Troy Maxson (Denzel Washington) erzählt, der einst in der Negro League Baseball spielte. In der Major League wurde er niemals eingesetzt, aufgrund der Segregation und weil, so betont er ständig, Schwarze im Sport kein Geld verdienen könnten. Also muss er weiterhin sehen, wie er sich und seine Familie durchs Leben bringt. Troy ist ein wütender, ein harscher Mann, ständig im Kampf mit dem Leben und dem Tod. Er verbietet seinem Sohn, mit einem Football-Stipendium aufs College zu gehen, weil er allen Gegenbeispielen zum Trotz überzeugt ist, dass Schwarze im Sport nicht so eingesetzt werden, dass sie damit Geld verdienen. Seinem ältesten Sohn Lyons (Russell Hornsby), der versucht, als Musiker zu überleben, hält er ständig vor, dass er sich einen Job sollte, anstatt sich vom Vater Geld zu leihen. Zu seinem Leben gehören noch sein Bruder Gabe (Mykelti Williamson), der im Zweiten Weltkrieg verwundet wurde und aufgrund einer Metallplatte in seinem Kopf geistig beeinträchtigt ist, sein Freund und Kollege Bono (Stephen McKinley Henderson), ein ständiger Begleiter, vor allem aber seine kluge, liebende Frau Rose (Viola Davis), die seine ständig wiederholenden Geschichten weiterhin geduldig und lachend erträgt.

Ebenso begrenzt wie Personenanzahl sind auch die Handlungsorte. Nur selten verlässt die Kamera das Haus bzw. den Hinterhof der Maxsons, zweimal ist Troys Arbeitsstelle zu sehen, einmal eine Bar, ein Krankenhaus, die City Hall, eine Kirche und einige Male wird die Straße vor dem Haus gezeigt. Dadurch wird die Allgemeingültigkeit der Geschichte betont, diese Familie könnte es zu dieser Zeit in jeder Stadt in den USA geben. Jedoch ist diese Beschränktheit im Film – im Gegensatz zum Theater – nicht notwendig, gerade am Anfang fragt man sich unweigerlich, warum sich die Handlung fast ausschließlich über Dialoge entwickelt. Vergangene Erlebnisse werden erzählt, nicht gezeigt, Entwicklungen werden geschildert, nicht vollzogen, auch in Kameraeinstellungen, dem Licht, der Kostüme, der Ausstattung bleibt alles dem Theater verhaftet. Ständig kocht Rose, aber nur selten wird das Essen oder gar essen gezeigt. Die Körperlichkeit der Schauspieler spielt kaum eine Rolle, sie bewegen sich mit Bedacht, als müsste eine neue Szene arrangiert werden.

Somit spielt sich alles in diesem äußert begrenzten Kosmos ab, in dem Troy Maxson immer und immer wieder seine Geschichten erzählt, bei denen er Lügen und Wahrheiten großzügig und meist zu seinen Gunsten mischt und immer und immer wieder seine Verbitterung zum Ausdruck bringt. Das ist insbesondere in der ersten Hälfte des Films – er lässt sich mühelos in zwei Akte einteilen – anstrengend, ja, regelrecht zermürbend. Fast scheint sich nichts zu verändern, nichts voranzugehen, so wie der Zaun, an dem Troy nahezu den gesamten Film über arbeitet, einfach nicht fertig wird. Sicherlich spiegeln sich Szenen, gibt es großartige Sätze, aber man befindet sich doch in einem Film, nicht einem Theaterstück. Doch dann, in der Mitte des Films, bringt Troy die Beziehung zu seiner Frau in Gefahr. Es schließt sich ein großartiger Monolog von Rose an, die ihm sagt, wie das Leben an seiner Seite, mit ihm als Ehemann war, welchen Handel sie sich mit sich selbst machen musste, um auszuharren, um zu bleiben. In Viola Davis‘ Stimme, in ihrer Betonung, in ihren Worten, in ihrem Gesicht liegt die Müdigkeit angesichts dieses Lebens, die Verzweiflung und Wut angesichts der Tat ihres Mannes – und es ist herzzerreißend, es mit anzusehen und zu hören. Denn man kann sie verstehen, man hat das Auszehrende, das Lebenslust Aussaugende doch gerade selbst erlebt, in dieser ersten Hälfte, man ahnt, wie anstrengend ein Leben an der Seite dieses Mannes sein muss, aber auch, warum sie sich damals in ihn verliebt hat. Dabei umfasst dieser Höhepunkt des Films eine weitere Tragik: Die Geschichte spielt Ende der 1950er Jahre, hier verlassen Ehefrauen ihre Ehemänner nicht einfach, weil sie sie betrogen haben. Und deshalb bleibt auch Rose – und stets ist spürbar, was sie das kostet.

Es ist fraglos anstrengend, diesen Film zu sehen. Aber das Leben von und mit Troy Maxson ist es ebenso – er überlagert und überschattet das Leben seiner Kinder und seiner Ehefrau, er überträgt seinen Zorn, sein Hadern mit dem Tod auf sie. Deshalb passt auch der Titel mit den Zäunen im Plural sehr gut auf diesen Film: Es gibt den einen, physisch greifbaren Zaun, mit dem Troy beschäftigt ist, der Gefahren vom Haus fern und vielleicht auch ihn in diesem Haus halten soll. Aber es gibt auch die Zäune, Grenzen und Barrieren, die Troy in seinem Leben immer wieder versucht zu überwinden und an denen er meistens scheitert – und die er an seine Kinder weitergibt. Denn in dieser Geschichte lässt sich letztlich erkennen, wie sehr sich historische und gesellschaftliche Realitäten in Menschen einschreiben und sich in ihren persönlichen Schicksalen widerspiegeln.
 

Fences

Im Jahr 1983 hat Auguste Wilson sein Theaterstück „Fences“ geschrieben, es war der sechste Teil in Wilsons zehnteiligen „Pittsburgh Cycle“, in dem er unter anderem die afro-amerikanischen Erfahrungswelten untersuchte. Das Stück gewann 1987 einen Pulitzer Prize und einen Tony Award und wurde 2010 wieder am Broadway aufgeführt: Mit Denzel Washington und Viola Davis in den Hauptrollen, die ebenso wie das Stück (in der Kategorie Best Revival of a Play) mit einem Tony Award ausgezeichnet wurden.

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