Englisch für Anfänger

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Sprache ist Freiheit

Bildung und der Spracherwerb im Besonderen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Unabhängigkeit. Das gilt nicht nur für die Individualentwicklung jedes einzelnen Menschen, sondern an vielen Orten der Welt im Besonderen für Frauen und Mädchen. Englisch für Anfänger ist ein Film darüber, wie allein das Lernen einer Sprache zu mehr Selbstbewusstsein und Mut beitragen kann und wie traditionelle Rollenzuschreibungen dadurch ins Wanken geraten.
Shashi (Sridevi) ist eine traditionell lebende, hinduistische Inderin. Der Tag beginnt damit, für die Familie Frühstück zu machen und endet damit, ihrem Mann sexuell gefällig zu sein, der mit den Worten „Lass uns keine Zeit mit Reden verschwenden“ recht schnell zur Sache kommt. Nicht mal ihre Kinder respektieren Shashi und machen sich wann immer sich die Gelegenheit bietet über ihre schlechten Englischkenntnisse lustig. Umso schockierter ist Shashi, als sie von ihrem Mann alleine in die USA geschickt wird, um bei den Hochzeitsvorbereitungen ihrer Nichte zu helfen. Doch was für die verschüchterte Frau als Albtraum beginnt, entpuppt sich als Chance ihres Lebens. Shashi nutzt den Aufenthalt in New York, um einen Sprachkurs zu besuchen. Doch als schließlich auch ihre Familie in Amerika eintrifft, gibt es für sie auf die Frage „Bildung oder Familie?“ nur eine mögliche Antwort.

Irgendwo zwischen Bolly- und Hollywood erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Gauri Shinde ihre Geschichte als märchenhafte Tragikomödie. Die Charaktere sind leicht überzeichnet und sorgfältig in „gut“ und „böse“ unterteilt. Kleine Slapstickeinlagen lockern die Handlung immer wieder auf und verhindern, dass wir Englisch für Anfänger allzu ernst nehmen. Wie im Bollywoodfilm üblich, illustrieren musikalisch untermalte Montagesequenzen in regelmäßigen Abständen die Gedanken und Gefühle der Hauptfigur. Auf Tänze in bunten Kostümen muss der Zuschauer jedoch fast bis zum Schluss warten, wenn sich alle Figuren zur großen Hochzeitsfeier treffen. Auch die Fähigkeit des indischen Films, starke Emotionen zu vermitteln, ist in Gauri Shindes Regiedebüt spürbar und es fällt schwer, sich der Melancholie der Geschichte zu entziehen.

Hauptdarstellerin Sridevi gelingt es, die Unsicherheit, aber auch die Sehnsucht ihrer Figur glaubwürdig zu verkörpern. Obwohl Shashi sich die Demütigungen durch ihre Familie und später durch unfreundliche US-Bürger nicht anmerken lassen möchte, wird ihr Leid für den Zuschauer erfahrbar. Gauri Shinde gelingt es, uns einen Eindruck davon zu vermitteln, was es bedeutet, auf Grund mangelnder Sprachkenntnisse von einem Großteil des öffentlichen Lebens ausgeschlossen zu sein.

Auf tragische Momente folgt stets ein komödiantisches Element. Englisch für Anfänger ist kein Drama, sondern ein Film, an dem der Zuschauer Spaß haben soll. Der Sprachkurs, den Shashi besucht, strotzt nur so von exzentrischen Charakteren, die immer wieder für Lacher sorgen. Mit ihrem Mitschüler Laurent (Mehdi Nebbou) deutet Gauri Shinde sogar eine Liebesgeschichte an, ohne diese jedoch jemals ins Zentrum ihrer Erzählung zu rücken. „Ich brauche keine Liebe. Was ich wirklich brauche, ist Respekt“, lässt sie Shashi an einer Stelle sagen und bleibt ihrer Hauptfigur insofern treu, als dass der romantische Plot niemals die Selbstfindung ihrer Protagonistin überlagert.

Hierin liegt aber auch eine Gefahr, denn Gauri Shinde ist in ihrer emanzipatorischen Geschichte leider nicht konsequent genug. Obwohl Sashis Ehemann (Adil Hussain) stets als Unsympath dargestellt wird, der in seiner Frau keinen anderen Wert sieht als den einer Dienstbotin, bringt sie ihm zu keinem Zeitpunkt Kritik entgegen. Ihre Emanzipation bleibt hierdurch ein wenig folgenlos und das versöhnliche Ende hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Als Zuschauerinnen und Zuschauer wünschen wir uns mehr für Shashi, als nur einen Weg zu finden, mit dem Status Quo zufrieden zu sein. Zudem wird die gesamte Unternehmung des Sprachkurses stark dadurch in Frage gestellt, dass sich an ihrem Leben im Grunde kaum etwas ändert. Statt unterdrückten Frauen Mut zuzusprechen, scheint Gauri Shinde hier eher zu Demut zu raten, ein Mindestmaß an Respekt vorausgesetzt.

Wenn sich Shashi gen Ende im Flugzeug eine Zeitung auf Hindi bestellt, scheint dies jedoch so absurd, dass wir den Film im Grunde nicht mehr ernst nehmen können. Vielleicht will uns Gauri Shinde mit ihrem unpassenden Ende bewusst aus dem Konzept bringen und für das Gegenteil plädieren. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Publikum das auch so versteht.

Englisch für Anfänger

Bildung und Spracherwerb sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Unabhängigkeit. Das gilt nicht nur für die Individualentwicklung jedes einzelnen Menschen, sondern an vielen Orten der Welt auch im Besonderen für Frauen und Mädchen. „Englisch für Anfänger“ ist ein Film darüber, wie allein das Lernen einer Sprache zu mehr Selbstbewusstsein und Mut beitragen kann und wie traditionelle Rollenzuschreibungen dadurch ins Wanken geraten.
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Meinungen

Hodali, Ingrid · 03.07.2013

Der Film hat mich sehr angesprochen, die Art der Emanzipation, die die Hauptfigur erfährt, ist nicht unbefriedigend, wenn auch für die heutige Zeit vielleicht nicht "radikal" genug. Durch den Film könnten Menschen ermutigt werden, Fremdsprachen auch nach der Jugendphase zu erlernen, in der heutigen Zeit bestimmt ein Erfordernis. Ich habe selbst 25 Jahre lang Fremdsprachen gelehrt und weiß daher einiges über die Art und Weise, wie Menschen auch für einen schwierigen Lernprozess wie das Bemühen um eine Fremdsprache motiviert werden können. - Technisch-künstlerisch finde ich den Film ordentlich; recht gelungen ist aus meiner Sicht die Charakterzeichnung bis in die Nebenrollen hinein. Ich würde den Film empfehlen für alle, die ein bisschen nette Entspannung im Kino suchen und gleichzeitig nicht abgeneigt sind, sich ein paar Gedanken um einige aktuelle Themen zu machen.