Einer nach dem anderen

Nils räumt auf

Der schwedische Schneeräumwagenfahrer Nils (Stellan Skarsgård) ist glücklich in Norwegen. Er mag seine Arbeit, wurde gerade erst von seiner kleinen Gemeinde zum Bürger des Jahres ernannt und liebt seine Frau Gudrun (Hildegard Riise). Dann wird Nils‘ Sohn Ingvar mit einer Überdosis tot aufgefunden. Während sich seine Frau in ihrer Trauer vergräbt, ist Nils überzeugt, dass sein Sohn kein Junkie war. Aber die Polizei sieht in ihm nur einen Vater, der die Wahrheit nicht anerkennen will, um eigenes Versagen zu kaschieren. Nils ist daher kurz davor aufzugeben – und alles in Hans Petter Molands Einer nach dem anderen deutet auf ein Familiendrama vor der verschneiten Landschaft Norwegens hin. Dann erfährt Nils jedoch von einem Freund (Tobias Santelmann) seines Sohnes, dass dieser von Gangstern ermordet wurde. Daraufhin begibt er sich auf einen Rachefeldzug und mordet sich die Verbrechensleiter nach oben – und aus dem Familiendrama wird eine blutige Gangstergeschichte.
Mit viel schwarzem Humor gewürzt, der nicht nur an die Coens und Tarantino, sondern vor allem an Anders Thomas Jensen denken lässt, erzählt Hans Petter Molands Film die Geschichte eines normalen, braven Bürgers, der zum Rächer wird. Jedoch ist Einer nach dem anderen (der auf der Berlinale 2014 unter dem Titel Kraftidioten im Wettbewerb zu sehen war) nicht ein bloßes Morden nach Nummern, sondern die Reihenfolge des Ablebens der Gangster ist Strukturprinzip: Zu jedem Toten wird ein Zwischentitel mit Nummer, seinem bürgerlichen sowie Gangsternamen eingeblendet. Außerdem versammelt der Film eine Reihe von amüsanten Figuren. Dazu gehört der oberste Gangsterboss Greven (Pål Sverre Hagen, Kon-Tiki), der seine Stellung dem Erbe seines Vaters zu verdanken hat, aber selbst soziopathische Züge zeigt. Bemüht um einen schicken, veganen Lebensstil mit Karottensaft und Kunst an den Wänden, bricht die Gewalt beständig aus ihm heraus. Pål Sverre Hagen verleiht ihm eine leicht übertriebene Extravaganz sowie ausgefeilte Manierismen, mit denen er sich zwar beständig hart an der Grenze zur Karikatur bewegt, sie aber niemals überschreitet.

Als Greven erfährt, dass immer mehr Mitglieder seiner Gang ermordet werden, tippt er darauf, dass die Serben den Frieden in der Region ignorieren und lässt deshalb einen ihrer Kuriere entführen und ermorden. Dieser war aber wiederum nicht einfach ein Kurier, sondern der Sohn des obersten serbischen Bosses mit dem bezeichnenden Namen Papa (Bruno Ganz), so dass dieser Rache schwört – „Sohn für Sohn“. Und damit ist der Film wieder bei einem Familiendrama angekommen – jedoch ist der trauernde Vater dieses Mal kein Schneeräumwagenfahrer, sondern ein serbischer Gangsterboss, den Bruno Ganz mit Souveränität, Ironie und Gelassenheit spielt.

In Einer nach dem anderen geht es um Väter und Söhne, es spritzt viel Blut, auch wird die Grenze des Humors wenigstens einmal überschritten – es ist nicht lustig, wenn man einer Frau ins Gesicht schlägt–, aber neben dem typisch skandinavischen, schwarzen, derben Humor besitzt der Film einige ideenreiche Seitenhiebe auf den norwegischen Wohlfahrtsstaat, auf Gleichberechtigung und den modernen Lebensstil. Dadurch sind in genregemäßen Szenen oft originelle Kleinigkeiten zu finden: Nachdem seine Gefolgsleute einen Serben entführt haben, kommt Greven zu dem Ort, an dem er festgehalten wird. In typischer Zeitlupe wird sein Gang zu dem geschundenen serbischen Gangster gefilmt – schließlich kommt hier der Boss –, aber Greven trägt statt einer Waffe ein Papptablett voller Kaffeebecher, die seine Bedrohlichkeit konterkarieren. Es gibt witzige Dialoge über die Diskrepanz von Sonne und Wohlfahrt – es gebe kein Land, in dem beides zu haben sei, sogar Kalifornien ist pleite – und die gute Versorgung in norwegischen Gefängnissen, in denen die Insassen nicht nur zu essen, sondern sogar kostenlose Zahnbehandlungen erhalten. Und beim Anblick einer Leiche kommt es schon einmal zu einer Diskussion, ob es eine Provokation war, den ermordeten Serben an ein Schild mit der Zahl 1389 zu hängen (aber niemand der Norweger weiß wohl, dass in diesem Jahr die Schlacht auf dem Amselfeld war).

Dadurch bewegt sich Einer nach dem anderen stets innerhalb des Genres, fügt ihm aber anders als beispielsweise Jackpot eigene Ideen hinzu. Dazu gehört auch der Einsatz von Nils’ Schneemobil, das vom Arbeitsplatz zum Ort der Einsamkeit und des Rückzugs letztlich zu einer Waffe wird. Darüber hinaus setzt Hans Petter Moland die düsteren Taten stets in Kontrast zu der schneebedeckten, unschuldigen und rauen Landschaft Norwegens, die Kameramann Philip Øgaard (Nord, Ein Mann von Welt) in bestechend schöne Bilder fasst. Daher ist diese staubtrockene, lakonische Gangsterkomödie voller unterkühlter und stoischer Lässigkeit – und hat ein Ende, das ein Auftakt zu einem zweiten Film sein könnte.

(Sonja Hartl)

Wir haben ein Gespräch mit Regisseur Hans Petter Moland über seinen Film geführt. Das Interview finden Sie unter:
kino-zeit.de/blog/b-roll/der-film-ist-ein-maerchen-ein-interview-mit-hans-petter-moland

Einer nach dem anderen

Der schwedische Schneeräumwagenfahrer Nils (Stellan Skarsgård) ist glücklich in Norwegen. Er mag seine Arbeit, wurde gerade erst von seiner kleinen Gemeinde zum Bürger des Jahres ernannt und liebt seine Frau Gudrun (Hildegard Riise). Dann wird Nils‘ Sohn Ingvar mit einer Überdosis tot aufgefunden. Während sich seine Frau in ihrer Trauer vergräbt, ist Nils überzeugt, dass sein Sohn kein Junkie war.
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Meinungen

Martin Zopick · 22.02.2020

Ungewöhnlicher Plot: weil der Sohn des Schneepflugfahrers Nils (Stellan Skarsgard) gewaltsam von Gangstern mit Drogen vollgepumpt worden war und die Polizei glaubt, er sei ein Junkie gewesen und nichts unternimmt, sucht Nils die Mörder seines Sohnes selbst. Dadurch löst er einen Krieg zwischen zwei Mafiaclans aus: dem Norwegischen unter dem Grafen Ole (P. S. V. Hagen) und dem Serbischen unter Papa (Bruno Ganz).
Was der deutsche Titel verheißt, hält er auch. Nils beseitigt der Reihe nach alle die mit der Ermordung seines Sohnes zu tun hatten. Seine Ehe geht derweil zwar in die Brüche, aber Nils kann außer seinem eigenen das Überleben von Papa und Oles Sohn sichern. Der Originaltitel betont mit ‘Vollidioten‘ eine ironische Sichtweise des Ganzen.
In diesem skandinavischen Winterfilm geht es dennoch recht heiß zu – nicht nur im Finale. Auch Oles Frau Marit (Birgitte H. Sorensen) die mit ihrem Ex gerade einen Rosenkrieg führt, kriegt schon mal was aufs Maul, wenn sie sich mucksig macht. Das gesamte Ensemble bringt es voll. Besonders Ole spielt sogar Bruno Ganz an die Wand. Er balanciert auf dem schmalen Grat zwischen bestialischer Mordlust und einschmeichelnder Ironie.
Zwei Schmankerl hält Regisseur H.P. Moland dann noch bereit: ein Toter hängt an einem Schild mit der Höhenangabe 1389 ü. M. Die Jahreszahl erinnert alle Serben an ihren vermeintlichen Sieg auf dem Amselfeld. Eine Provokation also.
Und der allerletzte Mafioso landet via Gleitschirm vor Nils Schneepflug….
Heiße Spannung in Eis und Schnee.

wignanek-hp · 11.05.2017

Schade, dass dieser Film nur so kurz in den Kinos lief. Ich habe mich köstlich amüsiert. Ein Schneemobil als Mordinstrument ist schon sehr skurril. Und dann Pal Sverre Hagen als veganem Gangsterboss, alleine dafür lohnt sich der Film. Man darf aber nicht vergessen, dass dieser skandinavische Humor nicht jedermanns Sache ist. Meine Nachbarin im Kino fand das wohl insgesamt nicht so witzig und hat nach der Vorstellung fluchtartig den Saal verlassen.