Eine flexible Frau

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Don Quichotte in der Hartz-IV-Gesellschaft

Greta M. ist Anfang vierzig und eine moderne, emanzipierte Berlinerin. Sie ist Mutter eines zwölfjährigen Sohnes, geschieden, Architektin und gerade gekündigt worden. Greta M. kämpft. Um sich selbst, ihre Integrität und bald auch Identität. Um ihren Sohn, der sie nicht an ihn ran lässt, um einen neuen Job, gegen das Absteigen ins Hartz-IV-Niemandsland und gegen Freunde, die selbst zu ertrinken drohen oder sich wunderbar der Mittelklasse angepasst haben, Kinder und Wohnung im Prenzlauer Berg inklusive. Gefangen zwischen Existenzangst und dem Druck sich für den Arbeitgeber anpassen zu müssen –flexibel zu sein – und dem Bedürfnis, sich nicht für jeden Scheiß zu verbiegen, driftet Greta hin und her. Ihre Arbeitsmarkt Tour de Force beginnt in einem Call Center für Fertigbauhäuser und führt über Agenturen, Architekturbüros, die Schule des Sohnes durch die ganze Stadt und durch die gesamte Bandbreite an Emotionen. Paranoia und Statusangst ersäuft sie in Alkohol. Dabei gerät sie auf ihrer Suche zunehmend in absurde Situationen, die zum Teil wahnsinnig witzig, zum Teil aber auch einfach nur erschreckend sind.
Eine flexible Frau ist eine Studie über die Situation der postmodernen Frau. Makellose, rückgratbefreite Dienstleisterinnen, Muttertiere, Dazuverdienerinnen, Freiberuflerinnen. Aufbrüche, Neuanfänge, Alternativen sind nicht in Sicht. Maximal der Status Quo kann gehalten werden und wenn der wie in Gretas Fall auch kippen droht, ist man niemand mehr. Greta ist eine Frau ohne Auftrag. In einer Dienstleistungsgesellschaft ist man damit nichts.
Tatjana Turanskyjs Erstlingswerk erzählt mit spröder Sperrigkeit das Verlorengehen der Greta M.. Die Dialoge sind kantig und eigenartige getimt, die Performances muten hölzern an. Auf ihrer Suche nach einem neuen Job, einer Berechtigung zu Sein, stolpert Greta durch Berlin und trifft auf viele Frauenschicksale. Keine ist glücklich, erfüllt. Im Gegenteil das Gefühl von Funktion macht sich breit. Frauen als Dienstleistungsroboter, die dienen nur eben nicht mehr als brave Hausfrauen, sondern als Agenturhäschen. So funktionalisiert Turanskyi ihre Protagonistinnen, die robotisch funktionierende, ihr Programm abspulende, und verloren gegangene Dienstleisterinnen sind. Es scheint als habe das moderne, emanzipierte Arbeitsleben eine perverse Wende genommen, eine Erscheinung gegen die sie die Protagonistin wehrt, obwohl sie schon längst Opfer des Systems geworden ist.

Eine flexible Frau ist schwierig anzusehen und so wie die Hauptfigur mehr und mehr verwest, so zerfällt auch das erzählende Element und macht Platz für ein beklemmendes Grundgefühl und eine intuitive Erfahrung, die die Filmemacherin mitzuteilen versucht. Ob das gelingt, liegt aber einzig an der Geduld und am Willen des Zuschauers sich durch das harte, spröde Werk zu quälen. Hilfreich dabei ist die ab und zu aufblitzende Situationskomik, wenn einzelne Bilder oder Phrasen auf wunderbar intelligente Weise den Ist-Zustand der Berliner Gesellschaft entlarven. Trotzdem, der Film ist harte Kost.

Eine flexible Frau

Greta M. ist Anfang vierzig und eine moderne, emanzipierte Berlinerin. Sie ist Mutter eines zwölfjährigen Sohnes, geschieden, Architektin und gerade gekündigt worden. Greta M. kämpft. Um sich selbst, ihre Integrität und bald auch Identität.
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Meinungen

Jan · 05.01.2011

Sehr spannender Film. Manche Szenen sind grandios und die Geschichte ziemlich verdreht. Unbedingt reingehen. Deutscher Underground at its best.