Easy Money

Eine Filmkritik von Lida Bach

Der große Leichtsinn

Schnelles Geld. Schnell wie die Drogengeschäfte, die Jorge in den Knast gebracht haben. Schnell wie der Ausbruch, der ihn wieder raus gebracht hat. Schnell wie der finale Deal, den der chilenische Drogenexperte Jorge (Matias Padin Varela) plant. Schneller als die Polizei und die serbische Konkurrenz, die hinter ihm her sind. Jorge will nicht mehr der kleine Dealer sein. Einzig das zählt – das und seine Schwester Paola (Annika Whittembury), die ein Kind erwartet. Jorge kennt den Gangster Radovan, der ihn einst verraten hat, und er kennt ein bedeutendes Drogenversteck. Das Risiko hingegen kennt er nicht.
Leichte Einnahmen. Leicht wie das Leben eines Sohns reicher Eltern, als der sich JW (Joel Kinnaman) ausgibt. Leicht verdient, noch leichter ausgegeben für Designeranzüge, die JW heimlich umnäht, für die elitäre Clique, mit der er sich umgibt, für die wohlhabende Erbin Sophie (Lisa Henni), die nicht wissen darf, dass er nachts ohne Registrierung Taxi fährt. JW will nicht der Finanzwirtschaftsstudent Johan Westlund sein. Er hat Kontakte zu den Käufern und zu dem Drogenboss Abdulkarim (Mahmut Suvakci), dem sein Taxiunternehmen als Fassade dient. Ahnung vom Geschäft hat er nicht.

Unkomplizierte Bezahlung. Unkompliziert wie Mrados (Dragomir Mrsic) Arbeit für die serbischen Drogenhändler, bevor Abdulkarim nach dem Markt griff. Unkompliziert wie sein Schläger-Job, bevor überraschend Mrados kleine Tochter Lovisa (Lea Stojanov) auftauchte. Mrado will nicht mehr der ausgebeutete Handlanger sein. Er weiß, dass er für Radovan (Dejan Cukic) Jorge und die Drogen beschaffen muss. Er weiß, dass er Lovisa mitnehmen muss auf der Jagd nach Jorge und dem gerissenen Taxifahrer, der ihm geholfen hat. Dass Radovan auch ihn verraten wird, weiß er nicht.

Alle wollen es. Nicht nur Mrado, JW und Jorge, sondern auch Daniel Espinosa: Easy Money. Das große Geld, leicht und schnell. Regisseur und Protagonisten haben jeder für sich die ideale Schliche ausgelegt. „Snabba Cash“ nennt Jens Lapidus in seinem Bestseller die Beute, auf die es Espinosa und seine Protagonisten abgesehen haben, sei es durch einen Drogendeal oder die Verfilmung des Romans darüber. Doch unter der strahlenden Politur wartet die schäbige Realität, in der die Protagonisten nichts gewinnen, der Film dafür umso mehr. Easy Money ist nicht Stockholm-Dekadenz, sondern Stockholm-Noir. Vereitelt durch menschliche Schwäche und den Spott eines zynischen Schicksals verschmelzen der sauber kalkulierte Coup und der scheinbar so kalkulierte Reißer darüber zu einem Kriminaldrama, menschlich und filmisch, in dem Diebesehre, Werte und alles andere verloren scheinen, nur nicht trügerische Illusionen. Das Kernmotiv der Handlung etablieren die verschlungenen Fäden des Plots, noch bevor es der Titelschriftzug nennt. Easy Money ist da nur noch bittere Pointe.

Von Anbeginn ist Espinosa hautnah an seinen Charakteren, bis nur deren eigener Mikrokosmos existiert und die Motive, die ihn lenken. Grundverschieden scheinen sie äußerlich und gleichen sich dennoch auf fatale Weise. Sie alle versinken tiefer im gesellschaftlichen Morast bei dem Versuch herauszukommen. Am Ende steht das Wasser allen bis zum Hals und raubt im fulminanten Schlussakt Protagonisten und Zuschauern gleichermaßen den Atem. Die reflektierenden Fassaden werden zum Symbol für die Verblendung der Charaktere. Der narzisstische Zerrspiegel zeigt ihnen die eigene geringe Existenz, umrahmt von dem Glanz, den sie erstreben. Espinosas Adaption von Jens Lapidus gleichnamigem Bestseller löst sich zum eigenen Vorteil von der literarischen Vorlage, um sich den filmischen Bedingungen hinzugeben. Hektische Schnitte und die nervöse Kamera vermitteln die Anspannung jener anderen Form des Lebenserwerbs. Denkbar verschiedenen Hintergründen entspringen ihre Lebenswege, die sich auf dem Weg zum gleichen Ziel überschneiden.

Scheint die Kaltblütigkeit eines Charakters im rasanten ersten Akt etabliert, offenbaren scheinbar nebensächliche Momente seine Menschlichkeit. Verrat, Korrumpierbakeit und vertrackte Moral, die der übergreifenden Amoral zuwiderläuft, führen zu einem irisierenden Scheitern, in dem Diebesehre und Werte so leicht geopfert werden wie Leben.

Easy Money

Schnelles Geld. Schnell wie die Drogengeschäfte, die Jorge in den Knast gebracht haben. Schnell wie der Ausbruch, der ihn wieder raus gebracht hat. Schnell wie der finale Deal, den der chilenische Drogenexperte Jorge (Matias Padin Varela) plant.
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