Dschungelkind

Eine Filmkritik von Lida Bach

Nach fünf im Urwald

„Wir sind im Dschungel, Dschungel, Dschungel!“, singen Sabine und ihre Geschwister. Nicht im Großstadtdschungel, sondern im indonesischen Urwald in West-Papua. Am wildesten jedoch sind die Stereotypen und die verbrämte Romantisierung, mit der Roland Suso Richter das Dschungelkind Sabine und ihre Geschichte inszeniert. Die Vorlage dazu liefert das ehemalige „Dschungelkind“ Sabine Kuegler persönlich, auf deren autobiografischen Erfolgsroman das über zweistündige Kinoabenteuer basiert.
Mitte der siebziger Jahre reist Klaus Kuegler (Thomas Kretschmann) mit seiner Frau Doris (Nadja Uhl), der 8-jährigen Sabine (Stella Kunkat), ihrem kleinen Bruder Christian (Tom Hoßbach) und der jugendlichen Schwester Judith (Milena Tscharntke) in den tiefsten indonesischen Urwald. Dort lebt die Familie beim Volk der Fayu, deren Sprache der Wissenschaftler Klaus erforscht. Hier kann die deutsche Familie Robinson tolle Abenteuer erleben: an Lianen schwingen, spottbillig exotisch essen. Und alles Bio. Mutter Doris kocht und putzt als Dschungel-Hausfrau in der Holzhütte und die Kinder erhalten sogar Schulunterricht. Statt einander zu verfluchen, wie es die Fayu tun, wird Händchen gehalten: „Piep, piep, piep. Wir haben uns alle lieb.“ Vor allen Gefahren der Wildnis sind die Europäer hier sicher. Ein beim Stammeskrieg verschossener Pfeil trifft schlimmstenfalls das gelbe Plastiksieb. Das ist dann schon ärgerlich. Wer weiß, wann die nächste Tupper-Party ist?

Dass eine unüberwindbare Grenze die Weißen von dem Naturvolk abhebt, stellt Doris unmissverständlich klar: „Wir sind die Schweiz!“ Ihre Hütte symbolisiert den letzten Stützpunkt der Zivilisation vor der Wildnis, einen Hort einstiger Kolonialherren, an dem noch gesittetes Verhalten herrscht. Die Eingeborenen hingegen laufen nackt durch den Wald, der eine macht den andern kalt. Was Vergebung ist, müssen die Fayu erst von Sabines Vater vermittelt bekommen. Der noble Weiße steht den als Klischee der „edlen Wilden“ inszenierten Fayu als sinnbildliche Heiligenfigur gegenüber, der Todgeweihte dank westlicher Medizin ins Leben zurückholt, Mitgefühl lehrt und Stammeskriege beendet. Ein guter Geist habe ihren Vater gebracht, sagt der Eingeborene Auri dem „Dschungelkind“ Sabine.

Bevor seine Zuneigung zu der mittlerweile Erwachsenen Konfliktstoff in die schleppende Handlung bringen könnte, stirbt er praktischerweise, was Sabine, quasi als kleiner Bonus, eine hübsche Liebestragödie für ihren späteren Roman verschafft. Ebenso abrupt verschwindet Sabines Schwester Judith. Die Anpassungsschwierigkeiten, unter denen das Älteste der Kinder leidet, banalisiert die Handlung verschämt. Die zentrale Problematik der Thematik eines sogenannten Drittkulturkindes verleugnet Dschungelkind kurzerhand. So glücklich wird Sabine hier, als denke sie schon jetzt an die Einnahmen aus ihren späteren Bestsellern Ruf des Dschungels, Das Dschungelabenteuer und allen voran Dschungelkind.

Die um rund eine Stunde gekürzte Fernsehfassung kaschiert womöglich das volle Ausmaß der Arroganz, mit welcher die selbstgerechte Mischung aus Familienfilm und Abenteuerromanze die vermeintliche Überlegenheit der westlichen Zivilisation gegenüber der fremden inszeniert. Dafür hat Kueglers Erfolgsroman eine neue Werbezeile: Jetzt auch als Kinofilm!

Dschungelkind

„Wir sind im Dschungel, Dschungel, Dschungel!“, singen Sabine und ihre Geschwister. Nicht im Großstadtdschungel, sondern im indonesischen Urwald in West-Papua.
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Meinungen

sunrise · 26.03.2011

ach hdf unter mir...cooler film

Claudia · 17.02.2011

Die Autorin bietet sich auf ihrer Homepage als Werbeträger für Naturprodukte an. Die Autorin bietet Lesern an auch ihre Lebensgeschichte zum Erfolg zu machen. Der Vater war kein Missionar sondern arbeitete für die Wiclef-Sekte. Ziel: die Bibel in alle Sprachen übersetzen. Der Kügler-Dschungel ist eine Lüge: direkt daneben entstand ein Industriekombiant. Kein Wort davon. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat vor diesem Buch gewarnt.Ich warne auch. Die Autorin, die behauptet sie habe im Dschungel überlebt aber könne in der Stadt keinen Tag überleben, ist Geschäftsführerin eines Betriebs der eigenen Aussagen zufolge Träume vermarkten will. Was Sabine Kuegler darüber hinaus den Fayu mit ihren vereinfachenden und romantisierenden (und eklatant dummen!) Erklärungen antut, steht auf einem anderen Blatt. Das kann man bei der Gesellschaft für bedrohte Völker in den Infoblättern oder auf der Homepage nachlesen.