Dorfpunks

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Waren wir nicht alle ein bisschen Punk?

Nach Am Tag, als Bobby Ewing starb versucht sich Lars Jessen erneut an einem Ausflug in die Subkultur der bundesdeutschen Achtziger Jahre. Und dürfte dabei bei allen, die damals mitten in der Pubertät steckten und heute um die 40 Jahre alt sind, für manchen wohligen Erinnerungsschauer sorgen. Die Verortung der Geschichte an der Ostseeküste tut dabei dem Identifikationspotenzial keinen Abbruch, ähnliche Punkkarrieren gab es in der niederrheinischen Provinz genauso wie in Schwaben (ich erinnere mich genau) und im tiefsten Niederbayern. Was Punk wirklich war (nicht umsonst wird im Film gleich mehrmals die Frage „Ist das Punk?“ gestellt), darauf gibt auch der Film keine endgültige Antwort, sondern belässt es dabei, unterschiedliche „Punk-Karrieren“ zu schildern. Trotz dieses Mankos vermittelt Dorfpunks ein stimmiges Zeitbild der Achtziger in der Provinz.
Sommer 1984 in Schmalenstedt, einem Ort in der Holsteinischen Schweiz an der Ostsee: Malte Ahrens alias „Roddy Dangerblood“ (Cecil von Renner), der die Schule abgebrochen hat und nun mehr oder minder lustlos eine Töpferlehre herunterreißt, hängt mit seinen Freunden Fliegevogel (Ole Fischer), Sid (Pit Bukowski), Flo (Daniel Michel), Piekmeier (Laszlo Horwitz) und Günni (Samuel Auer) nachmittags am liebsten in einem kleinen Waldstück ab. Was die Freunde verbindet, ist das Punksein als Revolte gegen die Ödnis des Dorflebens, das Saufen, die Lust am Kostüm und das Provozieren der braven Dorfspießer. Bis eines Tages die Idee entsteht, eine Punkband zu gründen. Ohne Talent, aber mit viel Enthusiasmus stürzen sich die Punks auf ihr Ziel, das Ruhm, Geld und ein Entkommen aus der Enge Schmalenstedts verspricht. Doch der erste Auftritt der Band gerät zu einem Desaster. Und schnell zeigt sich, dass die Bandmitglieder sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was es bedeutet, Punk zu sein…

Die rebellische Haltung des Punk und das öde Leben auf dem Dorf – irgendwie vertrugen sich diese beiden Lebenshaltungen nie wirklich miteinander. Punk, das war London, Großstadt und die späten Siebziger. Mitte der Achtziger, als der Punk endlich seinen Weg nach Schmalenstedt findet, ist das alles eigentlich längst schon wieder vorbei, ist die Karawane des Zeitgeistes längst weiter gezogen. Und wenn man Lars Jessens Film genau unter die Lupe nimmt, dann spürt man etwas von dieser Melancholie, von der Ahnung, dass die eigene Rebellion ins Nichts führt, reine Pose ist, pure Folklore und ein Anrennen gegen die Langeweile und die Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens. Im Prinzip war die Vergötterung des Dilettantismus des Punk eine Fortführung von Andy Warhols Diktum, dass in der Mediengesellschaft jeder die Chance hat, für fünfzehn Minuten zum Star zu werden. Ein Traum, der auch heute noch dank Casting-Shows immer noch nicht ausgeträumt ist.

Vo alkoholbedingten Kollateralschäden auf Partys einmal abgesehen, sind die Jungs in Lars Jessens Verfilmung von Rocko Schamonis Buch eigentlich herzensgute Kerle, deren Aufbegehren gegen die Ordnung niemals wirklich abgleitet, sondern als ganz normale Begleiterscheinung der Pubertät verstanden werden will und muss. Die Explosivität des Punk, seine anarchistisches Sprengkraft und seine nihilistische Haltung verlieren sich hier im Rausch der Hormone und Promille. Das ist einerseits schade, andererseits beschreibt es aber genau das, was einige Zuschauer selbst erlebt haben dürften: Punk als Mischung aus jugendlicher Rebellion, Frust wegen der Enge der eigenen Lebensperspektiven und Karneval, bevor der Ernst des Lebens beginnt. Wenn man den historischen Background und die Akzente ein wenig verschiebt und den Soundtrack und die Kostüme gegen anderes Beiwerk eintauscht, könnte der Film genauso gut von Teddyboys, Skindheads oder anderen jugendlichen Subkulturen erzählen.

Und genau das ist zugleich die große Stärke und die Schwäche des Films: So treffend er die Punkszene und die Zeit auch beschreibt, so sehr bleiben die einzelnen Figuren doch holzschnittigartig und unscharf konturiert. Vielleicht auch deswegen, weil man gerne mehr über die Hintergründe der Punks erfahren hätte und nur zu gerne wüsste, was aus manchem von ihnen geworden ist.

Wer alt genug ist und selbst die Achtziger irgendwo in der Provinz erlebt hat, für den ist Dorfpunks ein bisschen wie ein Klassentreffen nach zwanzig Jahren: Der Film ist Erinnerung an eine wilde Zeit, Ernüchterung, weil die Euphorie der Jugend sich gelegt hat und Erstaunen oder Erschrecken darüber, was aus einem selbst geworden ist.

Dorfpunks

Nach Am Tag, als Bobby Ewing starb versucht sich Lars Jessen erneut an einem Ausflug in die Subkultur der bundesdeutschen Achtziger Jahre. Und dürfte dabei bei allen, die damals mitten in der Pubertät steckten und heute um die 40 Jahre alt sind, für manchen wohligen Erinnerungsschauer sorgen.
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Meinungen

danijel · 15.06.2009

richtig guter film, ende ist ein wenig unspektakulär, aber die erste hälfte weiß zu überzeugen. trailer gibt es auf youtube oder auf der internetseite zum film, ebenso sind dort einzelne szenen des filmes zu finden.

http://www.dorfpunks-der-film.de/

itsme · 26.02.2009

Schade kein Trailer. Kommt der noch?