Die Schachspielerin

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Die Lust an einer guten Partie

Schach ist etwas für Männer. Dachte man. Aber spätestens seit diesem Film dürfte das Spiel um Dame und König in neuem Licht erscheinen. Caroline Bottaro zeichnet in ihrem sehenswerten Langfilmdebüt Die Schachspielerin ein vibrierend sinnliches Bild von der weiblichen Lust an einer guten Partie.
Hélène (Sandrine Bonnaire) arbeitet als Zimmermädchen in einem Hotel auf Korsika und nebenher als Putzfrau bei Doktor Kröger (Kevin Kline). Ihr Leben erlaubt keine großen Sprünge. Aber der in sich ruhenden, eine spröde Zufriedenheit ausstrahlenden Frau fehlt es eigentlich an nichts. Das ändert sich, als sie eines Tages ein Paar beim Schachspiel beobachtet. Die Szene brennt sich so in ihr Inneres, dass von nun an nichts mehr bleibt, wie es war. Weil ihr Ehemann keinen Gefallen an den unendlichen Variationen auf den 64 Feldern findet, überredet Hélène den mürrischen Kröger, ihr die Grundlagen und Kniffe beizubringen.

Es ist allerdings keine gewöhnliche Partie, die sich das unbekannte Paar auf dem Balkon des Hotelzimmers liefert. Die beiden scheinen dem Spiel viel mehr abzugewinnen als nur ein paar angestrengte Gedanken. Was Hélène da sieht, ähnelt einem erotischen Akt – so lustvoll die Blicke, so verführerisch die Bewegungen, so lässig das Negligé, dessen Träger die Frau immer wieder fallen lässt. Und Hélène steht im Zimmer, schaut durch die Gardine auf den Balkon, wie eine Voyeurin auf etwas ebenso Verlockendes wie Verbotenes.

Die Schachspielerin / Joueuse basiert auf dem gleichnamigen Roman von Bertina Henrichs. Aber wenn man das nicht wüsste, würde man es nicht vermuten. Denn die Regisseurin liefert keine Literaturverfilmung, sondern arbeitet mit genuin filmischen Mitteln. Alle Hoffnungen und Zweifel, alle aufkommenden Sehnsüchte der Hauptfigur werden über Gesten und Blicke, über ein zärtliches Licht und sonnengetränkte Farben erzählt. Sie hüllen Hélènes plötzlich aufbrechende Besessenheit in einen erotischen Schleier. Es hat ja tatsächlich mit einem Tabubruch zu tun, was die Protagonistin da wagt: Ein Talent in sich zu entdecken, das ihr Leben völlig verändert. Die Ehefrau und Mutter, die nur für andere da war, reklamiert nun einen Bereich ihres Lebens für sich allein. Es ist, als sei der wahre Kern ihrer Persönlichkeit aus einem Dornröschenschlaf geküsst worden.

Es gehört zu den großen Stärken des Films, dass Sandrine Bonnaire und Kevin Kline ihr Spiel so facettenreich anlegen. Das Mit- und Gegeneinander am Schachbrett setzt Zug um Zug persönliche Veränderungen in Gang, wie man sie keiner der Figuren zugetraut hätte. Kevin Kline – mit grauem Vollbart kaum wiederzuerkennen — wird vom arroganten Menschenhasser zum charmanten Mentor. Und Sandrine Bonnaire schafft es, ihre Hélène in einer glaubwürdigen Balance zu halten zwischen dem Lockruf des Neuen und dem Festhalten dessen, was gut war. So wird aus den erotisch unterfütterten Schachpartien keine banale Dreiecksbeziehung, sondern eine Wahlverwandtschaft, die ihre Grenzen kennt.

Es ist ein bewusst weiblicher Blickwinkel, aus dem Regisseurin Caroline Bottaro die Szenen am Schachbrett entwirft. Von Konkurrenz, Verbissenheit oder nicht verlieren Können ist über lange Strecken nichts zu spüren. Erst ganz am Ende brechen Elemente durch, die man in einer Männerdomäne von Anfang an vermutet hätte. Da wird geblufft und gerangelt, da treiben die Psychotricks ihr wucherndes Unwesen. Aber zu diesem Zeitpunkt spielt Hélène schon so souverän, dass sie sich durch nichts und niemanden abbringen lässt von einer tiefen Überzeugung: „Die Dame ist die stärkste Figur beim Schach“.

Die Schachspielerin

Schach ist etwas für Männer. Dachte man. Aber spätestens seit diesem Film dürfte das Spiel um Dame und König in neuem Licht erscheinen. Caroline Bottaro zeichnet in ihrem sehenswerten Langfilmdebüt „Die Schachspielerin“ ein vibrierend sinnliches Bild von der weiblichen Lust an einer guten Partie.
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Meinungen

Michael von Nitz · 18.02.2010

Charmanter kleiner film mit phantastisch praesenten Hauptdarstellern , tadellos und liebevoll im Detail und durch subtile Inszenierung eine dadurch noch machtvollere Ode an das gefangene Individuum in uns allen. Absolut sehenswert.

peter · 14.01.2010

einfach super toll

Bernd · 10.01.2010

Schachmatt... durch die Dame im Spiel

Ein sensationell guter Film, der einen von der ersten Sekunde an in seinen Bann zieht ... und das mit einfachsten Mitteln ... wie das Schachspiel ... kleine Gesten, die viel andeuten... Sandrine Bonnaire spielt unglaublich, aus ihrem Gesicht kann man alles lesen, für diese Rolle hätte sie jeden Filmpreis verdient. Auch Kevin Kline spielt brilliant. Der Film ist bis in die kleinste Rolle hervorragend besetzt und offenbart bei genauerem Hinsehen viele Details und Wünsche von Menschen, die in einem bestimmten Milieu leben, eine wunderbare Studie über das Leben und die Liebe an sich und vieles mehr ... ansehen, faszinieren lassen !! Ein ungewöhnlicher und hervorragender Film !

cindarella · 07.01.2010

Wann wird die welt begreifen, dass wir "beides" sind, das, was wir ausdruecken . also sichtbar machen - aber auch das gegenteil davon.