Die Männer der Emden

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein Abenteuer ohne Helden

Wenn der Erste Weltkrieg Thema des Kinos ist, wirkt das Ergebnis meist weniger wie ein Kriegs- und eher wie ein Historienfilm. Zu weit liegen die Ereignisse zurück, zu fremd sind uns Kostümierung und Umgangsformen. So verhält es sich auch mit Die Männer der Emden, der vor allem durch seine Spielorte und Ausstattung überzeugt. Eine Beziehung zu den Protagonisten dieses Abenteuers aufzubauen, fällt jedoch schwer. Und dies liegt nicht nur an der gefühlten Distanz zu der vergangenen Epoche.
Regisseur Berengar Pfahl erzählt die erstaunliche Geschichte der Besatzung des Marinekreuzers Emden. Nachdem ihr Schiff im indischen Ozean gesunken ist, begeben sich die etwa fünfzig Matrosen auf eine rund 13.000 Kilometer lange Odyssee über das Meer und durch die Wüste. Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke (Sebastian Blomberg) führt seine Männer souverän durch die lauernden Gefahren und lässt sich seine Zweifel in Anbetracht des scheinbar ausweglosen Unterfangens niemals anmerken. Hunger, Durst und feindlichen Angriffen zum Trotz setzen Die Männer der Emden ihre Reise in die Heimat fort.

Pfahls Film bietet neben der historischen Erzählung wenig interpersonelle Handlungselemente. Den meisten Raum nimmt das Verhältnis der Offiziere Karl (Ken Duken) und Friedrich (Jan Henrik Stahlberg) ein, doch wächst sich dieses nie zu einem Subplot aus, der neben der abenteuerlichen Reise einen zweiten Spannungsbogen erschaffen könnte. Die Figuren bleiben insgesamt recht eindimensional, der Großteil der Schiffsbesatzung besteht aus einer anonymen Masse. Daher fällt es schwer, die Hauptfigur des Konzepts zu benennen. Von Mücke steht als Erzähler der Geschichte klar im Vordergrund. Doch verleiht er nicht nur den ihm unterstellten Soldaten, sondern auch dem Kinopublikum kaum Einblick in sein Innenleben. Seine abgeklärte, manchmal gar arrogante Haltung lässt wenig Raum für sichtbare Zweifel, ohne die er jedoch Authentizität und Menschlichkeit einbüßt. Als derart eindimensional konstruierte Figur kann er dem Zuschauer kaum Sympathie abringen.

Die komplexeste Figur bringt Ken Duken mit Karl Overbeck auf die Leinwand. Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten zeigt der Offizier verschiedene und zuweilen auch widersprüchliche Emotionen. Die Sehnsucht nach seiner Verlobten, der Konflikt mit seinem Freund Karl und die innere Zerrissenheit zwischen Gehorsam und Zweifeln machen ihn sympathisch und bilden den einzigen Anknüpfungspunkt für eine emotionale Einfühlung des Zuschauers. Vollkommen fehl am Platz ist hingegen Sibel Kekilli als türkische Wissenschaftlerin, die nicht nur fließend deutsch spricht, sondern auch mit einem Gewehr umgehen kann (Fragen nach ihren Schießkünsten unterbindet das Drehbuch, indem es ihrer Figur den Satz in den Mund legt: „Fragen sie nicht, woher ich das kann.“) Zur Haupthandlung vermag ihre Figur nichts beizutragen und fungiert auf fast beschämend offensichtliche Weise lediglich als Love Interest, das dem Plot vorübergehend einen neuen Drall geben soll.

Die Figuren reichen nicht aus, um das Kinopublikum über die gesamte Laufzeit hinweg an die Geschichte zu fesseln. So abenteuerlich die Odyssee der Männer auch sein mag, so wenig Dynamik vermag ihr Berengar Pfahl zu verleihen. Die verschiedenen Etappen des Abenteuers wirken wie einzelne Episoden, die zwar jeweils über einen kleinen Höhepunkt verfügen, jedoch nicht durch einen umfassenden Spannungsbogen verbunden werden, der der Geschichte über den historischen Verlauf hinaus eine Richtung geben könnte. Die Dramaturgie eignet sich in der Tat besser für die geplante zweiteilige TV-Ausstrahlung als für die Kinoleinwand, auf der selbst die gekürzte 110 minütige Fassung immer wieder langatmig wirkt.

Die exotischen Spielorte und die aufwendige Inszenierung der abenteuerlichen Seefahrt bieten für den deutschen Film ungewohnte optische Anreize. Berengar Pfahl inszeniert diese groß angelegte Geschichte bewusst nicht auf die aus dem US-amerikanischen Kino bekannte epische Weise. Es geht ihm nicht um die Glorifizierung von Kriegshelden, die allen Widrigkeiten zum Trotz an ihrer patriotischen Mission festhalten. Es ist diese eher nüchterne und rationale Haltung die Die Männer der Emden letztendlich zu einem sehr „deutschen“ Film macht. Auch wenn das Fehlen von Pathos und Heldentum an sich zu begrüßen ist, krankt das Konzept daran, dass Pfahl für diese zentralen Elemente des (Anti)Kriegsfilms keine Entsprechung findet. Daher lässt sich zwar leicht sagen, worum es Die Männer der Emden nicht geht, schwieriger wird es aber zu benennen, worauf Berengar Pfahl mit seinem Film hinaus will. Und so gestaltet sich die Die Männer der Emden wie die klassische Geschichtsstunde in der Schule, die nur jene fesseln kann, die von vornherein ein Interesse am Thema mitbringen.

Die Männer der Emden

Wenn der Erste Weltkrieg Thema des Kinos ist, wirkt das Ergebnis meist weniger wie ein Kriegs- und eher wie ein Historienfilm. Zu weit liegen die Ereignisse zurück, zu fremd sind uns Kostümierung und Umgangsformen. So verhält es sich auch mit „Die Männer der Emden“, der vor allem durch seine Spielorte und Ausstattung überzeugt. Eine Beziehung zu den Protagonisten dieses Abenteuers aufzubauen, fällt jedoch schwer. Und dies liegt nicht nur an der gefühlten Distanz zu der vergangenen Epoche.
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Meinungen

Alex · 09.11.2012

Das Hauptproblem dieses wirklich nicht sehenswerten Filmes ist, dass die Besatzung der Emden tatsächlich (wie oben beschrieben) als "anonyme Masse" auftritt. Es ist unfassbar, dass man über die Mannschaft überhaupt nichts erfährt, obwohl diese ja sogar titelgebend ist. Dabei ist das schaupielerische Material gut, die Besatzung wird von interessanten "Typen" gespielt von denen man gerne mehr gesehen und vor allem gehört hätte. Die eindimensionale Zeichnung der Figuren (auch der Hauptdarsteller, die sich durch den ganzen Film zieht, verärgert sehr. Die Bilder (Locations, etc.) sind super, aber Dramaturgie und Story kranken. Schade, denn die Geschichte der Emden ist grandios - hier ist sie enttäuschend umgesetzt worden. Der Regisseur scheint ein Auge für die richtige Ausstattung zu haben, ein Meister der Schauspielerführung ist er sicherlich nicht... .

Hennes · 08.11.2012

Es krankt daran, dass die Schauspieler kein Gespür für militärische Umgangsformen haben. Die Synkronisation muss dringend noch mal überarbeitet werden. Egal was man da an Kostümklamotten aufwarten lässt, wenn die Audioregie grottenschlecht ist, dann kann man den ganzen Film vergessen.