Die Fälschung

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Wenn falsch wird, was Leben war

Auch heute noch ist der Libanon ein von Bürgerkriegen und ihren entsetzlichen Folgen traumatisiertes Land, dessen Menschen zwischen materiellen und seelischen Trümmern innerhalb eines permanenten Wiederaufbaus um eine würdige Existenz ringen. Die Fälschung von Volker Schlöndorff, eine deutsch-französische Koproduktion aus dem Jahre 1981 nach dem Roman von Nicolas Born, ist an den Originalschauplätzen in Beirut unter äußerst schwierigen und gefährlichen Bedingungen entstanden. Während der Dreharbeiten inmitten der Kriegswirren wurde gar der Produzent Eberhard Junkersdorf kurzfristig entführt, wie er selbst und Regisseur Volker Schlöndorff in Interviews berichten, die unter den Extras der DVD zu finden sind.
Georg Laschen (Bruno Ganz) ist einer jener Journalisten, die es immer wieder in die Krisenregionen der Welt zieht, um direkt vor Ort seiner Hamburger Redaktion und der Weltöffentlichkeit von den dortigen Katastrophen und ihren Auswüchsen zu berichten. Diese häufige, längere Abwesenheit von zu Hause wirkt sich auch zunehmend stärker auf die Beziehungen zu seiner Tochter und seiner Frau Greta (Gila von Weitershausen) aus, die sich ihren Alltag mehr und mehr unabhängig von ihm einrichten, wohl oder übel. Als Georg wieder einmal die Seinen verlässt, um zum ersten Mal in das Bürgerkriegsgebiet des Libanon zu reisen, befindet sich der Journalist selbst gerade in einer heftigen Sinnkrise, sowohl was seine familiären Verbindungen betrifft als auch in Bezug auf seine aufreibende Arbeit, deren distanzierter Habitus im Verhältnis zum allgegenwärtigen Elend an seinen humanistischen Grundwerten zu scheuern beginnt.

In Beirut trifft der Journalist auf jene zwei eng beieinander liegende, doch streng getrennte Territorien, deren krasse Gegensätze er bereits von zahlreichen Einsätzen gewohnt ist: Einmal der Schauplatz der zerstörerischen, todbringenden Kämpfe, zum anderen die Lounge der Beobachter der internationalen Presse, der mächtigen Torwächter der weltweiten Berichterstattung, wo der Handel mit den effektvollsten Bildern des Grauens floriert. Bei seinen Streifzügen durch die desolate Stadt trifft er auf die Botschaftsangehörige Arianna Nassar (Hanna Schygulla), eine Deutsche, die bereits seit einigen Jahren nunmehr als Witwe dort lebt und trotz der um sich greifenden Zerstörung und Auflösung von dem Wunsch beseelt ist, ein Kind zu bekommen – um nicht allein zu sein, wie sie dem sichtlich von ihrem Wesen angezogenen Georg erzählt, dem sie sich rasch annähert. Und in all der wachsenden Konfusion und Spaltung, die sich ausbreitet, ereignet sich vor allem bei Georg etwas sehr Existentielles, das ihn vor einer gewaltigen Resignation bewahrt, die ihn ankriecht …

In vielerlei Hinsicht ist Die Fälschung, der sich direkt an Volker Schlöndorffs enormen Erfolg Die Blechtrommel von 1979 anschloss, ein äußerst gelungener Film, der den Fokus auf die tiefgreifenden Zweifel am Selbstverständnis ihrer Arbeit sowie ihres gesamten Lebens der Person des Journalisten setzt, den Bruno Ganz ganz hervorragend verkörpert. Dazu erscheint die unabhängige, starke Frauenfigur, die sich anscheinend innerlich an einen externen Ort jenseits der schrecklichen Ereignisse zurückgezogen hat, an dem sie sich eine innige, unschuldige Gesellschaft wünscht, die ihre Einsamkeit relativiert – ein Kind. Durch das leicht überzeichnete Spiel der ungeheuer authentisch und mitunter seltsam parabelhaft agierenden Hanna Schygulla, die eine umwerfende, melancholische Fröhlichkeit ausstrahlt, die manchmal auf eine Weise deplatziert wirkt, dass sie auf eindringliche Art eine Perspektivverschiebung beim Zuschauer anstößt, gerät dieser Charakter zu einem ktitischen Kontrapunkt der vorherrschenden Erlebniswelten.

Es ist nicht zuletzt die sehr sorgfältig ambivalent gestaltete, hintergründige Reflexion journalistischer Praktiken im Verhältnis zur brutalen, grausamen Historie – die sich zwar parallel dazu ereignet, deren offizielle Realitäten jedoch in hohem Maße vom Modus der Berichterstattung abhängen –, die die Qualität des Films ausmacht. Allerdings ist seine Entstehung selbst nicht unproblematisch: Die spektakuläre Inszenierung direkt im Kriegsgebiet der zerstörten Stadt mutet schon mindestens absurd an und wirft ethische Fragestellungen auf, auch wenn der Film dadurch unbestritten eine authentische, berührende Atmosphäre einfangen kann. Dieses Aspektes ist sich der Regisseur durchaus bewusst, der im Interview über die schwierigen Dreharbeiten und auch den gewaltigen logistischen Aufwand spricht, der diese begleitete. Insgesamt ist Die Fälschung ein emotional wie gedanklich bewegender, sorgfältig inszenierter Film, der über seine Spielzeit hinauswirkt, doch auch im Detail zeigt er einiges an filigraner Filmkunst. Da wird auf einer Autofahrt des Protagonisten-Paares durch das urbane Beirut in einem gelben Wagen mit roten Sitzen ein Lied des ägyptischen Musikers Sayed Darwish gespielt, gesungen von der libanesischen Sängerin Fairuz, deren schwermütige, wunderschöne Lieder auch jenseits des Libanons Frauen wie Männer zu entzückten Tränen hinreißen, das in diesem Ausschnitt die Thematik der Sehnsucht und der Zerrissenheit repräsentiert, die den Film durchzieht: Zuruni kulli sana marra, besuch mich jedes Jahr ein Mal.

Die Fälschung

Auch heute noch ist der Libanon ein von Bürgerkriegen und ihren entsetzlichen Folgen traumatisiertes Land, dessen Menschen zwischen materiellen und seelischen Trümmern innerhalb eines permanenten Wiederaufbaus um eine würdige Existenz ringen.
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