Die Besucherin

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Agnes ist eine erfolgreiche Neurowissenschaftlerin, die ihr Leben voll im Griff hat. So vermittelt es jedenfalls der äußere Eindruck. Beim näheren Hinsehen tun sich allerdings Abgründe auf, aber nicht die von Drogen, Kriminalität oder Illegalität, sondern schlicht die des gleichförmigen Alltags. Mit liebevollem Ehemann und pubertierender Tochter kann sie nichts mehr anfangen und sucht sich ein anderes Leben.
Spröde, unterkühlt und verschlossen meistert Agnes (Sylvana Krappatsch) ihr Leben. Ihr scheint nicht bewusst zu sein, wie sehr sie mit ihrem Verhalten ihre Sekretärin, ihren Ehemann, ihre Tochter und den Rest ihres sozialen Umfeldes brüskiert. Sie lebt halt so vor sich hin, geht jeden Tag in ihr Institut, um spätabends von ihrem treu sorgendem Ehemann bekocht zu werden. Die einzige Frage aus ihrem Mund: „Messer und Gabel oder Löffel?“, scheint bei ihm schon eine Gefühlsextase hervorzurufen. Aber jedes Mal, wenn er sich ihr körperlich nähern will, hat sie eine andere Ausrede parat, warum sie zum Sex gerade nicht in der Lage ist. Hiermit wird das Feld einer trostlosen Beziehung eröffnet, die dennoch voller Hoffnung ist. Zumindest sieht das Walter (Samuel Finzi) so, der schriftstellernde Ehemann, der außerdem kocht, putzt, den Haushalt in Ordnung hält und sich liebevoll um die gemeinsame Tochter Leni (Isabell Metz) kümmert.

Dennoch hält Agnes irgendwie die Verbindung zu ihrer Umwelt aufrecht. Unter anderem zu ihrer chaotischen und liebeskranken Schwester Karola (Julie Böwe), und sie erfüllt ihr nach einigem Zögern auch den Wunsch, bei einem unbekanntem Ehepaar die Blumen in deren Wohnung zu gießen, weil dieses gerade nicht zu Hause ist. Das ist der schlüsselgebende Moment, in dem Agnes im wahrsten Sinne des Wortes ein fremdes Leben zu leben beginnt. Vielleicht lebt sie aber auch zum ersten Mal ein eigenes Leben? Während sie pflichtbewusst die Blumen der unbekannten Wohnungsbesitzer gießt, gerät sie immer tiefer in deren Dasein hinein. Bis sie herausfindet, dass die Ehefrau bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist und Agnes sich dem — spontan wiederkehrenden — Ehemann Bruno (André Jung) sexuell hingibt. Es ist aber nicht nur ein Geben, sondern gleichwohl ein Nehmen. Was die beiden Menschen voneinander wollen, ist lange nicht klar. Liebe ist es jedenfalls nicht. Aber was kann zwei Menschen sonst miteinander verbinden? Verzweiflung? So sieht es für den Zuschauer bisweilen aus. Bruno erträumt sich in Agnes seine verstorbenen Ehefrau Theresa, Agnes hingegen in Bruno das Lebensgefühl, das sie offensichtlich nie ausleben konnte, vielleicht auch nicht wollte.

Die Besucherin verstört durch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die man so eigentlich gar nicht auf der Kinoleinwand sehen will. Dennoch ist es gerade die Tristesse des Alltags, die sich durch diesen ersten Spielfilm von Lola Randl hindurchzieht, die den Blick des Zuschauers öffnet und zur schmerzlich klärenden Lösung beiträgt. Gerade wegen der Gefühlskälte von Agnes, dem liebesbedürftigem und devotem Verhalten von Walter, dem verzweifeltem und dennoch liebevollem Gebaren von Bruno, der trotzigen Manier von Karola und dem gelangweiltem Teenager-Benehmen von Leni gelingt es der Regisseurin, ein beeindruckendes und nachhaltiges Abbild von zwischenmenschlichen Beziehungen nachzuzeichnen. Dabei lässt die Regisseurin glücklicherweise das Ende offen, und die Karten könn(t)en neu gemischt werden, ganz so, wie das Leben immer verschiedene Optionen bereithält. Zwar lässt der Film den Zuschauer mit latent melancholischem Gefühl zurück, aber dennoch gibt er ein Stück weit Hoffnung, Raum zum Nachdenken und letztendlich auch die Lust aufs streitbare Beziehungsleben. Denn eines schildert Lola Randl eindrücklich: Dass jedes Beziehungsleben sowohl von Joy & Pain durchdrungen ist und nichts mit weichgespülten Hollywood-Blockbustern zu tun hat.

Wenn man sich auf die Tristesse des Filmes und dessen Protagonisten einlässt, so ergibt sich erstaunlicherweise ein positiver Blick in die Zukunft, der irgendwo zwischen Verzweiflung, Liebe, Alltag, Verlust und Hoffnung angesiedelt ist.

Die Besucherin

Die Wissenschaftlerin Agnes muss auf eine fremde Wohnung aufpassen. Ohne daß ihre Familie davon weiß, besucht sie diese Wohnung regelmäßig und beginnt ein paralleles Leben. Eines Tages schläft sie dort ein. Als sie aufwacht, liegt ein fremder Mann neben ihr im Bett.Agnes ist eine erfolgreiche Neurowissenschaftlerin, die ihr Leben voll im Griff hat.
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Meinungen

michaela · 14.05.2009

mal was anderes... spannend, irgendwie schräg, irgendwie aufregend. die hauptdarstellerin ist toll.