Die Alpen - Unsere Berge von oben

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Land der steinernen Riesen

„Es war(en) einmal…“ – so beginnen eigentlich Märchen. Im Falle von Die Alpen – Unsere Berge von oben stehen nicht Menschen im Mittelpunkt der Geschichte, sondern (immerhin) steinerne Riesen, die durch das Aufeinanderprallen zweier Kontinentalplatten entstanden und so das europäische Gebirge formten, das immer schon nicht nur eine Kulturlandschaft, sondern auch stets ein Sehnsuchtsort war. „Es muss dort oben auf den Gipfeln etwas geben, das auch die größte Mühe lohnt“, heißt es am Anfang an einer Stelle – und sinniger wie unkonkreter könnte man die diffuse Sehnsucht, mit der der Film arbeitet und die er immer wieder zu evozieren sucht, nicht beschreiben.
Tatsächlich führen diese ersten einleitenden Worte und die begleitende Musik des Dokumentarfilms von Peter Bardehle und seinem Co-Regisseur Sebastian Lindemann. Bardehle muss nach seinem Überraschungserfolg Die Nordsee von oben, der mehr als 215.000 Zuschauer in die Kinos lockte, als Experte für die dokumentarisch dramatisierte Vogelperspektive gelten, die mittlerweile fast schon seltsame Blüten treibt und den Weg aller erfolgreichen Konzepte in Deutschland geht – sie wird ausgequetscht wie eine Zitrone. Und so steht zu befürchten, dass wir demnächst neben den zweifellos ebenso erhebenden wie erhabenen Blicken auf die Bergwelt auch das Ruhrgebiet oder Berlin und das angrenzende Brandenburg von oben herab betrachten können. Das wird, so ist es zu erwarten, im wahrsten Wortsinn ein tiefer Fall werden. Betrachtet man es nämlich nüchtern und nicht beschwingt durch die Musik, die schwebenden Bilder und den so erzeugten Höhenrausch, neigt das Konzept in seiner Gesamtheit dazu, den Diashows, die früher durch Stadthallen und andere Veranstaltungssäle tingelten, den Rang abzulaufen. Wobei gerade bei Die Alpen — Unsere Berge von oben der Einsatz auf der großen Leinwand allein schon durch die beeindruckenden Panoramen gerechtfertigt ist.

Doch zurück zu den Gipfeln. „Hier oben sind die Dinge einfach – es gibt Fels, Wind und seit heute morgen Neuschnee“, heißt es in jener Passage, bei der wir Zeuge werden der waghalsigen Abfahrten von tollkühnen Freeridern, die sich abseits der überlaufenen Pisten ihre eigenen Wege suchen – bis sich einer von ihnen nach einem allzu wilden Flug durch die Lüfte überschlägt und offensichtlich verletzt, weil kurz darauf ein Hubschrauber der Bergrettung wie ein motorisierter Engel heran schwebt und den Verletzten birgt. Freiheitsgefühle, Höhenrausch und eine kleine Portion Hybris rächen sich besondern hier oben besonders schnell, so impliziert es die Montage, die wie viele andere Naturfilme vor allem folgendes lehren will: Demut und Dankbarkeit für die Schöpfung.

Der Sprecher des Off-Komentars dürfte übrigens vielen Zuschauern zumindest von der Stimme her vertraut sein. Udo Wachtveitl, sonst als Bestandteil des Münchner Tatort-Ermittlerduos Leitmair und Batic unterwegs, ist als Bajuware sozusagen von Geburts wegen ein Spezialist für alles Alpine und tut sein Bestes, die mitunter arg assoziative Dramaturgie des Films zumindest auf der Tonebene beisammen zu halten. Eine Unternehmung, die sich angesichts der Texte als gar nicht so einfach erweist, am Ende aber doch gelingt.

Dazu trägt unter anderem die kritischere Haltung des Films gegenüber der Zerstörung der Natur bei, die gerade in den Alpen sichtbare Narben hinterlassen hat. Dennoch ist der Film weit entfernt davon, den Finger auf die Wunden, die der Fremdenverkehr schlug, zu legen, wie dies etwa Hannes Lang mit seinem Film Peak unternommen hat. Die Alpen – Unsere Berge von oben ist viel eher eine Mixtur aus dokumentarischem Heimatfilm mit dezent kritischen Untertönen und purer filmischer Überwältigung, der freilich eine straffere Dramaturgie und eine Zuspitzung der Thematik gut getan hätte. Vielleicht aber ist das ja auch eine Frage der Perspektive: Wenn man die Dinge vor allem von oben betrachtet, drohen die irdischen Probleme ein wenig aus dem Blick zu geraten. Aber so ist das eben auch mit Sehnsuchtsorten – die heile Welt, die wir an ihnen vermuten, soll zumindest in unserer Vorstellung zwar als gefährdetes Paradies auf Erden, aber bitte nicht als Region mit schwerwiegenden ökologischen und strukturellen Herausforderungen gezeigt werden. Sonst wäre der Zauber der majestätischen Berge schnell gebannt.

Dennoch oder gerade deswegen ist zu vermuten, dass auch Die Alpen – Unsere Berge von oben sein Publikum finden wird – und sei es nur deshalb, weil der jährliche Urlaub in den Bergen auch nicht mehr so billig ist wie früher einmal. Was ist im Vergleich dazu schon der Preis eines Kinotickets?

Die Alpen - Unsere Berge von oben

„Es war(en) einmal…“ – so beginnen eigentlich Märchen. Im Falle von „Die Alpen – Unsere Berge von oben“ stehen nicht Menschen im Mittelpunkt der Geschichte, sondern (immerhin) steinerne Riesen, die durch das Aufeinanderprallen zweiter Kontinentalplatten entstanden und so das europäische Gebirge formten, das immer schon nicht nur eine Kulturlandschaft, sondern auch stets ein Sehnsuchtsort war.
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Meinungen

Till Wollheim · 12.09.2013

Ich warte bis der Film auf BD zu haben ist! Schön blöd diese Policy erst nach 1/2 Jahr auf Platte zu verkaufen. Schadet dem Umsatz und nützt dem Kino schlicht gar nicht, denn es sind verschiedene Klientel-Gruppen. ich gehe nicht ins Kino weil es erstens zu viel Aufwand ist und zweitens bin ich es leid durch in der Regel unangenehme Mitmenschen - zB Popkorn schmatzende Schweine - gestört zu werden! Also einfältige Filmindustrie: gebt die Platte mit 2 Wochen Verzögerung raus, das reicht vollkommen! Till