Desaster

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Nomen est Omen

Saint Tropez. Die Sonne brennt, das Wasser ist schon fast unerträglich blau. Ed (Justus von Dohnányi) steht gerade darin und wartet auf seinen neuen Partner Mace (Jan-Josef Liefers). Sie halten ihre Plauzen in die Sonne und besprechen den Job. Beide wurden angeheuert von Dr. Würsch (Stefan Kurt), einem bestechlichen Anwalt. Dieser wurde nach Saint Tropez eingeladen in die Villa des Gangsterbosses Mische (Milan Peschel). Er soll ihm den streng geheimen Aufenthaltsort der Kronzeugen, die gegen Mischa aussagen wollen, nennen. Dafür bekommt er dann eine stattliche Summe und ein Schäferstündchen mit Mischas Frau Lydia (Anna Loos). Das zumindest ist der Plan.
Aber es kommt ja immer ganz anders, als man denkt. Vor allem, wenn man einen Film wie Desaster macht. Denn Hauptdarsteller und Regisseur Justus von Dohnányi hält sich hier recht streng an die Genrevorlage der schwarzen, britischen Gangsterkomödie, die ihm die frühen Filme von Guy Ritchie und insbesondere Jonathan Glazers Sexy Beast gegeben haben. Sklavisch folgt er ihren Inszenierungen von Drehbuch bis hin zu den Wischblenden und schnellen Schnitten. Das ist an sich nicht verwerflich. Erfolgreiche Filme, zumal Genrefilme, zu kopieren, ist ganz üblich im Geschäft. Aber das Kopieren von guten Filmen bedeutet nicht unbedingt, dass das Ergebnis dann ebenfalls gut ist. Denn schlechtes Kopieren von gutem Material erzeugt maximal ein mittelmäßiges Endprodukt. Und genau so verhält es sich mit Desaster.

Zum einen wirkt der Film sofort reichlich retro, denn er repliziert eine Filmästhetik, die Anfang der 2000er Jahre kurzzeitig sehr beliebt war, sich mittlerweile aber längst überholt und weiterentwickelt hat. Von Dohnányi ist hier aber nicht am Weiterentwickeln interessiert, sondern am Genau-So-Machen und so findet man sich in einem Film wieder, dessen Farben sämig auf der Leinwand hängen und dessen kantige Schnitte mit Weiß- und Wischblenden einher gehen. Kann man machen. Vor allem, wenn die Schnitte Teil der Witzstruktur sind, indem zwischen Dialogen und Momenten hin- und hergeschnitten wird. Aber genau da ist das Kernproblem des Filmes.

Es gibt einfachere Genrevorlagen als britische, schwarze Komödien, die vor allem davon leben, dass ihre Dialoge schnell, messerscharf und perfekt auf den Punkt geliefert werden. Alles muss schnell gehen, jedes Wort muss sitzen, jeder Satz muss überraschen, die vorherigen konterkarieren oder karikieren. Das ist die hohe Kunst der Dialog-Komödie, bei der es, so man es richtig macht, dem Zuschauer ganz schwindelig wird vor Schnelligkeit und den vielen Dreh- und Wendungen, die hier minütlich passieren. Und genau das ist bekanntlich nicht gerade die Stärke des deutschen Films. So sehr sich Dohnányi, Liefers und Co. auch bemühen, sie schaffen es einfach nicht. Das Timing stimmt vorne und hinten nicht, die Witze und antiklimaktischen Momente kommen stets zu spät und werden so stocksteif vorgetragen, dass man sie oftmals gar nicht als humoristisch identifizieren kann. Schnell artet der Film in einen albernen Klamauk mit Schauspielern aus, die noch dazu so überzogen wie möglich agieren, um dem Ganzen ein wenig Absurdität zu verleihen. Diese aber stellt sich vor allem deshalb ein, weil man als Zuschauer in jeder Sekunde das Bewusstsein hat, hier ein Genrekonstrukt zu betrachten, das die Akteure überfordert und dem weder Regie noch Drehbuch in irgendeiner Art und Weise Herr werden. Die britische Komödie, die sie kopieren wollen, läuft ihnen schlichtweg davon.

Und auch an dieser Stelle muss man erneut darauf verweisen, dass Desaster versucht, alte Kamellen aus den 2000er Jahren wieder aufzukochen. Das heißt, selbst die Szenen und Momente, die nicht mit schnellen Dialogen und Humor besetzt sind, wirken eher altbacken. Denn die Filme, die hier kopiert werden, waren Werke, die durch bitterböse Ironie und Überzeichnung die Standards eines anderen Genres, des Gangsterfilms, zu karikieren suchten und deshalb die durchgenudeltsten Gangstermomente der Filmgeschichte erneut aufkochten — nur eben mit dem humoristischen Twist versehen, den Desaster nicht hinbekommt. Und ohne diesen Twist sind diese Momente eben doch nur langweiliger Standard.

Den Todesschlag versetzt dem Film dann noch ein weiteres Problem: Die Vorlagenfilme sind überwiegend hochgradig sexistische, misogyne und rassistische Filme. Warum das so ist? Größtenteils ist dies als Übertreibung und Zuspitzung des dem Gangsterfilm inhärenten Machismus zu verstehen. Gangster sind eben Figuren, die vor allem auf protzender Hypermaskulinität beruhen. Aber mal abgesehen davon, dass sich die Zeiten und die Arten, humoristisch mit den Mythen von Männlichkeit umzugehen, geändert haben, bedarf es eben auch der ironischen Ebene, damit diese Überspitzungen funktionieren. Wenn in dieser Art von Film der Witz nicht stimmt, ist der ganze Rest nur langweilig oder hochgradig beleidigend. Und so findet man sich in einem Desaster wieder und die unendlichen vielen frauenfeindlichen Sprüche sind einfach nur das – frauenfeindlich. Denn sie haben, wie der gesamte Film, keinen Dreh, keinen Clou, keine Pointe.

Desaster

Saint Tropez. Die Sonne brennt, das Wasser ist schon fast unerträglich blau. Ed (Justus von Dohnányi) steht gerade darin und wartet auf seinen neuen Partner Mace (Jan-Josef Liefers). Sie halten ihre Plauzen in die Sonne und besprechen den Job. Beide wurden angeheuert von Dr. Würsch (Stefan Kurt), einem bestechlichen Anwalt. Dieser wurde nach Saint Tropez eingeladen in die Villa des Gangsterbosses Mische (Milan Peschel). Er soll ihm den streng geheimen Aufenthaltsort der Kronzeugen, die gegen Mischa aussagen wollen, nennen. Dafür bekommt er dann eine stattliche Summe und ein Schäferstündchen mit Mischas Frau Lydia (Anna Loos). Das zumindest ist der Plan.
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