Der Ruf der Wale

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Bamm-Bamm, der Medienstar

1988 hielt das Schicksal dreier im arktischen Eis gefangener Grauwale die Welt in Atem. Es führte zu einer gigantischen zweiwöchigen Rettungsaktion am nördlichen Ende Alaskas, bei der sich Tierschützer, Armee, Politiker und Unternehmer zusammentaten und sogar ein sowjetischer Eisbrecher zu Hilfe gerufen wurde. Den Tieren, die an einem Wasserloch zum Luftschnappen auftauchen mussten, war somit aufgrund der Medienpräsenz das sonst schier Unmögliche gelungen: Gegnerische Interessengruppen hatten ihre Kräfte in kürzester Zeit mit dem Ziel vereint, eine gute Nachricht zu produzieren. Zwei der Wale konnten schließlich das offene Meer erreichen. Der Ruf der Wale erzählt diese Geschichte in Form eines spannenden Spielfilms, der Dramatik mit einem durchaus nüchternen Blick auf die Beweggründe der Akteure verbindet.
Der Fernsehreporter Adam Carlson (John Krasinski) entdeckt während eines Aufenthalts in Barrow zufällig das Tierdrama. Wegen des frühen Wintereinbruchs hat sich eine fünf Meilen breite Eisdecke vor der Küste gebildet, die drei kalifornische Grauwale von ihrer Wanderroute in den Süden abschneidet. Eine solche Distanz können die Säugetiere nicht unter dem Eis zurücklegen, ohne zwischendurch zum Luftschnappen aufzutauchen. Fred, Wilma und Baby Bamm-Bamm, wie Adam die Meeresriesen nennt, harren nun unter dem letzten Loch in der Eisdecke aus und verletzen sich bei den Versuchen, es vor dem Zufrieren zu bewahren. Adam sendet einen Bericht für das Regionalprogramm nach Anchorage und staunt nicht schlecht, als er sich wenig später im Fernsehen in den Hauptnachrichten sieht. Bald machen sich Fernsehteams aus dem ganzen Land auf nach Barrow.

Die Tierschützerin und Greenpeace-Aktivistin Rachel Kramer (Drew Barrymore) fordert vor den Kameras, die Nationalgarde von Alaska einzusetzen, um die Eisdecke aufzubrechen. Rachels größter Kontrahent, der Erdölförderer McGraw (Ted Danson), ergreift die Chance, sich ein tierfreundliches Image zuzulegen und stellt ein Luftkissenboot zur Verfügung, welches das Eis aufbrechen könnte. Colonel Scott Boyer (Dermot Mulroney) von der Nationalgarde soll es per Hubschrauber nach Barrow ziehen. Er erhält einen im Fernsehen übertragenen Anruf von Präsident Reagan, der um einen ökologischen Anstrich für den Wahlkampf der Regierungspartei bemüht ist. Die Inuit wollen zunächst eine Fangerlaubnis für die drei Wale beantragen, befürchten aber, aufgrund der zu erwartenden Negativberichte ihre Walfangrechte generell zu gefährden. Sie beschließen, bei der Rettungsaktion mitzuhelfen und halten das Wasserloch mit Motorsägen offen.

Die dramatische Spannung bezieht der Film nicht nur aus den vielen Komplikationen, auf die die Helferschar stößt. Er schenkt seine Aufmerksamkeit auch den menschlichen Interaktionen im Detail und schafft so eine abwechslungsreiche Atmosphäre. Besonders Adam ist für die emotionalen Beziehungen am Rande zuständig, mit seiner Freundschaft zu dem Inuitjungen Nathan (Ahmaogak Sweeney) und der Dreiecksgeschichte mit seiner Ex-Freundin Rachel und der Journalistin Jill (Kristen Bell). Damit die Wale in Gestalt animatronischer Modelle nicht weitgehend von der Sphäre der Menschen abgeschnitten bleiben, darf Rachel einmal zu ihnen hinabtauchen und das verletzte Baby berühren. Schmalzig wird es dennoch erstaunlicherweise nur an einigen wenigen Stellen.

Geschickt legt der Film sämtliche Kontroversen, wie etwa die anfängliche Feindseligkeit der Tierschützerin gegenüber den Walfängern der Inuit, in den Dialogen offen. Auf die Bereitschaft, das Thema von allen Seiten abzuklopfen, verweist schon der Titel der für das Drehbuch verwendeten Buchvorlage, die vom Journalisten Thomas Rose stammt: Freeing the Whales: How the Media Created the World’s Greatest Non-Event. Kwapis verwendet die kritischen Töne wie Stichworte, um sie dann aber in ein positives Gesamtbild zu integrieren. Dennoch sind sie präsent genug, um eigene Überlegungen zu befördern, zum Beispiel darüber, ob die Zuneigung der Fernsehzuschauer für Einzeltiere wie Bamm-Bamm auch etwas über die Bereitschaft aussagt, bedrohte Tierarten vor dem Aussterben zu schützen. Oder es können andererseits Erinnerungen an die Kampagnen von Robbenschützern geweckt werden, bei denen sich auch kultureller Chauvinismus mit unbedachten Folgen für Inuitstämme offenbarte.

Der Ruf der Wale

1988 hielt das Schicksal dreier im arktischen Eis gefangener Grauwale die Welt in Atem. Es führte zu einer gigantischen zweiwöchigen Rettungsaktion am nördlichen Ende Alaskas, bei der sich Tierschützer, Armee, Politiker und Unternehmer zusammentaten und sogar ein sowjetischer Eisbrecher zu Hilfe gerufen wurde.
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Meinungen

Oliver Schindler · 21.02.2012

Ein sehr ehrlicher Film der bis zum Schluss spannend inszeniert ist. Eigentlich der beste Film den ich seit langem gesehen habe. Empfehlenswerter Kinoabend!