Der menschliche Makel

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Donnerstag, 21. Januar 2010, Das Erste, 23:30 Uhr

Noch stärker als gewöhnlich bei Literaturverfilmungen von komplexen Stoffen stellt sich im Falle dieses Films von Robert Benton aus dem Jahre 2003 die Frage nach der adäquaten Umsetzung der ursprünglichen Geschichte im Rahmen des filmischen Mediums. Denn der Bestsellerroman Der menschliche Makel / The Human Stain des US-amerikanischen Autors Philip Roth stellt ein reifes, kluges und opulentes Werk über ein tragisches Schicksal im Spiegel der Gesellschaft dar, das von seinen gedanklichen Filigranitäten sowie seiner signifikanten Sprachlichkeit lebt. Auch wenn sich diese bedeutsamen Komponenten der Vielschichtigkeit der literarischen Vorlage schwerlich angemessen visualisieren lassen, ist Der menschliche Makel nichtsdestotrotz ein ansprechender Film, der zentrale Aspekte der bewegenden Geschichte sowie den Hauch ihres ungezähmten Geistes auf seine Weise gelungen zu transportieren vermag.
Das Leben des engagierten Literaturprofessors Coleman Silk (Anthony Hopkins), der als der erste jüdische Dekan des Athena Colleges galt und sich im Laufe seiner Karriere großes Ansehen erworben hat, ändert sich so schlagartig wie drastisch, als der vitale Mann um die Siebzig beschuldigt wird, während eines Seminars eine rassistische Bemerkung über zwei abwesende farbige Studenten geäußert zu haben. So absurd dieser Vorwurf vor allem nach der Erörterung des Zusammenhangs auch bleibt, positionieren sich Silks Kollegen doch gegen ihn, der daraufhin zutiefst getroffen seinen Posten quittiert.

Als seine Frau Iris kurze Zeit später verstirbt, macht der verbitterte Coleman die Ereignisse und Protagonisten rund um das College dafür verantwortlich und bittet den Schriftsteller Nathan Zuckerman (Gary Sinise), ein anklagendes Buch über die Chronologie der Ereignisse zu verfassen. Der zurückgezogene Autor lehnt diesen Auftrag zwar ab, beginnt sich jedoch intensiv für die Lebensgeschichte des alten Mannes zu interessieren, der sich gerade in eine heftige Affäre mit der traumatisierten Putzfrau Faunia Farley (Nicole Kidman) stürzt, deren ehemaliger Ehemann Lester (Ed Harris) das Paar immer wieder belästigt. Im Zuge seiner Nachforschungen über Silk stößt Zuckerman auf eine schier unglaubliche Lebenslüge …

Regisseur Robert Benton (Kramer gegen Kramer / Kramer vs. Kramer, 1979, Ein Platz im Herzen / Places in the Heart, 1984, Nobody´s Fool, 1994), dessen Karriere im Filmgeschäft als Mitverfasser des Drehbuchs zu dem berühmten Gangsterpärchenstreifen Bonnie and Clyde aus dem Jahre 1967 von Arthur Penn begann, hat sich dazu entschlossen, bei Der menschliche Makel ganz auf der sicheren Seite zu bleiben. Das tiefgründige, solide inszenierte Drama mit Starensemble und ansprechender Ästhetik bildet einen emotional aufwühlenden Film, der zwar gemessen an der Romanvorlage fragmentarisch und reduktionistisch erscheint, für sich betrachtet jedoch eine bewegende Geschichte präsentiert, deren inhaltliche wie formale Gestaltung mit ihren brisanten Bezügen zur modernen US-amerikanischen Gesellschaft ein überzeugendes Szenario menschlicher Abgründe und verzweifelt um ihre Identität ringender, allzu menschlicher Kreaturen entwirft.

Der menschliche Makel

Noch stärker als gewöhnlich bei Literaturverfilmungen von komplexen Stoffen stellt sich im Falle dieses Films von Robert Benton aus dem Jahre 2003 die Frage nach der adäquaten Umsetzung der ursprünglichen Geschichte im Rahmen des filmischen Mediums.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen