Der Koch

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ayurvedischer Edeltrash

Vielleicht liegt der Grundfehler dieses Films in der Synchronisation. Dass fremdsprachige Filme hierzulande eingedeutscht werden, hat ja Tradition; und tatsächlich ist die Kunst der Synchronaufnahme mitunter gar nicht so schlecht, wie sie von Hardcore-Cineasten manchmal gemacht wird. Problematisch wird es aber grundsätzlich, wenn ein deutschsprachiger Film synchronisiert wird – sei es, dass das Schwyzerdütsche mühsam verdeutlicht wird, oder dass – wie einst beim Roten Baron – von vornherein auf englisch gedreht und dann auf deutsch nachgesprochen wird. Meist mies übrigens auch, wenn sich deutsche Schauspieler in, sagen wir, amerikanischen Filmen nochmal in hiesiger Studioatmosphäre selbst nachplappern; Beispiel Christoph Waltz.
In Der Koch spielen ein paar sanft Schweizerakzent-Sprechende neben Deutschen wie Jessica Schwarz – im Mittelpunkt aber stehen Tamilen, und es ist eine fundamental schlechte Entscheidung, diese zu synchronisieren, den Rest aber einigermaßen im Originalton zu belassen. Zumal die Synchro all das vereinigt, was ihre Gegner heftigst beklagen: Mechanisch, steril, mit nachgespielter pathetischer Emotion verlesene Filmtexte, nicht einmal annähernd lippensynchron den Schauspielern wie eine schlecht sitzende Prothese aufgepropft. Selten schien die Distanz zwischen Stimme und Körper so groß wie in Der Koch.

Selten, aber nicht nie: Tatsächlich erinnert das unsensible Herumpoltern mit den Stimmen an so manchen Trash-Film der 1970er, nur ohne die witzige Qualität von Rainer Brandt-Sprüchen. Andererseits ist auch die Kunst des schlicht-schlechten Dialogs im Film enthalten, freilich ebenso unfreiwillig wie all die kleinen und großen Fehler, die sich Ralf Hüttner und Autorin Ruth Toma hier so leisten: Wahnsinnig platt, wie gleich zu Anfang mal die Verhältnisse geklärt werden: „Ich bin lesbisch!“, dieser Ausspruch von Jessica Schwarz in ihrer Rolle als Andrea, die kurz zuvor vom Tamilen Maravan mit seiner Kochkunst verführt wurde, reizt zu mitleidigem Lachen. Zuvor schon war ein widerlicher Geschäftsmann im Edelrestaurant mit einem Herzinfarkt kotzend zusammengebrochen und wurde unter Umgehung aller hygienischer Standards in den Küchenbereich geschleift; nein so was.

Solch offensichtlicher Quatsch ist aber nur die Oberfläche bei diesem Film, der sich von tief innen her falsch anfühlt. Maravan, tamilischer Flüchtling, muss sich in einer Restaurantküche als niederstes Gewänz ausbeuten lassen, ist aber ein Meister in der ayurvedischen, aphrodisierenden Speisezubereitung. Andrea erfährt das am eigenen Leib und eröffnet mit ihm Love Food, spezialisiert auf richtig geiles Essen. Zu diesem Moment gegen Ende des ersten Drittels scheint alles beendet zu sein, kaum ein Handlungsfaden ist noch offen – und man hat doch noch so viel Filmzeit, bis die 107 Minuten voll sind! Also wird einerseits die tamilische Familie aus dem Hut gezaubert, eine kranke Oma, ebenso die junge hübsche Sandana, in die Maravan total verknallt ist, und zudem ein Cousin, der sich den Terroristen der Tamil Tigers anzuschließen droht.

Nun ist diese Familienstory freilich nicht aus Figur oder Kultur unseres jungen Freundes Maravan entsprungen, sondern dem Drehbuch-Zwang nach Drama und Konflikt. Und weil’s noch nicht reicht, kommt noch die lesbische Beziehung von Andrea mit einer kubanischen Nutte ins Spiel, die zur Geschäftspartnerin wird: So dass Maravan jetzt für die ekelhaft abstoßenden Großbonzen kochen muss bei ihren versauten Sexspielchen, mit denen sie ihre illegalen Waffendeals besiegeln. Dass dabei auch Waffen an die Tamil Tigers geliefert werden – o weh, ein moralischer Konflikt droht! Weiowei. Im Übrigen sind die Sexspielchen doch nicht so pervers, weil sie der kubanischen Gespielin auch Spaß machen und Geld einbringen, und zudem ist auch das Essen von Maravan reichlich vulgär, mit kleinen Schwänzen inklusive Eiern, gegossen aus Spargelgelee. Igitt.

Jedenfalls wölbt sich der Film auf zu einem großen Wulst an Gefühlen, die auf Maravan einstürmen – er muss Geld für die Familie verdienen mit seinen unmoralischen Gerichten; schließlich kommt der Film zu einer einfachen, personalisierten Lösung: Man muss halt nur den Waffenhändlerboss ausschalten. Solch eine Vereinfachung nach dem Aufbau eines globalen Krisendramas, das hat schon Chuzpe. Weil damit indirekt eingestanden wird, dass erstens alles sowieso nur konstruiert war, die behauptete Sinnlichkeit des Essens wie auch die widerliche Unmoral der Waffenschieber; und dass zweitens die Überladung des Films seine Dramaturgie schlicht überfordert hat.

Vielleicht war die schlechte Synchronisationskatastrophe also auch eine Art Freudsche Fehlleistung, und die Filmemacher wussten tief im Inneren, freilich unbewusst, was sie hier fabriziert haben: nämlich eben doch Trash, und zwar solcher, der an der Oberfläche nicht danach aussieht.

Der Koch

Vielleicht liegt der Grundfehler dieses Films in der Synchronisation. Dass fremdsprachige Filme hierzulande eingedeutscht werden, hat ja Tradition; und tatsächlich ist die Kunst der Synchronaufnahme mitunter gar nicht so schlecht, wie sie von Hardcore-Cineasten manchmal gemacht wird.
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Meinungen

Melanie Hoffmann · 01.12.2014

Hab dieses "Fernsehspiel" heute gesehen. Das wirklich unterhaltsame an diesem Abend war aber die Kritik von Harald Mühlbeyer, vielen Dank!
Ich ärgerte mich zu all den genannten Punkten über plakative, billige Schwarz-Weiß-Malerei, amateurhafte Kameraführung und zu hohe emotionale Distanz zu den Charakteren. Sinnliche Bebilderung von Kochkunst ging auch schonmal besser. Letztlich war's schlicht langweilig.
Ralf Huettner hat schon richtig gute Komödien gemacht, Weltrettung scheint nicht seins und hier wollte er ganz offenbar zu viel.

Wolfgang Maximilian · 29.11.2014

Hervorragende filmische Umsetzung eines hervorragenden Buches.
Sehr empfehlenswert! Möglicherweise ohne Buchkenntnis schwer verständlich. Erst Buch, dann Film!

beatrix pawlik · 27.11.2014

Ich würde mich sehr freuen wenn er kommt. Ist mal ein anderer Film.

@Peter Osten · 27.11.2014

Die Kritik verhandelt den Film, der durch den Umstand, dass die Vorlage auf der das Drehbuch von Ruth Thoma basiert von Martin Suter stammt, weder besser noch schlechter wird.

Peter Osten · 27.11.2014

Ich finde, Kritiker Mühlbeyer hätte schon erwähnen sollen, dass der Film - den ich nicht gesehen habe - auf dem - lesenswerten! - Buch von Martin Suter beruht