Der Fall Wilhelm Reich

Eine Filmkritik von Gregor Torinus

Orgon-Akkumulatoren statt Atom-Bomben

Das Thema „Psychoanalyse und Film“ ist so reichhaltig, dass dazu schon verschiedene Bücher erschienen sind. Bereits das klassische Hollywoodkino bezog sich zum Teil explizit auf die Theorien Sigmund Freuds. Dies trieb so skurrile Blüten, wie das Engagement des surrealistischen Künstlers Salvador Dalí für die Visualisierung der Traumsequenzen in Alfred Hitchcocks Thriller Ich kämpfe um dich (OT: Spellbound, 1945). Doch natürlich gab es neben dem berühmten Gründer der Psychoanalyse auch eine Reihe bedeutender Schüler und Nachfolger. So drehte David Cronenberg vor kurzem mit Eine dunkle Begierde (2011) einen Film über den Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung und dessen Beziehung zu seiner Patientin Sabina Spielrein und zu Freud. Jetzt legt der Österreicher Antonin Svoboda nach seiner TV-Dokumentation Wer hat Angst vor Wilhelm Reich (2009) mit Der Fall Wilhelm Reich einen Spielfilm über den umstrittenen Freud-Schüler vor. Der Film konzentriert sich auf Reichs letzte Jahre im amerikanischen Exil und zeigt, dass es ein wahrer Visionär auch im „Land der unbegrenzten Freiheit“ alles andere als einfach hat.
Im Jahre 1939 flieht der österreichische Psychiater Wilhelm Reich (Klaus Maria Brandauer) in die USA, da die Nazis die Schriften des als Juden gebrandmarkten Wissenschaftlers verbrennen. Doch auch im Amerika der MyCarthy-Ära steht der ehemalige Kommunist von Anbeginn an unter Beobachtung. Aus der Psychiatervereinigung des Landes wird der Querdenker wiederum aufgrund seiner umstrittenen neuen Behandlungsmethoden ausgeschlossen. So erfindet Reich den „Orgon-Akkumulator“, eine Holzkiste zur Heilung durch akkumulierte kosmische Lebensenergie. Da eine konkrete Wirkung dieser Kisten nicht nachweisbar ist, tritt bald darauf auch die gefürchtete US-Gesundheitsbehörde auf den Plan. Unterstützt wird Reich von seiner Frau Ilse (Jeanette Hain) und durch seine Tochter Eva (Julia Jentsch). Doch unter seinen Mitarbeitern befindet sich mit Aurora (Birgit Minichmayr) auch eine Verräterin.

Der Fall Wilhelm Reich zeigt das Bestreben des Filmemachers Antonin Svoboda, ein Biopic zu schaffen, das nicht bloß in den USA spielt, sondern auch von seiner Wirkung her entsprechenden Hollywoodfilmen entspricht. Insgesamt ist dies der komplett in Österreich und Spanien gedrehten Produktion durchaus geglückt. Nur leider zeichnet sich der Film nicht nur durch einige für Hollywood typische Stärken, sondern ebenfalls durch einige für Filme aus der Traumfabrik bezeichnende Mängel aus. Überwiegend überzeugend sind zunächst einmal die Darsteller, allen voran Klaus Maria Brandauer als Wilhelm Reich. Selbst in potenziell lächerlichen Situationen, wie dem Aufstellen einer seltsamen Röhren-Apparatur, dem „Cloudbuster“, in der Wüste Arizonas, vermag der Ausnahmeschauspieler die innere Überzeugung Reichs von seiner Sache absolut glaubhaft zu vermitteln. Zugleich bringt Brandauer auf subtile Weise genau die Nuancen und Zwischentöne in seine Figur hinein, die dem Film ansonsten durchweg entschieden abgehen.

Genau hier liegt die größte Schwäche des Films. Zwar schreibt der Produzent Alexander Glehr in der Pressenotiz zum Film: „Reich wird weder glorifiziert, noch diskreditiert. Als Zuschauer ist man aufgefordert, Haltung einzunehmen, aber diese Haltung wird nicht eindeutig vorgegeben.“ Leider stimmt das so nicht ganz. Der Fall Wilhelm Reich zeichnet sich dadurch aus, dass in wirklich jeder Situation versucht wird den Zuschauer dahingehend zu manipulieren, dass er auf jeden Fall auf Reichs Seite steht. Als Reich z.B. das Konzept zu seinem „Orgon-Akkumulator“ an den damals ebenfalls in die USA emigrierten Albert Einstein zwecks Begutachtung schickt, bekommt er zu seiner Enttäuschung als Antwort, dass sich keinerlei physikalischer Effekt seiner Apparatur nachweisen ließe. Prinzipiell könnte diesen Sachverhalt jetzt jeder Zuschauer auf seine eigene Weise interpretieren. Für die einen mag dies ein unumstößlicher Beweis dafür sein, dass Reichs Erfindung purer Humbug und er selbst ein Scharlatan ist. Jemand anderes mag aber z.B. daran denken, dass auch bei homöopathischen Medikamenten chemisch keine heilende Substanz nachweisbar ist und trotzdem so gute Heilerfolge erzielt werden, dass inzwischen bereits einige Krankenkassen eine derartige Behandlung in ihre regulären Kassenleistungen aufgenommen haben.

Doch Der Fall Wilhelm Reich nimmt dem Zuschauer das selbstständige Denken lieber ab. So wird Einstein in diesem Zusammenhang die Feststellung in den Mund gelegt, dass Reichs Erfindung eine wahre Bombe sei. Dies dient natürlich nur zur Überleitung zu dem Hinweis, dass Einstein ja selbst an einer ganz anderen Bombe, nämlich der Atombombe, arbeite. Somit wird der vom Times-Magazin zum „Man of the Century“ gekürte Einstein auf äußerst durchsichtige Weise sofort dem feindlichen Lager zugeordnet. In dem Film gibt es nur Menschen, die Reich unterstützen und solche, die sich gegen ihn stellen. Was jedoch z.B. Einstein betrifft, sieht die Sache bekanntermaßen so aus, dass der Physiker nur deshalb den Bau der Atombombe befürwortet hatte, da er davon ausging, dass Hitler ebenfalls bereits die Bombe besaß. Später bereute er seinen Irrtum jedoch sehr und unterzeichnete das „Russel-Einstein-Manifest“, eine Deklaration gegen Atomwaffen.

Die entsprechende Episode im Film gehört sogar noch zu den dezenteren Manipulationen des Zuschauers. Richtig grob wird es, wenn das Idyll des in einer herrlichen Landschaft an einem See gelegene Forschungszentrum Wilhelm Reichs dem gefängnisartigen, geheimen Forschungstrakt des Dr. Cameron gegenübergestellt wird. Während Reich seinen Farmer-Nachbarn mittels kosmischer Lebensenergie zum unverhofften Kinderglück verhilft, treibt der finstere Leiter der amerikanischen Psychiatervereinigung einen jungen Mann mittels Elektroschocktherapie, massivem Medikamenteneinsatz und Gehirnwäsche in den Abgrund. Optisch sind diese Szenen jedoch durchgehend sehr gut gestaltet. Insbesondere die Kameraarbeit von Martin Gschlacht ist oft beeindruckend. Doch auch auf formaler Ebene genügt dem Regisseur Antonin Svoboda das bereits Offensichtliche noch nicht. So nimmt die oft unpassende und allzu süßliche Musik von Stefan und Bernd Jungmair vielen für sich gelungenen Bildern wieder einiges ihrer Kraft.

So entpuppt sich Der Fall Wilhelm Reich gleich auf mehreren Ebenen als ein direktes Gegenstück zu dem Film Eine dunkle Begierde. In letzterem entwirft der Kanadier Cronenberg ein sehr differenziertes Portrait von Jung, Freud und Spielrein, das die inneren Widersprüche aller gezeigten Charaktere für sich stehen lässt. Der Österreicher Antonin Svoboda folgt hingegen dem Freud-Schüler Wilhelm Reich nach Amerika und entwirft ein Heldenportrait nach Hollywood-Art. In seinem Film gibt es zwar ebenfalls viele Widersprüche. Diese werden jedoch durch eine eklatante Schwarzweißzeichnung soweit weggedrückt, dass der Zuschauer in jeder Szene genauestens weiß, was er gerade von dem Geschehen auf der Leinwand zu denken hat. Böse gesprochen könnte man sagen, dass Svoboda sich selbst vielleicht doch mehr an der Gehirnwäsche des Dr. Cameron, als an der radikal individualistischen Philosophie Wilhelm Reichs orientiert hat.

Der Fall Wilhelm Reich

Das Thema „Psychoanalyse und Film“ ist so reichhaltig, dass dazu schon verschiedene Bücher erschienen sind. Bereits das klassische Hollywoodkino bezog sich zum Teil explizit auf die Theorien Sigmund Freuds. Dies trieb so skurrile Blüten, wie das Engagement des surrealistischen Künstlers Salvador Dalí für die Visualisierung der Traumsequenzen in Alfred Hitchcocks Thriller „Ich kämpfe um dich“ (OT: „Spellbound“, 1945).
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Meinungen

peter meinhold · 19.09.2013

schade dass der film reich auf das thema orgonenergie reduziert, das die letzte phase seines lebens beherrschte. kaum etwas aus der berliner zeit der analytischen ambulanz, nichts von der vegetotherapie, nichts von körperarbeit. und dabei gibt es viele hervorragende filmische originaldokumente wie auch spätere experimente zur überprüfung der reich'schen arbeiten die sich in den film hätten einbauen lassen, so ist er ein wenig zur plakativen psychoschnulze verkommen scheint...und damit ideologische holzschnitte mitagiert wie schon treffend angemerkt wurde ...

wignanek-hp · 19.09.2013

Nach der Lektüre der Besprechung habe ich einen wesentlich schlechteren Film erwartet und war dann doch positiv überrascht. Das einzige, was man dem Film tatsächlich vorwerfen kann, ist, dass er manchmal sehr plakativ ist. So, wenn er die durchaus grausamen Methoden der Psychiatrie der fünfziger Jahre mit dem humanitären Ansatz von Reich parallelmontiert. Das hätte die Geschichte überhaupt nicht nötig gehabt, so einen Dr. Frankenstein einzubauen. Es ist Brandauer zu verdanken, dass man – wenn man vorurteilsfrei an die Sache herangeht – wenigstens ansatzweise begreift, was diesen Mann umgetrieben hat und warum er so in die Schusslinie geraten ist. Er war mit seiner Unermüdlichkeit ein steter Stachel im Fleisch deren, die sich von ihm bedroht gefühlt haben und das ging ja wohl wirklich bis in die höchsten Regierungskreise. Es scheint auch heute noch so zu sein, dass es nicht gelingt, sich ohne Voreingenommenheit mit Reichs Theorien zu beschäftigen. Auch dem Rezensenten merkt man an, dass er sich irgendwie bei der Sache unwohl fühlt. Reich Fall erinnert mich sehr stark an die Diskriminierung der Homöopathie, die ja auch unvermindert anhält. Auch hier werden in regelmäßigen Abständen immer wieder die gleichen altbackenen Argumente dagegen aus dem Säckel gezogen, ohne dass wirklich eine sachbezogene Auseinandersetzung stattfände. Das wäre ja – wie auch bei Reich – zu gefährlich. Es könnte sich ja herausstellen, dass doch was dran ist.

wignanek-hp · 19.08.2013

Ich bin sehr gespannt auf den Film, gerade weil die Diskriminierung Reichs bis in die heutigen Tage anhält. Der Holzkasten, der in der Kritik genannt wird, war in Wirklichkeit gar keiner und dass er wissenschaftlich nicht funktioniert, ist ein alter Hut. Aber da sollte sich Wissenschaft mal fragen, ob die Überprüfungsmethoden nicht der Überprüfung bedürfen. Fakt ist jedoch, dass kaum jemand, der sich über Wilhelm Reich und seine spinnerten Ideen auslässt je etwas von ihm selbst gelesen hat. Wenn man das nämlich tut, wird man feststellen, dass hier ein kluger rastloser Geist am Werke war, der auf verschiedenen Ebenen Neuland betrat und dafür von der Wissenschaftsgemeinde ausgestoßen wurde. Wenn er am Ende seines Lebens seine Sache vielleicht etwas zu fanatisch vertrat, so ist das bei allem Gegenwind verständlich. Aber bei Reich wird halt alles gleich in die „Spinner“-Schublade gesteckt. Wahrscheinlich wird auch dieser Film nur die Gemeinde weiter spalten, ihm aber nicht da heraus helfen.