Demolition - Lieben und Leben (2016)

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Ein Mann in Trauer

„Ich habe meine Frau nie geliebt. Und nun, da sie tot ist, fühle ich keine Trauer und keinen Schmerz“, sagt Davis (Jake Gyllenhaal) zu einem Mann, den er seit Jahren im Zug sieht, der für ihn jedoch ein völlig Fremder ist. Er öffnet sich auf eine Art, die ihm früher nicht möglich war. Vor dem verheerenden Autounfall, den seine Frau nicht überlebt und den er ohne einen Kratzer am Leib überstanden hat. Aber eigentlich ist auch er gestorben. Oder zumindest eine Version seines Selbst, die er nun kaum noch ertragen kann. Eine feine Unterscheidung, die Autor Bryan Sipe vornimmt. Sie stellt auch den eigentlichen Reiz von Demolition: Lieben und Leben dar, da die Geschichte abseits der üblichen Konventionen erzählt wird.

Noch im Krankenhaus will Davis sich einen Snack aus einem Automaten ziehen. Er schluckt seine Münzen, liefert jedoch keine Ware. Davis konzentriert sich darauf. Er schreibt der Firma, die den Automaten aufgestellt hat, einen Brief, in dem er fordert, sein Geld zurückzubekommen, in dem er aber auch von seinem Leben, dem Unfall und dem Tod seiner Frau erzählt. Weitere Briefe folgen, bis Davis um zwei Uhr nachts einen Anruf von Karen Moreno (Naomi Watts) erhält, die für die Automatenfirma die Kundenbetreuung betreibt und von seinen Briefen zutiefst ergriffen ist.

Ein geringerer Film würde hier den Startschuss für eine mehr oder minder kitschige Romanze sehen. Bisweilen mag man auch hier das Gefühl haben, die Geschichte könnte sich in diese Richtung entwickeln. Doch weit gefehlt, Demolition: Lieben und Leben ist anders. Kühner, gewagter, aber auch ehrlicher. Denn nicht nur rückt er zwei Menschen in den Mittelpunkt, die sich an diesem jeweiligen Moment in ihrem Leben brauchen, sondern er zeichnet auch ein ergreifendes Bild davon, wie Trauer auf einen Menschen wirken kann. Davis ist in gewisser Weise selbstzerstörerisch. Mit seiner schonungslosen Ehrlichkeit stößt er vor den Kopf, ebenso wie mit seiner scheinbaren Verweigerung zu trauern. Doch der Schmerz sucht sich ein Ventil. Einerseits, indem er Sachen zerlegt und zerstört, andererseits, indem er mit jemandem redet – oder zumindest schreibt. Denn auch während Davis‘ und Karens Wege sich im echten Leben kreuzen, schreibt er ihr weiter. Er distanziert sich damit von der Frau, die diese Briefe liebt. Es ist eine anonyme Art des Beichtens, selbst wenn man weiß, wer am Ende diese Briefe liest.

Worum es im Grunde nicht geht, worauf dieser Film aber auch sehr subtil verweist, ist die Kunst des Briefeschreibens, die in Zeiten der digitalen Kommunikation fast völlig verschwunden ist. Es ist eine andere Form der Kommunikation, die Geduld, aber auch Hingabe erfordert. Dinge, die auch die Hauptfigur benötigt, um diese Zeit durchstehen zu können.

Gyllenhaal, der erneut eine packende, in vielerlei Hinsicht zurückgenommene, dann aber auch geradezu in Irrsinn verfallende Darstellung abliefert, ist das emotionale Zentrum, aber auch der Anker für den Zuschauer. Dieser bekommt mit Demolition: Lieben und Leben bewegendes, ernsthaftes und wehmütiges Kino geboten, das es versteht, das Gefühl zu vermitteln, das der Tod eines geliebten Menschen freisetzt.
 

Demolition - Lieben und Leben (2016)

„Ich habe meine Frau nie geliebt. Und nun, da sie tot ist, fühle ich keine Trauer und keinen Schmerz“, sagt Davis (Jake Gyllenhaal) zu einem Mann, den er seit Jahren im Zug sieht, der für ihn jedoch ein völlig Fremder ist. Er öffnet sich auf eine Art, die ihm früher nicht möglich war. Vor dem verheerenden Autounfall, den seine Frau nicht überlebt und den er ohne einen Kratzer am Leib überstanden hat. Aber eigentlich ist auch er gestorben.

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