Das Sichtbare und das Unsichtbare

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

25 Filme und kein bisschen leise

Vielleicht ist Rudolf Thome der letzte wahre deutsche Independent-Regisseur, den wir haben. Vieles spricht zumindest für die Vermutung. Vor allem aber ist er ohne Frage einer der produktivsten Filmemacher unserer Tage – mit Das Sichtbare und das Unsichtbare präsentiert der Mann seinen 25. Film. Kaum ein anderer hat solch einen Ausstoß, solch eine ungebremste Kreativität und Schaffenskraft wie Thome. Dass Thome trotzdem nur eine Randfigur in der deutschen Filmszene geblieben ist, die sich aber einer treuen Fangemeinde erfreuen darf, ist einerseits zu bedauern. Andererseits aber kam Thome so nie in Versuchung, sich allzu sehr an den gängigen massenkompatiblen Publikumsgeschmack anzupassen.
Marquard von Polheim (Guntram Brattia) ist Maler und hätte eigentlich allen Grund zur Freude. Nach langen Jahren der Missachtung und des Kämpfens wird er mit dem Paul-Gauguin- Preis geehrt, der zudem noch mit 100.000 Euro dotiert ist. Für den sensiblen und enttäuschten Künstler aber kommt diese Anerkennung zu spät, er hat längst mit dem Malen abgeschlossen. Frustriert besäuft sich Marquard, läuft volltrunken auf der Preisverleihung ein und lässt es jeden wissen, dass diese Auszeichnung 20 Jahre zu spät kommt. Unter den wüsten Ausfällen leidet auch seine Beziehung zu seiner langjährigen Lebenspartnerin und Malerkollegin Maria Döbereiner (Hannelore Elsner), die sich schon seit längerem in einer Krise befindet. Nun ist es genug, beschließt Maria und schickt Marquard in die Wüste. Während dieser sich in eine Affäre mit Angie stürzt und eine Reise mit seiner Tochter Lucia unternimmt – es wird seine letzte Reise werden –, verarbeitet Maria das Ende der Beziehung anders: Sie beginnt mit der Arbeit an einem Bild mit dem Titel „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ und trifft sich wieder mit ihrem früheren Geliebten, dem Philosophen und Pferdezüchter Gregor (Hansa Czypionka).

Die Chronik eines mehrfachen Abschieds, so könnte man diesen neuen Film von Rudolf Thome mit wenigen Worten zusammenfassen. Privat wie beruflich stehen hier die Zeichen auf Veränderung, es geht um auseinander brechende Beziehungen ebenso wie um stockende künstlerische Karrieren. Und wie stets bei Rudolf Thome ist es das bürgerlich-bohemienhafte Milieu, in dem seine Geschichte spielt. Ebenso bekannt sind Thomes Darsteller: Wie in den letzten Filmen Frau fährt, Mann schläft, Rauchzeichen, Du hast gesagt, dass du mich liebst spielt Hannelore Elsner auch hier eine starke Frau, die ihr Gefühlsleben noch einmal vollkommen neu ordnen muss. Und auch Guntram Brattia ist ein alter Bekannter aus Thomes Filmen, so dass dem aufmerksamen Zuschauer vieles bekannt vorkommen wird. Neu und von brennender Intensität ist vor allem die Kameraarbeit Fred Kelemens, der dem Film seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückt.

Nun lässt sich darüber spekulieren, ob Thome, der wie Marquard von Polheim Zeit seines Wirkens niemals die angemessene Würdigung seines umfangreichen Werkes erfahren hat, in diesem Film nicht sehr viel Persönliches verarbeitet. In einem Interview bekennt Rudolf Thome, dass ihm Todessehnsüchte wie jene des Malers Marquard durchaus nicht fremd sind. Außerdem ist die Figur des Künstlers dem verstorbenen Schauspieler Marquard Bohm gewidmet, der ein fester Bestandteil von Rudolf Thomes Filmfamilie war. Es ist also wahrlich ein Film, in dem Abschied auf allen Ebenen eine große Rolle spielt. Zugleich aber steckt so viel Kraft und Aufbruch in seinen Figuren, in seinen Bildern, die schon immer die Balance zwischen Oberfläche und Tiefgründigkeit fanden, dass man sich nicht allzu viele Sorgen um die weitere Karriere des Filmemachers Rudolf Thome machen muss. Seine Filme sind in Deutschland etwas ganz Besonderes und Kostbares und verbinden in hervorragender Weise das Sichtbare mit dem Unsichtbaren. Und das war schon immer das Geheimnis der Kinos.

Das Sichtbare und das Unsichtbare

Vielleicht ist Rudolf Thome der letzte wahre deutsche Independent-Regisseur, den wir haben. Vieles spricht zumindest für die Vermutung. Vor allem aber ist er ohne Frage einer der produktivsten Filmemacher unserer Tage – mit Das Sichtbare und das Unsichtbare präsentiert der Mann seinen 25. Film.
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Meinungen

Andreas · 10.01.2008

Bedauerlich: In unserer Republik mit ~80.000.000 Mio. Einwohnern scheint dieser Film nur in einem bis zwei Kinos zu laufen.