Das Neuss Testament

Eine Filmkritik von Red.

„Das Ungeheuer von Loch Neuss“ – so nannte sich Wolfgang Neuss gerne selbstironisch. Und so sah er am Ende seines Lebens auch aus. Doch das trifft die Vielschichtigkeit des Kabarettisten und Filmschauspielers nur teilweise und ungenügend; er war auch „Haschrebell“ in Zeiten, als es solche noch gab, Querkopf, Clown und sogar Bundesfilmpreisträger. Er wirkte in Unterhaltungsfilmen wie Das Wirtshaus im Spessart, Charleys Tante und Ferien auf Immenhof mit und gab in späteren Jahren – schon sichtlich gezeichnet – das schräge schlechte Gewissen der Bundesrepublik. Am 5. Mai 2009 jährt sich der 20. Todestag von Wolfgang Neuss. Und so passt dieser Film, der sich als eine Hommage an den unbequemen Zeitgenossen versteht, natürlich bestens. Ob ein Film wie dieser allerdings im Kino sein Publikum erreichen wird oder doch nicht viel besser im Fernsehen aufgehoben ist (wo im April eine 45-minütige Fassung des Films zu sehen war), das steht auf einem anderen Blatt.
Im Zweiten Weltkrieg schoss sich Neuss nach mehrmaligen Verwundungen an der Ostfront den Finger ab, um dem sinnlosen Abschlachten zu entkommen, floh später nach Kopenhagen und begann direkt nach dem Ende des Krieges eine Kabarett-Karriere, die ihm zuerst mal keinen Ruhm, dafür aber eine Haftstrafe der britischen Besatzungsmacht einbrachte. 1949 traf Neuss dann Wolfgang Müller, mit dem er unter dem Namen Die zwei Wolfgangs auftrat. Es folgten weitere Stationen wie seine Soloauftritte als Der Mann mit der Pauke, der mit ätzenden Kommentaren die Adenauer-Ära begleitete, eckte mit Filme wie Wir Kellerkinder und Aktionen wie der vorherigen Nennung des Täters aus einem Fernsehkrimi von Francis Durbridge (damals ein echter Straßenfeger) per Zeitungsannonce an. Was ihm den Titel „Verräter der Nation“ seitens der BILD einbrachte – ein Prädikat, das dem Kabarettisten gefallen haben dürfte, der alles war, aber niemals ein „guter anständiger Deutscher“. Als Wolfgang Müller bei einem Flugzeugabsturz im Jahre 1960 ums Leben kam, machte Neuss alleine weiter, doch im Laufe der Sechzigerjahre wurde es ruhiger um ihn. 1969 ging Neuss nach Chile, kehrte später als bekennender Dauerkiffer nach Berlin zurück und blieb sichtlich ausgemergelt und mit langen Haaren, die ihm das Aussehen eines vom Leben gezeichneten Indianerhäuptlings gaben, ein verschmitzter Mahner und Querkopf, der mit Bonmots wie „Auf deutschem Boden darf nie wieder ein Joint ausgehen“ die Bundesrepublik gleichermaßen erschreckte und entzückte.

Drei Tage vor seinem Tod rief Wolfgang Neuss den Filmemacher Rüdiger Daniel zu sich in seine Wohnung in der Lohmeyerstraße in Berlin-Charlottenburg. Eigentlich arbeitete der Regisseur gerade an einer WDR-Serie zum Thema Varieté und hatte über Abi von Haase Wolfgang Neuss kennen gelernt. An jenem 2. Mai stand eigentlich ein Wiedersehen zwischen von Haase, dessen Ex-Geliebter Johanna König (Bekannt als „die Clementine“ aus der Ariel-Werbung) und Wolfgang Neuss auf dem Programm. Doch dann rief Neuss an und verlegte mit den Worten „Ich will sprechen“ den Termin um zwei Stunden vor. Was im Folgenden entstand, war ein Ietztes Interview, also wahrhaftig eine Art Testament, das ergänzt durch ein Tonband-Tagebuch des Kabarettisten und Begegnungen mit Wegbegleiterinnen wie seiner Schwester Eva und seiner Geliebten Gisela Groenewold sowie Bewunderern wie Richard von Weizsäcker, an einen „alten Narren“ erinnert, wie er heute schmerzlich vermisst wird.

Das Neuss Testament

„Das Ungeheuer von Loch Neuss“ – so nannte sich Wolfgang Neuss gerne selbstironisch. Und so sah er am Ende seines Lebens auch aus. Doch das trifft die Vielschichtigkeit des Kabarettisten und Filmschauspielers nur teilweise und ungenügend; er war auch „Haschrebell“ in Zeiten, als es solche noch gab, Querkopf, Clown und sogar Bundesfilmpreisträger. Er wirkte in Unterhaltungsfilmen wie Das Wirtshaus im Spessart, Charleys Tante und Ferien auf Immenhof mit und gab in späteren Jahren – schon sichtlich gezeichnet – das schräge schlechte Gewissen der Bundesrepublik.
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Meinungen

lothar hansen · 24.05.2009

es ist unglaublich. ich finde kein kino, wo dieser filnm läuft...zumindest nicht in leipzig.

und...wolfgang neuss ist ein wunderbarer kabarettist gewesen

Richard · 28.04.2009

Der Neuss war doch schrecklich, oder?