Dancing Beethoven

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Glücklich in einer so unheilvollen Welt

Als die Schauspielerin Malya Roman in ihre Heimatstadt Lausanne reist, um dort im Rahmen des Dokumentarfilms Dancing Beethoven den Proben des Béjart Balletts beizuwohnen, muss der Zug seine Fahrt unterbrechen, weil sich ein Mensch davor gestürzt hat. Der Film, der die Proben für eine spektakuläre Ballett-Inszenierung der 9. Sinfonie von Beethoven nach der berühmten Choreographie von Maurice Béjart in Tokio begleitet, unterschlägt diese triste Begebenheit bewusst nicht. Denn diese Dokumentation stellt weitaus mehr als die Chronik der Entstehung eines exklusiven Events der Ballett-Szene dar. Vielmehr beleuchtet Dancing Beethoven auf vielschichtige Weise die kuriose Verbindung zwischen einem der bekanntesten klassischen Stücke der Musikgeschichte, seinem ebenso legendären Text An die Freude von Friedrich Schiller sowie der tänzerischen Gestaltung dieser Stoffe durch zwei innovative Ballett-Ensembles.
Innerhalb von neun Monaten, dem Zeitraum einer Schwangerschaft, wie Malya Roman als dramaturgische Erzählerin und Repräsentantin der spanischen Regisseurin Arantxa Aguirre im Film bemerkt, entsteht hier das philosophisch unterfütterte Porträt eines einzigartigen und interdisziplinären kulturellen Projekts. Neun Monate bis zur Inszenierung der legendären Neunten durch das Béjart Ballett Lausanne, das Tokyo Ballet und das Israel Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Zubin Mehta – da entstehen großartige wie schmerzvolle Einblicke in das Training der Tänzer_innen, aber auch in die kognitiv-künstlerische Welt der beteiligten Protagonist_innen. Wenn ein Lausanner Choreograph die Bedeutung dieser ganz großen Werke dieses Kulturkosmos als Trost, als Glück in einer „so unheilvollen Welt“ beschreibt, offenbart sich die Komplexität von Dancing Beethoven, die auch in einer Verknüpfung zur aktuellen soziopolitischen Befindlichkeit der Menschheit besteht, zuvorderst auf das geflügelte Wort „Alle Menschen werden Brüder“ aus Schillers An die Freude bezogen. Wenn 80 Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt sich auf der Bühne in Tokio an den Händen halten und gesanglich diese Lyrik erklingt, entsteht damit das prägnanteste, prächtigste Bild dieses Dokumentarfilms, der es wagt, den suizidalen Beethoven mit jenen dreihundert Menschen in Verbindung zu bringen, die sich jährlich auf Schweizer Bahnstrecken das Leben nehmen.

So verweben sich ungewöhnliche Inhaltskombinationen mit der außergewöhnlichen Form der Dokumentation: Arantxa Aguirre findet stille, langsame jahreszeitliche Impressionen inmitten klangvoller, dynamischer Probesequenzen, thematisiert signifikante Komponenten der japanischen Kultur sowie des Zen-Buddhismus und präsentiert theoretische Aspekte des tänzerischen Ausdrucksrepertoires. Doch es sind die beachtlich offenen und tiefsinnigen Interviews mit den engagierten Akteuren des Projekts, die das bewegende Flair des Films tragen. Hier werden eben keine glatten Antworten zurechtgeschnitten, sondern die Lebendigkeit und Authentizität von ambivalenten Aussagen zelebriert, was erheblich zur Hintergründigkeit und mitunter auch Heiterkeit der Gespräche beiträgt. Wenn etwa ein Japaner von Malya Roman – die ihre Moderation so professionell wie ganz bezaubernd mit persönlichen Erzählungen verknüpft präsentiert – aufgefordert wird, doch schlichtweg auf Japanisch zu antworten, er werde untertitelt, folgt seiner spontanen nachdenklichen Stille ein explosives Lachen und das Eingeständnis, dies nun gar nicht in seiner Muttersprache formulieren zu können.

Es ist der Charme einer selbstverständlichen, gelebten Diversität, der auch die agile Atmosphäre der Akteure untereinander markant prägt. Dass bei aller Unterschiedlichkeit der Persönlichkeiten und individuellen Lebensgeschichten eine starke, förderliche und bereichernde Einigkeit entstehen kann, scheint sowohl als Botschaft von Beethovens Neunter als auch ihrer tänzerischen Inszenierung durch. Auch unter den Tänzer_innen gibt es ein Paar, das ein Kind erwartet, und die Ankündigung dieses freudigen Ereignisses der Schwangerschaft hat die Besetzungspläne kräftig durcheinandergebracht. Doch auch das gehört zum Alltag eines derart extravaganten Projekts, ebenso wie Tränen, Hoffnungen und eine enorme Euphorie, die sich auch auf ein nicht speziell vorgebildetes Publikum überträgt. Ein hinreißender Film, der ein wirkungsmächtiges Kleinod des Ballett-Universums im Geiste Maurice Béjarts beleuchtet und so pathetisch wie tröstlich davon zeugt, welch Versöhnlichkeiten und Verbundenheiten eine Kultur der kooperativen Kombination zu transportieren vermag!

Dancing Beethoven

Als die Schauspielerin Malya Roman in ihre Heimatstadt Lausanne reist, um dort im Rahmen des Dokumentarfilms Dancing Beethoven den Proben des Béjart Balletts beizuwohnen, muss der Zug seine Fahrt unterbrechen, weil sich ein Mensch davor gestürzt hat.
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Meinungen

Löffler, Martina · 19.04.2017

Ein rundum gelungener Film, der verstehen lässt, zu welch bewegenden Momenten die künstlerische Zusammenarbeit von hervorragenden Ballett-Ensembles des Béjart-Balletts Lausanne, des Tokio-Balletts mit Musikern des Israelischen Symphonie-Orchester unter Zubin Mehta bei der Aufführung von Beethovens 9. Symphonie - ja, Kunst überhaupt - den Zuschauer verführen kann. Tanz und Musik als verbindende Elemente, die alle guten Regungen im Menschen anrühren im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit voller Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen. Wie es am Ende heißt: "Dieu et le Diable" ( Gott und Teufel) - vielleicht gehören sie zusammen und die Kunst versucht stets eine Aussöhnung zu erreichen, das Positive die Oberhand gewinnen zu lassen, Menschlichkeit und Brüderlichkeit.
Ein wunderbar beglückender Film mit hervorragenden jungen Tänzern!

Ortrud Wöhrle · 13.04.2017

Lion War ein sehr beeindruckender toller Film habe
schon lange nicht mehr solch einen guten FIlm
gesehen.
Natürlich bin ich auch nicht jede Woche im Kino.